Währungsunion:Wacklige Konstruktion

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Die EU-Kommission hat Vorschläge zur Reform der Euro-Zone vorgelegt - in einem 40-seitigen Papier, das ein Beitrag zur "Weißbuch"-Debatte über die Zukunft der EU sein soll. Es enthält bekannte und neue Ideen, auch umstrittene.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Der Euro, das haben die vergangenen Jahre gezeigt, steht auf keinem soliden Fundament. Die Finanzkrise hat die gemeinsame Währung gerade noch überstanden. Wenn aber ein großes Mitgliedsland wie Italien in Gefahr gerät, könnte das die Euro-Zone zum Einsturz bringen. Die Architektur der Währungsunion müsse daher "gestärkt" werden, meint die EU-Kommission. Was das bedeutet, erklärte die Behörde am Mittwoch in einem 40-seitigen Papier, einem weiteren Beitrag zur "Weißbuch"-Debatte über die Zukunft der EU. Es wiederholt bekannte Vorschläge und fügt neue und auch umstrittene hinzu, etwa die gemeinsame Ausgabe von Schuldtiteln oder, langfristig, die Einsetzung eines EU-Finanzministers, der über ein eigenes Budget verfügt. Ähnliche Reformen hatte kürzlich der neue französische Präsident Emmanuel Macron ins Spiel gebracht. Dazu müssten allerdings vermutlich die EU-Verträge geändert werden, ein Vorhaben, an das sich derzeit niemand herantraut.

"Der Status quo ist keine Option", sagte Finanzkommissar Pierre Moscovici. Es bestehe die Gefahr, dass die Euro-Zone in zwei Teile zerfalle, die sich immer stärker auseinanderentwickelten. Das wiederum könne politische Divergenzen und den Extremismus befördern, was letztlich die Existenz der Währungsunion als solche politisch infrage stellen würde. Nachdem die jüngsten Wahlen positiv für die EU ausgegangen seien, müsse die Gelegenheit für eine Reform der Währungsunion genutzt werden. Oberstes Ziel sei, mehr "Konvergenz" zu schaffen, also die Mitgliedstaaten wirtschaftlich anzugleichen. Dazu müssten sie gemeinsam mehr Verantwortung übernehmen, was eine stärkere demokratische Kontrolle bedinge.

Das Papier sei keine Blaupause, betont die Kommission, und "die eine Antwort" gebe es auch nicht

Die Kommission betont, keine "Blaupause" zu liefern, sondern nur eine Diskussionsgrundlage. "Die eine Antwort" gebe es ohnehin nicht. Im Einzelnen schlägt sie zunächst vor, die Bankenunion zu vollenden und eine Kapitalmarktunion zu erreichen. Dazu zählten etwa die schon länger geplante europäische Einlagensicherung Edis, die bis 2025 eingeführt werden soll, sowie eine gemeinsame fiskalische Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds. Für sinnvoll hält sie zudem die Idee einer auf Euro lautenden "europäischen sicheren Anlage". Diese könnte, vergleichbar den US-Staatsanleihen, so groß sein, "dass sie als Benchmark der europäischen Finanzmärkte herangezogen werden kann". Die Details bleiben vage. Das Thema werfe komplexe Fragen auf, die untersucht werden müssten. Schließlich gebe es ja die Kritik, dass durch eine "Vergemeinschaftung der Schulden" Anreize für solide Politik auf nationaler Ebene geschwächt werden. Prompt erklärte das Bundesfinanzministerium am Mittwoch, an der Ablehnung von Euro-Bonds (die von der Kommission gar nicht erwähnt werden)

und gemeinsamen Schulden habe sich nichts geändert.

Des Weiteren führt das Papier unter dem Titel "makroökonomische Stabilisierungsfunktion" Optionen auf, wie sich wirtschaftliche Schocks, die einige Staaten besonders treffen, besser ausgleichen ließen: Genannt werden eine Regelung, die verhindern soll, dass im Abschwung öffentliche Investitionen eingestellt werden, ein Rückversicherungsfonds für die nationalen Arbeitslosenversicherungen sowie ein "Rainy-Day-Fonds", der in Krisen einspringt.

Zuletzt geht die Kommission auf institutionelle Fragen ein. So könnte die Euro-Gruppe einen hauptamtlichen Vorsitzenden erhalten, dessen Funktion, nach dem Vorbild der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, mit jener des zuständigen Kommissars zusammengelegt würde. Unter dem Dach eines europäischen "Schatzamts" ließe sich langfristig mehreres zusammenfassen: die Überwachung der nationalen Haushalte, die Begebung gemeinsamer Schuldtitel, die Vorbereitung von Beschlüssen des Euro-Raums. Auch der von Berlin gewünschte Europäische Währungsfonds wird erwähnt. Er würde auf dem bestehenden "Stabilitätsmechanismus" aufbauen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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