Vorstoß für mehr Transplantationen:Kassen offen für aktive Organspender-Suche

In Deutschland werden zu wenige Organe gespendet. FDP-Gesundheitsminister Bahr schlägt deshalb vor, die Krankenkassen sollten von ihren Mitgliedern ab 2012 aktiv eine Entscheidung erfragen. Die Versicherungen signalisieren Offenheit für diese Lösung. In der Opposition dagegen gibt es nicht nur Freude über den Vorstoß.

Charlotte Frank

Mit großer Offenheit haben Krankenkassen und Expertenverbände am Dienstag auf den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zur Änderung des Transplantationsgesetzes reagiert. Um das Organspende-Aufkommen zu erhöhen, will Bahr durchsetzen, dass Krankenversicherer alle Mitglieder, die älter als 16 Jahre sind, bei der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte über die Organspende informieren. Anschließend sollen sie eine Erklärung über die Spendenbereitschaft verlangen. Die Versicherten könnten dann mit Ja, Nein oder "Ich weiß nicht" antworten. Die Kassen sollen zudem Ansprechpartner zur Organspende anstellen.

Bahr will mehr Organspender per Erklaerungsloesung gewinnen

Künftig sollen die Krankenkassen fragen, ob man zur Organspende bereit sei. Außer "Ja" und "Nein" soll man auch mit "Ich weiß nicht" antworten dürfen.

(Foto: dapd)

"Wenn der Gesetzgeber uns den Auftrag zur Information erteilt, dann machen wir das", sagte Florian Lanz, der Sprecher des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung. "Grundsätzlich sind das Know-how und das Personal vorhanden." Er betonte aber auch: "Die erhöhten Verwaltungskosten trägt am Ende der Versicherte."

Aufgeschlossen zeigten sich auch die privaten Kassen, wiewohl sie die elektronische Gesundheitskarte nicht an ihre Mitglieder verteilen. "Die Private Krankenversicherung betrachtet den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr daher mit großem Interesse", hieß es. Die Umsetzung müsse aber noch fachlich solide geprüft werden.

Tatsächlich kam der Vorschlag des Gesundheitsministers für viele überraschend. Noch im Juli hatte er sich als Gegner der nun angestrebten Erklärungslösung gezeigt. Zu dem damals unter anderem von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier angeregten Weg, den nun auch Bahr verfolgt, sagte er: "Auch 'Ich weiß nicht' sagen zu müssen, ist ein Zwang." Am Dienstag hingegen kündigte Bahrs Ministerium an, man strebe die gesetzliche Regelung bis Frühjahr 2012 an.

Derzeit gilt in Deutschland die erweiterte Zustimmungslösung: Danach muss vorab das Einverständnis zur Organspende nach einem Hirntod gegeben werden, etwa mit einem Spenderausweis. Liegt dieser nicht vor, muss die Familie entscheiden. Doch viele überfordert das. So warten inzwischen schon mehr als 12 500 Deutsche auf ein Spenderorgan. Mit nur 15,9 Spendern pro eine Million Einwohner liegt Deutschland international im letzten Drittel.

Vor diesem Hintergrund lobte der Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Günter Kirste, Bahrs Vorstoß. Er mahnte aber zu Verbindlichkeit: "Jetzt kommt es darauf an, dass das Gesetz klare Regeln vorschreibt. Kann-, Soll-, und Möchte-Formulierungen haben wir im Transplantationsgesetz schon genug", sagte er.

Weniger erfreut über Bahrs Kurswechsel zeigte sich hingegen Carola Reimann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Gemeinsam mit Kollegen hatte sie in den vergangenen Wochen daran gearbeitet, Steinmeiers Ideen vom Sommer in einen interfraktionellen Gesetzentwurf einfließen zu lassen. "So ein wichtiges Thema sollte man nicht schnöde über einen Änderungsantrag durchsetzen", sagte sie. Gruppenanträge aus der Mitte des Parlaments würden das Anliegen viel stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Für Oktober kündigte Reimann trotz der Vorschläge des Gesundheitsministers an, einen Gruppenantrag vorzulegen.

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