Wahl in Frankreich:Le Pen sucht die Konfrontation

Wahl in Frankreich: "Sie profitiert mit ihren Selfies aus dem Elend dieser Menschen": Marine Le Pen in Amiens, der Heimatstadt von Emmanuel Macron.

"Sie profitiert mit ihren Selfies aus dem Elend dieser Menschen": Marine Le Pen in Amiens, der Heimatstadt von Emmanuel Macron.

(Foto: AFP)
  • Kurz vor der Stichwahl um die französische Präsidentschaft geht Rechtspopulistin Le Pen aufs Ganze, um die Stimmen der Unentschlossenen zu holen.
  • In Macrons Heimatstadt Amiens stiehlt sie ihm bei einem Kampagnentermin die Show.
  • Der Favorit im Rennen war bisher zurückhaltend - doch nun geht auch Macron in den Angriffsmodus über.

Analyse von Leila Al-Serori, Paris

Zwei Gesichter, viel dunkles Blau und Frankreich als zentrale Botschaft: Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben ihre Plakate für den Wahlkampfendspurt enthüllt. Das war es aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten zwischen dem parteilosen Sozialliberalen und der Rechtspopulistin. Harmonisch wird vor der Stichwahl am 7. Mai nichts mehr.

Das zeigt sich besonders am Mittwoch: In letzter Minute ändert Le Pen ihre Termine, fährt in die Provinz und durchkreuzt die Pläne ihres Kontrahenten. Macron ist in seiner Heimatstadt Amiens, um Arbeitervertreter von Whirlpool zu treffen. Die Fabrik des US-Herstellers von Haushaltsgeräten soll im kommenden Jahr nach Polen übersiedeln, mehrere Hundert Menschen verlieren ihren Job. Ein Politikum in Frankreich - und eines, das beide Präsidentschaftskandidaten für sich nutzen wollen.

Doch während Macron sich mit den Gewerkschaftern bespricht, geht Le Pen unangekündigt direkt zu streikenden Angestellten, lässt sich unter deren Jubel mit ihnen filmen und fotografieren. "Ich bin hier, wo ich sein soll - bei den Arbeitern." Wieder einmal inszeniert sie sich erfolgreich als Vertreterin des einfachen Volkes, und lässt Macron als abgehobenen Städter dastehen. Als dieser schließlich ebenfalls bei den Arbeitern erscheint, regnet es Buhrufe und Pfiffe. Die Zeitung Libération titelt: "Der Krieg ist erklärt."

Der Ton für die kommenden Tage ist damit gesetzt - und er ist alles andere als freundlich. Le Pen liegt in den Umfragen mit etwa 40 Prozent weit hinter Macrons 60 Prozent. Für sie geht es um alles, sie muss eine Menge unentschlossene Wähler überzeugen, um noch eine Chance zu haben.

Dabei buhlt sie vor allem um die Unterstützer des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der bisher keine Wahlempfehlung abgegeben hat. Die Themen, die beide Wählergruppen vereinen, sind der soziale Abstieg und die EU-Kritik. Hier setzt die Populistin an, wenn sie Macron wiederholt einen elitären Schnösel nennt. Am Firmengelände von Whirlpool beispielsweise, als sie ihren Kontrahenten höhnisch als Befürworter einer "ungehemmten Globalisierung" bezeichnet. Oder im französischen Fernsehen, als sie behauptet, er habe einen radikalen Islamisten in seinem Team, den er als "netten Typen" bezeichne. Außerdem nennt sie überzogene und falsche Zahlen zu Arbeitslosigkeit und Migration. Die Tageszeitung Le Monde schreibt am nächsten Tag von einer "Trumpisierung" Le Pens - in Anspielung auf die "alternativen Fakten" von US-Präsident Donald Trump.

Am Mittwoch präsentiert ihr Wahlkampfleiter David Rachline in Paris vor Journalisten die Strategie der nächsten Tage: "Sich für Frankreich entscheiden" lautet das Thema ihrer Plakate. Damit stilisiert die Kampagne Le Pen als einzige Wahl für heimatbewusste Franzosen - Macron wäre demnach die unpatriotische Entscheidung, "ein Oligarch" in den Worten Rachlines. Um sich für breitere Schichten wählbar zu machen, hat Le Pen den Vorsitz ihres Front National (FN) vorübergehend aufgegeben. Sie spielt nun die Mutter der Nation - und zeigt einmal mehr, wie gut sie die Inszenierung und populistische Wahlkampftricks beherrscht.

Le Pen wurde vorgeworfen, im Wahlkampf vor dem ersten Durchgang nicht gepunktet zu haben. Im Februar lag sie in den Umfragen noch klar auf Platz eins mit fast 28 Prozent, am Sonntag hingegen holte sie nur 21,3 Prozent. Ihr Vater, FN-Gründer Jean-Marie Le Pen, kommentierte, sie sei zu lasch gewesen, zu wenig aggressiv. Das dürfte sie nun ändern wollen.

An diesem Donnerstag fährt Le Pen nach Nizza. Dort erreichte sie 25 Prozent, etwas mehr als Macron. Der konservative Kandidat François Fillon holte in der Stadt am Mittelmeer die meisten Stimmen - hier ist also ein besonders großer Pool an Wählern zu holen, die sich für die Stichwahl umorientieren müssen. Ob diese Menschen überhaupt abstimmen gehen? Umfragen zufolge will ein Viertel der Unterstützer Fillons am 7. Mai den Urnen fernbleiben, bei den Mélenchon-Wählern ist es sogar ein Drittel. Le Pen geht deshalb aufs Ganze, sie braucht diese Stimmen - genau wie Macron.

Macron muss an Tempo zulegen

Dieser war bisher zurückhaltend und bemühte sich vor allem, die Behauptungen seiner Herausforderin zu widerlegen. Er kann sich durch den Sieg im ersten Durchgang gestärkt fühlen, sowie durch das große parteiübergreifende Netz an Unterstützern vom Sozialisten François Hollande bis zum Konservativen Nicolas Sarkozy.

"Le Pen gibt sich als Vertreterin des Volkes aus, ist aber selbst eine reiche Erbin", geht Macron nun durchaus kämpferisch zum Gegenangriff über. "Sie profitiert mit ihren Selfies aus dem Elend dieser Menschen."

Der Vorfall bei Whirlpool Amiens dürfte ihm gezeigt haben, dass auch er an Tempo zulegen muss. Zu siegessicher darf er sich nicht fühlen, selbst wenn er in den Umfragen vorne liegt. Macron muss den Unentschlossenen deutlich machen, warum er ihre Stimme verdient - denn jeder Nichtwähler hilft am Ende Le Pen.

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