Waffen für den Irak:Gefährlicher Alleingang der Regierung

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Noch fliegt die Bundeswehr nur Hilfsgüter in den Nordirak. Doch die Stimmen mehren sich, die auch militärische Hilfe für die Kurden fordern. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Die Bundesregierung will Waffenlieferungen an die irakischen Kurden erlauben. Darf sie das so einfach? Das Grundgesetz lässt die Möglichkeit dafür offen - doch die Regierung sollte nicht alleine entscheiden, wer deutsche Waffen bekommt.

Von Heribert Prantl, München

Die Bundesregierung ist die Bundesregierung, sie ist kein Wirtschaftsunternehmen und schon gar kein Rüstungskonzern. Sie heißt nicht "Heckler & Koch", nicht "EADS", nicht "Rheinmetall". Die Bundesregierung ist kein Waffenhersteller; sie macht keine Geschäfte mit Kriegsgerät, wie es die genannten Unternehmen tun. Wenn die Bundesregierung als oberstes Organ der deutschen Exekutive entscheidet, dass sie Waffen an die Kurden zur Bekämpfung der terroristischen Isis-Truppen liefern will, dann folgt dieser Export nicht den rechtlichen Regeln, die für einen Waffenexport durch Heckler & Koch oder Rheinmetall gelten. Deren Waffen- und Rüstungsgeschäfte müssen von der Bundesregierung genehmigt werden. So schreiben es das Grundgesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz vor.

Im Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es: "Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Dieses Nähere steht im Kriegswaffenkontrollgesetz und im Außenwirtschaftsgesetz. In den juristischen Kommentierungen zum Grundgesetz heißt es zwar, dass das "Inverkehrbringen" von Waffen - ob durch Hoheitsträger oder Private - der Genehmigung durch die Bundesregierung bedürfe. Wenn man dies aber auf den Fall anwenden wollte, dass die Bundesregierung selbst beschließt, den Kurden Waffen zu liefern, dann wäre die erforderliche Genehmigung mit dem Beschluss automatisch erteilt.

Für den kommerziellen Export gibt es Regeln. Die kann das Kabinett nicht einfach missachten

Richtigerweise wird man sagen müssen, dass die genannten Gesetze nur für den kommerziellen Handel mit Waffen gelten. Es handelt sich um Gesetze, die das Wirtschaften mit Kriegswaffen und Rüstungsgütern streng regeln und beschränken wollen. Beim Außenwirtschaftsgesetz ergibt sich das schon aus dem Namen. Es heißt eben Außenwirtschaftsgesetz, nicht Außenpolitikgesetz. Und das Kriegswaffenkontrollgesetz beschäftigt sich mit einem ganz bestimmten Zweig der Außenwirtschaft, dem Handel mit Kriegsgerät. Wenn die Bundesregierung beschließt, Waffen zu liefern, ob aus Beständen der Bundeswehr oder von ihr neu geordert, dann betreibt sie keinen Handel im ökonomischen Sinne, sondern handelt im Rahmen ihrer exekutiven Befugnisse.

Ganz im freien Raum bewegen diese Befugnisse sich natürlich nicht. Die Norm für jedwedes militärisches Handeln findet sich in Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes: Er schützt das friedliche Zusammenleben der Völker. Dieser Artikel bildet den Verfassungsrahmen auch für die Waffenlieferungen, die die Bundesregierung beschließt: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig." Im Fall der Waffenlieferungen an die Kurden wären diese Lieferungen aber gerade von der Absicht getragen, das friedliche Zusammenleben der Völker wieder zu ermöglichen und die tödliche Bedrohung der Minderheiten im Nordirak durch die IS-Terrormilizen zu beseitigen. Das Grundgesetz steht solchen Waffenlieferungen nicht im Weg. Das bedeutet noch nicht automatisch, dass solche Waffenlieferungen auch sinnvoll sind.

Der Bundestag sollte beteiligt werden

Die Exekutive hat Richtlinien aufgestellt, die zu gelten haben, wenn sie prüft, ob kommerzielle Rüstungsexporte genehmigt werden oder nicht. Niedergelegt in einem Papier mit dem Titel: "Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter". Darin finden sich die Sätze, die in der aktuellen Debatte über deutsche Waffenlieferungen in den Nordirak immer wieder zitiert werden. "Rüstungsexporte in Krisengebiete sind ausgeschlossen, es sei denn, es gibt ein besonders begründetes Sicherheitsinteresse", fasst der SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die einschlägigen Richtlinien zusammen. Direkt rechtlich anwendbar auf das exekutive Handeln der Bundesregierung sind diese Sätze nicht. Aber eine Bundesregierung kann die Grundsätze, die sie bei kommerziellen Waffengeschäften anzuwenden hat, bei nicht-kommerziellen Exporten nicht missachten.

Das heißt: Zu der rechtlichen Debatte und Prüfung, wie sie bei kommerziellen Exporten notwendig ist, muss im Fall der Waffenlieferung an den Nordirak die politische Debatte und Prüfung treten. Das dazu berufene Organ ist der Bundestag samt seiner Ausschüsse. Bei der Genehmigung von kommerziellen Waffengeschäften ist der Bundestag derzeit nicht beteiligt; das macht allein die Bundesregierung. Wenn die Bundesregierung Waffen in Spannungs- und Kriegsgebiete liefern will, sollte der Bundestag aber in ähnlicher Weise beteiligt werden, wie er beim Einsatz von deutschen Soldaten im Ausland beteiligt wird. Er kann mit einer Grundsatzentscheidung den Weg für solche Waffenlieferung frei machen. Doch es ist nicht gut und nicht klug und einer parlamentarischen Demokratie nicht gemäß, wenn sich die Bundesregierung Kriegswaffenexporte selbst genehmigt.

© SZ vom 16.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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