Wahl in Iran:Im Kern eine Spaltung

Zwei der Kandidaten für das Amt des Präsidenten sind auch Konkurrenten beim iranischen Atomprogramm: Dschalili und Welajati kämpfen aber weniger um die Substanz als um den Stil. Die EU könnte ihren Druck auf Iran nach dem Sommer nochmals deutlich verschärfen.

Von Paul-Anton Krüger

TV-Debatten im iranischen Wahlkampf sind für westliche Zuschauer eine gewöhnungsbedürftige Veranstaltung. Nicht nur dauern die drei Übertragungen je vier Stunden, auch findet der politische Schlagabtausch recht getragen statt. Die Kandidaten halten eher Reden, als dass sie offen miteinander streiten. Schon deswegen war es bemerkenswert, wie Ex-Außenminister Ali Akbar Welajati seinen Konkurrenten Said Dschalili anging, den Atom-Unterhändler der Islamischen Republik. "Doktor Dschalili, die Menschen sehen, dass Sie nicht einen Schritt vorwärts gegangen sind", hob der außenpolitische Berater des Obersten Führers Ali Chamenei an. Der Druck der internationalen Sanktionen existiere immer noch. "Die Kunst der Diplomatie aber ist es, unsere nuklearen Rechte zu bewahren, und nicht weiter die Sanktionen verschärft zu sehen."

Bemerkenswert ist die Attacke, weil die beiden Männer aus dem gleichen Stall kommen: Dschalili hat nicht nur jahrelang in Chameneis Büro gedient, als Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates führt er bei den Nuklearverhandlungen darüber hinaus den Titel persönlicher Repräsentant des Obersten Führers. Allerdings darf man sich von der ungewöhnlich scharfen Rhetorik nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es bei der Auseinandersetzung kaum um die Substanz geht, sondern allenfalls um den Stil. Keiner der Kandidaten würde es wagen, das international umstrittene Atomprogramm auch nur infrage zu stellen, auch nicht der einzig verbliebene Vertreter des Reformlagers, Hassan Rohani, der früher selbst einmal Atom-Unterhändler war. Die Linie in dieser Frage gibt Chamenei persönlich vor, und nichts spricht dafür, dass der Ayatollah derzeit auf Kompromisse aus ist.

Das mussten die Emissäre der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands (P5+1) bereits im April im kasachischen Almaty erfahren. Dschalili hatte sie dort einmal mehr mit der Maximalforderung auflaufen lassen, es müssten erst alle Sanktionen aufgehoben werden, bevor sein Land sich bewege. Das sei "ziemlich enttäuschend" gewesen, sagte ein an den Gesprächen beteiligter Diplomat. Es hatte zuvor andere Signale aus Teheran gegeben, auch von Dschalili selbst.

Auch bei der internationalen Atomenergiebehörde IAEA mauern die Iraner: "Um ehrlich zu sein, wir drehen uns jetzt schon seit einiger Zeit im Kreis", klagte IAEA-Chef Yukiya Amano jüngst. In zehn Verhandlungsrunden hatten seine Inspektoren in den vergangenen 18 Monaten vergeblich versucht, Zugang zum Militärstützpunkt in Parchin nahe Teheran zu erlangen. Sie vermuten, dass Iran dort Experimente gemacht hat, die zur Entwicklung von Atomwaffen gedient haben dürften. Nach umfangreichen Abriss- und Bauarbeiten asphaltieren die Iraner gerade den Großteil des Geländes. Sie wollen offenbar sichergehen, dass die Inspektoren nichts Verdächtiges finden, sollten sie sich eines Tages doch noch dort umschauen dürfen.

Regierungsbildung dürfte sich bis Juli hinziehen

Jenseits bilateraler Kontakte auf Arbeitsebene herrscht de facto Funkstille in der Iran-Diplomatie, seitdem Dschalili und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in ihrer Eigenschaft als Verhandlungsführerin der P5+1 sich Mitte Mai in Istanbul getroffen haben, ohne weitere Gesprächstermine zu vereinbaren. Mit Blick auf den innenpolitischen Kalender in Iran rechnen Diplomaten auch vor September nicht mehr mit neuen Gesprächen auf politischer Ebene: Die Regierungsbildung werde sich bis Juli hinziehen, schon weil das iranische Parlament jeden einzelnen Minister bestätigen muss.

Mit Beginn des Fastenmonats Ramadan um den 9. Juli herum fällt die Politik in Teheran dann überdies vier Wochen lang in Dämmerschlaf. Bevor die Verhandlungen weitergehen können, muss zudem der neue Präsident den Sekretär des Sicherheitsrats neu benennen. Unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht, erwarten westliche Diplomaten nicht, dass Amtsinhaber Dschalili weiter seine bisherige Funktion ausfüllt.

In den vermeintlich ruhigen Sommermonaten wird allerdings der Druck extrem zunehmen, im Herbst schnell zu Fortschritten zu kommen - oder anderenfalls eine nochmals deutlich schärfere Gangart gegen das Regime in Teheran einzuschlagen. "Das Einzige, was sich derzeit bewegt, ist das iranische Nuklearprogramm", resümierte der US-Botschafter bei der IAEA, Joseph MacManus, die Situation.

Sollten Gespräche im Herbst ergebnislos bleiben, dürfte die EU ihre Sanktionen nochmals deutlich verschärfen, wie Diplomaten sagen. So könnte die staatliche Fluggesellschaft Iran Air aus der EU verbannt werden, und weitere Handelsbeschränkungen wären zu erwarten. Noch im Jahr 2014, so heißt es weiter, könnte bei einer weiteren Eskalation ein vollständiges Handelsembargo westlicher Staaten gegen die Islamische Republik in Kraft treten. Das dürfte auch Welajati bei seiner Attacke im Kopf gehabt haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: