Wahl in Frankreich:Hollande wird zum Held des eigenen Rückzugs

Mit seinem marktliberalen Kurs ist der französische Präsident gescheitert. Aber die Entscheidung, nicht mehr zu kandidieren, bewahrt ihm zumindest eine Restwürde.

Kommentar von Christian Wernicke, Paris

Das war's also. Francois Hollande, Frankreichs Präsident, hat am Donnerstagabend etwas gewagt, was ihm kaum mehr jemand zugetraut hatte. Er traf eine klare Entscheidung - energisch, unbestechlich und rücksichtslos gegenüber jedermann. Er entschied gegen sich selbst. Der Sozialist tat, was Umfragen zufolge ungefähr neun von zehn Franzosen wünschen: Er verzichtete auf eine Kandidatur zur Wiederwahl und dankte ab. Nach dem 7. Mai 2017 wird ein anderer im Élyséepalast logieren. Definitiv.

Frankreich atmet auf. Plötzlich zollen sogar Gegner aus den eigenen Reihen und aus der rechten Opposition dem zutiefst umstrittenen Staatsoberhaupt Respekt für "seine Größe", "seine Würde", seine "Entscheidung als Staatsmann". Es scheint, als seien alle erleichtert, dass nun endlich Klarheit herrscht.

Sechs Monate vor dem eigentlichen Ende seiner Amtszeit hat Hollande in einer abendlichen TV-Ansprache die Franzosen daran erinnert, was er alles geleistet hat. Das Recht auf Selbstlob muss man ihm zugestehen - schon allein deshalb, weil es sonst kaum noch jemanden in Paris gibt, der seinen Job machen mag. Also durfte der Präsident an die Tage des Terrors erinnern. Nach den fürchterlichen Attentaten in den vergangenen zwei Jahren war er seinen Landsleuten ein Halt.

Aber Hollande erwähnte auch, wie er gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Rechten die Homo-Ehe legalisierte. Und er pries seine marktorientierten Wirtschaftsreformen, die vielen jedoch zu halbherzig ausfielen und die zu langsam wirkten. Auch die Arbeitslosenzahlen sind nicht gesunken: Heute suchen 500 000 Franzosen mehr einen Job als bei Hollandes Amtsantritt im Mai 2012.

Auch anderswo wurden sozialdemokratische Erneuer abgestraft

Hollandes Niedergang ruft die Schicksale zweier anderer sozialdemokratischer "Erneuerer" in Erinnerung. Auch Tony Blair und Gerhard Schröder schufen mit ihren Strukturreformen einst die Grundlage für Sanierung und Wachstum. Die Parteien beider Männer entfernten sich mit diesen Reformen von ihren ideologischen Wurzeln. Die Folge war, dass ihnen die Wähler in Scharen davonliefen - in Großbritannien wie in Deutschland. Beide Parteien scheiterten letztlich daran.

Hollandes Bilanz ist noch bitterer: Auch er musste erdulden, dass weite Teile der französischen Linken ihn als Totengräber der Sozialisten schmähten, wegen seiner "neoliberalen Reformen". Auch er ist gescheitert. Nur kam im Gegenzug nicht einmal etwas zurück: Frankreichs Wirtschaft sprang auch mit Steuernachlässen und Subventionen nicht an, die Arbeitslosen blieben auf der Straße.

Zuletzt stand es schlimm um Hollande, ja aussichtslos: Der 62-Jährige wäre nicht erst im Frühjahr gescheitert, also bei der eigentlichen Präsidentenwahl. Nein, ihm drohte schon im Januar eine Blamage, bei den Vorwahlen der Linken. Offensichtlich genügte schon die Aussicht, diese Demütigung zu vermeiden, als Motiv für den Abgang. Hollande wird auf diese Weise nicht zum Helden. Aber er bewahrt bis zum Ende eine Restwürde. Er wird zum Helden des eigenen Rückzugs.

Manuel Valls, das weiß jeder in Paris, will nun auf Hollande nachfolgen. Der ehrgeizige Premierminister lässt durchblicken, dass er schon bald zurücktreten und einem engen Vertrauten, dem Innenminister Bernard Cazeneuve, Platz machen will.

Valls wird im Wahlkampf nachweisen müssen, dass er einen anderen Kurs steuert als sein bisheriger Dienstherr. Denn als zweiter Hollande hat niemand eine Chance.

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