Wahl in Griechenland:Engagierte Griechen kämpfen gegen den Untergang

Die einen verdienten Millionen, illegal, an der Steuer vorbei. Die anderen bekommen 630 Euro im Monat. Dafür, dass sie die Steuersünder jagen und den Schuldenberg Griechenlands bekämpfen. Trotz aller Frustration machen sie weiter. Und hoffen, dass die Wahl am Sonntag ihre Erfolge nicht gefährdet. Und der Staat ihnen endlich hilft.

Christiane Schlötzer

Brautkleider, wer kauft jetzt schon Brautkleider? Berge aus Tüll und weißer Seide. Oder die weißen Kleidchen und die kleinen Prinzenanzüge für die Taufe, die auch aussehen, als seien sie für Hochzeiten gemacht. Ab 280 Euro das Stück. "Die Menschen verschieben nun sogar Kindstaufen, sie warten, bis sie wieder Arbeit haben", sagt eine Ladenbesitzerin in einer Athener Geschäftsstraße, in die sich kaum noch ein Käufer verirrt.

Athen, Griechenland

Der Omonoia-Platz in Athen: Griechenland hält den Atem an vor den Wahlen am Sonntag. Noch immer gibt es viele, die sich trotz aller Frustration für ihr Land einsetzen.

(Foto: dpa)

Unweit der weißen Tüllberge weht eine griechische Fahne, sie schmückt das Gebäude eines Finanzamts. Drinnen studieren Beamte lange Listen, ziehen Striche mit dem Lineal. Sie haben jetzt auch Computer, endlich, aber das System funktioniert noch immer nicht so, wie sich dies einer der Männer wünscht, die sich auf die Jagd nach Steuersündern begeben haben. Seinen Namen sollte man nicht schreiben, weil Staatsdiener wie er derzeit Beschimpfungen und Bedrohungen genug erleben. Von einigen Reichen und Mächtigen, die sich in Jahrzehnten daran gewöhnt hatten, dass Steuererklärungen etwas für schlichte Leute waren, aber nicht für Männer und Frauen, die sich unantastbar fühlten. Weil sie beste Beziehungen zur Politik haben und teuerste Anwälte beschäftigen, während den Finanzämtern die Juristen fehlen.

Der Beamte macht eine Geste, als würde er eine Zitronenpresse bedienen. "Ausgepresst", so fühle sich die Mittelklasse, so fühlten sich seine neuen, jungen und gut ausgebildeten Mitarbeiter, die jetzt 630 Euro im Monat verdienen. Vor allem, wenn sie sehen, in welchem Luxus andere gelebt haben, deren Villen sie jetzt erstmals beschlagnahmen dürfen, weil es ein neues Gesetz gibt, das dies ermöglicht, in Fällen von notorischer Steuerhinterziehung. "Wir haben sehr positive Ergebnisse", sagt der Mann. 111 Immobilien wurden 2011 konfisziert, in diesem Jahr waren es bis zum 8. Juni schon 160.

500 Festnahmen wegen Steuerschulden - früher undenkbar

Am Donnerstag wurde in Athen ein Geschäftsmann aus der Softwarebranche verhaftet, der dem Staat 5,6 Millionen Euro schuldet. Seit November 2011 gab es gut 500 Festnahmen wegen Steuerschulden von zusammengerechnet fast einer Milliarde Euro. All das wäre früher nie passiert. Aber ein politisches Vakuum nach der Wahl am Sonntag könnte solche Erfolge wieder gefährden. Und der Finanzbeamte ist sich nicht sicher, dass die Politiker, die das Land regieren wollen, sich "schon entschieden haben", dass künftig alles besser werden soll. Dass sie die 18.300 Offshore-Firmen mit Sitz auf den Virgin Islands oder auf Zypern und in Luxemburg wirklich antasten wollen. Oder bestimmte Stiftungen, die nur zur Geldwäsche gegründet wurden. Oder Hunderte von Luxus-Jachten, die als kommerzielle Schiffe deklariert sind, um Steuern zu vermeiden.

Die sozialistische Regierung von Giorgos Papandreou, die 2009 - kurz vor der Krise - an die Macht kam, hatte die Steuer auf Grundbesitz von einer Mini-Marge auf 15 Prozent des realen Wertes erhöht. Wer seinen Besitz nicht deklarierte, wurde aber nicht behelligt. Am schlimmsten war es offenbar unter der Regierung des konservativen Kostas Karamanlis von 2004 bis 2009. In diese Zeit fiel die "Party nach den Olympischen Spielen", wie es ein anderer Finanzfachmann ausdrückt. Die Liste der größten Steuersünder, die im Internet einsehbar ist, enthält auch einige nichtgriechische Namen - Leute, die an den Spielen mitverdienten.

Eigentlich wäre in dieser Zeit für die Finanzämter viel zu tun gewesen, aber der Experte, der damals schon lieber kontrollieren als beide Augen zudrücken wollte, sagt: "Es gab keine Verwaltung, die den Beamten eine Vision gegeben hätte." Besonders ärgern sich solch engagierte Staatsdiener, wenn die privaten griechischen Banken, die auf eine Rekapitalisierung mit EU-Hilfe angewiesen sind, die Steuerverwaltung nicht unterstützen. Fragen die Beamten nach Konten-Daten, müssen sie drei bis fünf Monate warten. Dann schicken die Banken Stapel von Papier, durch die sich die Staatsdiener wühlen müssen.

"Bewegung für ein besseres Griechenland"

Anna Damaskou hat eine schöne Grafik vor sich liegen. Sie zeigt den Parthenon. Nicht den realen, sondern einen erdachten: 13 Säulen mit Sockel und Fries, auf dem steht: System der nationalen Integrität. Die Säulen tragen Bezeichnungen wie Justiz, Parteien, Europäischer Rechnungshof, Korruptionsbekämpfung. Die Juristin Damaskou arbeitet für "Transparency International Hellas".

Die Organisation hat eine Studie erstellt, die zeigt, wie Griechenland tatsächlich ein transparentes Staatswesen werden kann. Die Empfehlungen hat der Chef von Transparency Hellas, Kostas Bakouris, zwei Wochen vor der Wahl am 6. Mai an alle Parteien geschickt. Die Enttäuschung ist seiner Mitarbeiterin Damaskou noch anzumerken. "Keiner hat auch nur geantwortet", sagt die 34-Jährige, die in London studiert hat. Allein eine ökologische Splitterpartei, die es nicht ins Parlament geschafft hat, bestätigte wenigstens den Eingang der Vorschläge.

"Man muss große Ziele haben"

Auch Peter Nomikos spricht von einer "Bewegung für ein besseres Griechenland". Der 33-Jährige jettet um die Welt, er ist heute in New York und morgen in London. Wie viele reiche Griechen, die ihre Geschäfte außerhalb des Landes haben. Aber wenn Nomikos mit seinen wohlhabenden Freunden spricht, dann kommt er sich vor wie ein Rufer in der Wüste, auch wenn er schon ein paar Mitstreiter gefunden hat. Seine Idee: Kauft Griechenland frei! Reiche und weniger reiche Griechen sollen die Schuldscheine ihres Landes, die ja nun sehr günstig zu haben sind, auf den internationalen Finanzmärkten erwerben.

Seine Initiative tritt unter dem Slogan "Greece debt free" auf. "Man muss große Ziele haben", sagt Nomikos. Über Facebook sollen die Griechen nun über Produkte abstimmen, die die Aufschrift "Debt free" führen dürfen. 50 Prozent der Profite daraus sollen in die Kampagne zum Schuldenfreikauf fließen, für die Nomikos eine Stiftung in den USA gegründet hat. Er geht mit gutem Beispiel voran und lässt ein "schuldenfreies" Bier auf der Insel Santorini brauen. "Das ist ein Anfang", sagte Nomikos der SZ. Bis aus der Initiative eine "breite patriotische Bewegung" wird, von der Nomikos träumt, dürfte es noch dauern in diesem Land am Rande des Chaos. Am Sonntag wird erst einmal wieder gewählt.

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