Wahl des CDU-Präsidiums:Spiel um Platz sieben

Jens Spahn CDU

Jens Spahn möchte in das CDU-Präsidium, doch sein Gegner Hermann Gröhe genießt breite Unterstützung.

(Foto: dapd)

Für das CDU-Präsidium gibt es erstmals seit Jahren mehr Bewerber als Plätze: Jens Spahn, Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, fordert jetzt ausgerechnet Gesundheitsminister Hermann Gröhe heraus. Gröhe trat einst selbst als Außenseiter gegen das Establishment der Partei an.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die Wahl des CDU-Präsidiums ist so spannend wie ein Spiel des FC Bayern gegen Regionalligisten. Wer gewinnt, ist vorher klar, interessant ist nur die Höhe des Ergebnisses. Auf CDU-Parteitagen gibt es bei Präsidiumswahlen seit Jahren genauso viele Kandidaten wie Plätze. Wer ins mächtigste Gremium der Kanzlerin-Partei einrücken soll, wird vorher ausgemauschelt. Zuletzt wurde sogar die Zahl der Merkel-Stellvertreter von vier auf fünf erhöht, um alle fünf Interessenten unterzubringen. Selbst Kenner der Partei müssen lange nachdenken, bis ihnen einfällt, wann die Delegierten das letzte Mal nicht nur wählen, sondern auch auswählen konnten.

Damit ist es auf dem nächsten Bundesparteitag vorbei. Jens Spahn, der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, will antreten, obwohl für ihn kein Platz vorgesehen ist. "Wenn ich die Unterstützung der Jungen Union bekomme, werde ich fürs Präsidium kandidieren", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Spahns Nominierung durch den JU-Deutschlandtag an diesem Freitag gilt als sicher, damit wird es auf dem Parteitag im Dezember acht Bewerber für die sieben einfachen Präsidiumsplätze geben. Besonders pikant: Der Gegner des Gesundheitsexperten im Rennen um den einzig freien Platz dürfte ausgerechnet Gesundheitsminister Hermann Gröhe werden.

Der siebte Platz wird frei, weil der scheidende JU-Chef Philipp Mißfelder nicht mehr kandidiert. Spahn und Gröhe stammen wie Mißfelder aus Nordrhein-Westfalen und wollen diesen jetzt beerben.

Merkel zog Gröhe Spahn als Gesundheitsminister vor

"Die JU war bisher im Präsidium vertreten - und das sollten wir als Europas stärkste Jugendorganisation auch weiterhin sein", sagt Spahn. Er möchte "ein Anwalt der jungen Generation in der CDU sein", die sei "bisher nicht überrepräsentiert". Außerdem sollten im Präsidium "nicht nur Regierungsmitglieder sitzen, Partei und Regierung sind zwei Paar Schuhe". Spahn ist 34 und einfacher Abgeordneter, Gröhe 53 und Minister.

In der Spitze der NRW-CDU stößt Spahn auf wenig Gegenliebe. Auf Initiative von Schäubles Staatssekretär Steffen Kampeter hat sich in der vergangenen Woche die Mehrheit der nordrhein-westfälischen CDU-Bezirkvorsitzenden auf Gröhe als neuen Präsidiumskandidaten eingeschworen. Infrage gekommen wäre auch Carsten Linnemann, der smarte neue Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, den auch CDU-Landeschef Armin Laschet schätzt. Aber Linnemann will offenbar lieber Spahn unterstützen.

CDU-Präsidium

Es ist das wichtigste Gremium in der CDU: das Präsidium. Ihm gehören außer Parteichefin Angela Merkel und ihren fünf Stellvertretern auch der Bundesschatzmeister, der Generalsekretär und - qua Amt - Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie Unionsfraktionschef Volker Kauder an. Außerdem gibt es sieben einfache Präsidiumsmitglieder, die per Listenwahl bestimmt werden. Dies sind derzeit Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, ihr sächsischer Kollege Stanislaw Tillich, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Ex-Ministerpräsident David McAllister, JU-Chef Philipp Mißfelder, der Chef des Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, und die Berliner Gesundheitsstaatssekretärin Emine Demirbüken-Wegner. Sie ist die erste Migrantin im CDU-Präsidium. Mißfelder tritt nicht mehr an, deshalb wird ein Platz frei. Das neue Präsidium wird Anfang Dezember beim Bundesparteitag in Köln gewählt. Robert Roßmann

Wegen der Vorfestlegung der Bezirkschefs gilt es als sicher, dass die NRW-CDU im Oktober Gröhe für den freien Präsidiumsplatz nominieren wird. Dieser war bis zum Start der großen Koalition CDU-Generalsekretär, viele in der Partei schätzen ihn als Organisator des erfolgreichen Bundestagswahlkampfs. Außerdem ist er als Minister ein naheliegender Kandidat.

Spahn weiß, dass er Außenseiter ist. Er findet aber, dass die "CDU als letzte große Volkspartei auch im Präsidium ein breites Spektrum abbilden muss". Er denke, er könne das "gut ergänzen". Spahn begründet seine Kandidatur auch mit dem Wunsch nach einer Kurskorrektur der CDU. "Wir sollten weniger übers Verteilen und mehr übers Erwirtschaften reden - das kommt in der großen Koalition bisher deutlich zu kurz", sagt Spahn. "Wenn wir nicht aufpassen, verspielen wir unsere wirtschaftliche Stärke." Der Wirtschaftsflügel der CDU ist derzeit tatsächlich ziemlich schwach. Spahn verweist deshalb auch gerne auf seine Mitgliedschaft in Linnemanns Mittelstandsvereinigung. Es könnte sein, dass er kommende Woche auch noch die Rückendeckung der Mittelstandsvereinigung für seine Kandidatur bekommt.

Spahn sitzt seit 2002 im Bundestag, seinen Wahlkreis gewann er vier Mal direkt.

Spahn attackierte die Rentenbeschlüsse der großen Koalition

Bei den Koalitionsverhandlungen leitete Spahn für die Union die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege, bei der Postenvergabe ging er dann aber leer aus. Merkel machte Gröhe zum Gesundheitsminister, obwohl das Gebiet für diesen bis dahin Neuland war. Parlamentarische Staatssekretärinnen wurden zwei Frauen aus der Unionsfraktion.

Spahn fiel bereits bei den letzten beiden Parteitagen auf: 2012 in Hannover gehörte er zu den Kämpfern für eine steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartner. 2014 in Berlin attackierte er die Rentenbeschlüsse der großen Koalition. Neben Linnemann und dem stellvertretenden JU-Chef Benedict Pöttering war er der einzige Delegierte, der Kritik anmeldete. Sollte Spahn ins CDU-Präsidium einziehen, dürften die Diskussionen auch dort wieder lebhafter werden. Schaden würde es der CDU nicht.

Ach ja: 1992 trat übrigens schon einmal ein JU-Mitglied bei der Präsidiumswahl gegen das CDU-Establishment an. Es war der damalige JU-Chef Gröhe. Er verlor.

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