Wahl in den USA:Der Kampf um die Basis

Weil voraussichtlich nur 40 Prozent der Amerikaner ihre Stimme abgeben werden, versuchen die Parteien vor allem, ihre Anhänger zu motivieren.

Reymer Klüver

Die letzte Wendung der Kampagne ist symptomatisch. Bei seinem Auftritt im Eishockeystadion von Grand Island in Nebraska - also im tiefsten Herzland der Republikaner - nahm Präsident George W. Bush das Todesurteil für Saddam Hussein zum Anlass, noch einmal die Richtigkeit seiner Entscheidung zu preisen, in den Irak einzumarschieren.

Und die Demokraten dafür zu maßregeln, dass sie daran zweifeln. Dafür bekam er sogar Beifall. Das ist nicht selbstverständlich.

Der Irak-Krieg, genauer gesagt, das Unbehagen über die Gewalt und das Sterben dort, war das Thema Nummer eins in diesem Wahlkampf. Es hat den Demokraten über Wochen einen großen Vorsprung in der Wählergunst verschafft.

Ihr Sieg ist allen Umfragen zufolge hochwahrscheinlich. Doch der anfänglich weite Abstand zwischen den Parteien ist in den vergangenen Tagen deutlich geschmolzen.

In jüngsten Umfragen kamen die Demokraten auf 47 Prozent, die Republikaner auf 43. Vor zwei Wochen war der Abstand noch zweistellig.

Derlei Zahlen sind nur Trendmesser, weil die Wahlen jeweils in den 435 Direktwahlkreisen und in den 33 Senatsrennen individuell entschieden werden.

Und dort liegen die Demokraten wohl noch in so vielen Rennen vorn, dass sie zumindest im Repräsentantenhaus den Republikanern die 15 Sitze abnehmen werden, die sie für eine Mehrheit brauchen.

Im Senatswahlkampf haben die Republikaner drei Sitze bereits abgeschrieben: Ohio, Pennsylvania und Rhode Island.

Umkämpft sind Montana, Missouri, Tennessee und Virginia. Drei davon müssten die Demokraten gewinnen für eine Mehrheit im Senat. Das gilt als unwahrscheinlich.

Jeder Wähler zählt

Der jüngste Trend in den Wahlprognosen zurück zu den Republikanern zeigt nach Auffassung des Meinungsforschers Andrew Kohut, dass sie dabei sind, ihr größtes Problem in den Griff zu bekommen: die Mobilisierung ihrer bislang nicht gerade motivierten Anhänger.

Alles bei dieser Wahl dürfte in der Tat an der Mobilisierung der Wähler liegen.

Die Wahlbeteiligung bei Zwischenwahlen ist in den USA gering. Auch diesmal dürfte sie nicht über 40 Prozent liegen. Da zählt jeder zur Stimmabgabe gelockte Wähler umso mehr.

Mehr als 40 Millionen Dollar haben die Bundesorganisationen der Demokraten dieses Jahr in Maßnahmen zur Wählermobilisierung gesteckt, bei den Republikanern sind es 30 Millionen.

Die Mobilisierungsmaschinerie der Republikaner hatte die ihrer demokratischen Konkurrenz 2002 und 2004 ausgestochen.

In mächtigen Computerdateien hatten die Republikaner potentielle Wähler identifiziert und sie mit Hilfe eines Heeres von Freiwilligen systematisch in den letzten drei Tagen vor der Wahl angesprochen.

Und das nicht wahllos überall im Land, sondern gezielt in Wahlkreisen, die auf der Kippe standen.

Die Demokraten haben kundgetan, sich nicht wieder ausmanövrieren lassen zu wollen, und haben selbst Datensammlungen angelegt. Doch ganz überzeugt ist niemand, dass sie gleichgezogen haben.

Derweil schlagen sich die Wahlkampforganisatoren gegenseitig die Mobilisierungsdaten um die Ohren. In Montana, wo der Senatssitz heiß umkämpft ist, vermeldeten die Demokraten stolz, dass sie einen freiwilligen Helfer auf 21 registrierte Wähler aufbieten können.

Was die Republikaner zu Hohn und Spott veranlasste: Allein am Samstag, sagten sie, hätten ihre Freiwilligen jeden zehnten Wähler in dem Bundesstaat direkt angesprochen.

Mindestlohn-Referenden als Lockmittel

Viel versprechen sich die Demokraten diesmal von Referenden über den Mindestlohn, die sie parallel zur Kongresswahl in sechs Bundesstaaten durchgesetzt haben.

In vier von ihnen - Arizona, Missouri, Montana, Ohio - rechnen sich die Demokraten mehr oder minder große Chancen aus, den republikanischen Senator aus dem Amt zu jagen.

Die ballot initiatives genannten Referenden würden zweifellos Leute in die Wahllokale locken, die sonst kaum zur Stimmabgabe zu bewegen wären, merkt Carl Weiser, Politikchef beim Enquirer in Cincinnati, Ohio, an.

Bei der Gelegenheit würden sie dann eben auch ihre Stimme für den demokratischen Kandidaten abgeben, sozusagen als Dankeschön für die Chance, "sich selbst eine Lohnerhöhung zu genehmigen", fügt er sarkastisch hinzu.

Es ist derselbe Trick, mit dem die Republikaner vor zwei Jahren ihre Parteibasis mobilisiert hatten: 2004 trieben Referenden über ein Verbot der Homo-Ehe konservative Wähler in die Wahllokale.

Auch diesmal wird in acht Bundesstaaten darüber abgestimmt. Doch nur zwei Mandate sind wirklich hart umkämpft: die Senatssitze in Virginia und Tennessee. Dort spielt aber das Thema keine Rolle.

Wie schwierig der Wahlkampf für die Republikaner diesmal wirklich ist, dokumentierte am Montag Bushs vorletzter Wahlkampfauftritt.

In Pensacola in Florida wollte er vor Getreuen für Charlie Crist werben, den Gouverneurskandidaten der Republikaner. Doch der hat kurzfristig abgesagt.

Er fürchtet, dass es bei den Wählern im Moment nicht so gut ankommt, sich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu zeigen.

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