Vorwahlen in den USA:Ein Friedenspräsident, kein Kriegspräsident!

Viele Amerikaner sind der Meinung, dass die Zeit reif ist für einen Präsidenten des Wandels. Doch dieser Wandel ist kein Wert an sich. Barack Obama könnte die Welt verändern - aber nur, wenn er wirklich konstruktive Politik bietet.

Hans Küng

Für die Weltöffentlichkeit wäre es eine enorme Erleichterung, wenn der kommende Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika eine grundlegende Kurskorrektur in der Außenpolitik vornähme.

Vorwahlen in den USA: Barack Obama hat bei vielen jungen Wählern und vielen Schwarzen Interesse an der Politik geweckt.

Barack Obama hat bei vielen jungen Wählern und vielen Schwarzen Interesse an der Politik geweckt.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Welt braucht keinen weiteren Kriegspräsidenten, der durch fehlgeleitete militärische Reaktionen auf wirkliche Herausforderungen vermutlich mehr Schaden auf unserem Globus angerichtet hat als jeder andere Staatschef seit dem Zusammenbruch des Kommunismus.

Alle echten Freunde Amerikas wären hocherfreut, wenn ein Präsident die politische und moralische Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten wiederherstellen würde, die im ernsthaften Wettbewerb mit der Europäischen Union, Russland und den beiden aufsteigenden Wirtschaftsriesen China und Indien in den vergangenen sieben Jahren ihren Status als einzige Supermacht eingebüßt haben.

Amerikas Freunde wollen keinen weiteren Abstieg des amerikanischen "Imperiums" erleben, so wie die Welt früher schon den Abstieg des römischen, deutschen, französischen, englischen und sowjetischen Imperiums erlebt hat. Und auch viele Amerikaner sind mittlerweile der Meinung, dass die Zeit reif ist für einen Präsidenten des "Wandels (change)". Doch dieser Wandel muss grundlegend sein.

Der Krieg gegen den Terror führte zum Terror des Krieges: Der Krieg in Afghanistan war unnötig und lässt die USA und ihre Alliierten ohne Abzugsstrategie und ohne Hoffnung, die Taliban, die Kriegsherren und die Drogen besiegen zu können. Der Krieg im Irak, auf monströse Lügen gebaut und wider internationales Recht und christliche Ethik geführt, lässt dieses Land in unvorstellbarem politischen, wirtschaftlichen und sozialen Chaos.

Israels Besetzung der Palästinensergebiete seit 1967, von den USA in Verletzung aller UN-Resolutionen unterstützt, und die andauernde Ausbreitung israelischer Siedlungen hat der moralischen und politischen Glaubwürdigkeit des jüdischen Staates nach dem Holocaust enorm geschadet und sowohl die Unsicherheit der Israelis als auch das Elend des palästinensischen Volkes vergrößert.

Die völlig ungerechtfertigte israelische Invasion des Libanon und die vorsätzliche Zerstörung seiner Infrastruktur, ausgeführt mit dem Einverständnis der USA und ohne wirksamen Protest der Europäer, trug zur weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens bei und verärgerte die echten Freunde Israels.

In einem solchen Chaos braucht Amerika dringend eine Führungspersönlichkeit von außergewöhnlicher Qualität. In diesem Punkt bin ich mit Dominique Moïsi vom Institut français des relations internationales (IFRI) und anderen hervorragenden Analytikern der Weltlage einig: Barack Obama könnte als Präsident in Amerika und in der Welt sehr viel verändern.

Aber ich muss Moïsi widersprechen, wenn er meint, "Obama kann international etwas verändern, und zwar nicht wegen seiner politischen Optionen, sondern wegen dem, was er ist." Es genügt wirklich nicht, dass ein neuer Präsident nur "auf den Fernsehschirmen der Welt erscheinen muss, sieghaft und lächelnd", dass er kein Weißer ist und eine einzigartige Lebensgeschichte aufweist, damit "Amerikas Image eine Art kopernikanischer Wende erfährt".

Ein Friedenspräsident, kein Kriegspräsident!

Vielmehr sollte der neue amerikanische Präsident eine neue, konstruktive Politik bieten: gegenüber Israel und der islamischen Welt, gegenüber Russland und in Bezug auf die Raketen in Zentraleuropa und in Hinblick auf die riesigen Schulden gegenüber China und anderen Staaten. Nur so wird er die USA mit der Welt und mit sich selbst versöhnen können.

Wird "der nächste Präsident sehr geringe Bewegungsfreiheit" besitzen, wie Moïsi meint? Keineswegs! Er muss sich nicht notwendigerweise im Israel-Palästina-Konflikt einseitig auf Seiten Israels engagieren. Er muss nicht Russland durch unnötige und nutzlose Raketen in Polen und Tschechien provozieren. Er muss nicht endlos Truppen im Irak und in Afghanistan aufrechterhalten. Er kann einen Kurswechsel einleiten in der Außenpolitik; und auch angesichts der Herausforderungen des Klimawandels, der Krise des internationalen Finanzsystems und der verheerenden Lage des US-Haushalts. Er sollte die gleiche Strategie der "soft power" gegen Iran anwenden, wie sie schließlich sogar Präsident Bush gegenüber Nordkorea verfolgt hat.

Nicht Aussehen oder Geschlecht des kommenden Präsidenten, sondern seine politischen Optionen werden darüber entscheiden, ob die amerikanische Politik beim Rest der Welt wieder ankommt und ob sie einige der Schäden, welche die zweite Bush-Administration angerichtet hat, reparieren kann. Schäden aufgrund eines arroganten und selbstbezogenen Konzepts von Außenpolitik, das zehn Jahre vor dem 11. September 2001 von Paul Wolfowitz und anderen "Neocons" geplant worden war und von der Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice am 12. September 2002 vorgestellt wurde. Ich muss gestehen, dass ich schockiert war, als ich diese Nachricht aus dem Weißen Haus hörte, und zwar gerade an dem Tag, als ich die Ausstellung unserer Stiftung Weltethos "Weltreligionen - Weltfrieden - Weltethos" im nahegelegenen Hauptquartier des Internationalen Währungsfonds zu eröffnen hatte.

Um ein ziemlich hoffnungsloses Jahrzehnt zu überwinden, braucht der neue Präsident der Vereinigten Staaten wirklich die "Kühnheit der Hoffnung" (so der Titel von Obamas Buch): nicht mehr eine als Idealismus verkleidete größenwahnsinnige machiavellistische Machtpolitik, die kontraproduktiv und zerstörerisch ist, sondern wieder eine realistische Außenpolitik in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und globalen ethischen Standards. Dies alles ist letztlich eine Frage des Ethos. Deshalb habe ich als Weltbürger mit Schweizer Wurzeln das Wagnis unternommen, laut und deutlich meine Meinung zu sagen - im Interesse von Weltfrieden und Weltethos.

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