Vorratsdatenspeicherung:Innenminister de Maizière weist Maas in die Schranken

Vorratsdatenspeicherung

Ein automatisches Lager für Magnet-Datenbänder

(Foto: dpa)

"Wir müssen uns wohl alle noch daran gewöhnen, dass wir jetzt Koalitionspartner sind": Innenminister Thomas de Maizière erinnert seinen Kollegen vom Justizressort an den Koalitionsvertrag. Heiko Maas hatte zuvor überraschend angekündigt, bei der Vorratsdatenspeicherung abzuwarten.

Schon unter Schwarz-Gelb war das Thema Konfliktpunkt, nun zeichnet sich auch bei der großen Koalition aus Union und SPD ein handfester Streit bei der Vorratsdatenspeicherung ab. Nach der überraschenden Ankündigung von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), das Projekt zunächst auf Eis zu legen, folgte prompt Kritik aus den Reihen von CDU und CSU.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat seinen SPD-Kollegen vom Justizressort sanft aber unmissverständlich in die Schranken gewiesen: "Wir müssen uns wohl alle noch daran gewöhnen, dass wir jetzt Koalitionspartner sind. Das verlangt im Umgang ein anderes Verhalten als früher", sagte der CDU-Politiker am Montag in Köln. Im Übrigen gelte der Koalitionsvertrag für alle und "nicht nur für die, die bestimmte Passagen persönlich ausgehandelt haben". De Maiziere spielte damit darauf an, dass Maas an den Verhandlungen zum Thema innere Sicherheit nicht beteiligt war.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), wurde deutlicher. Er hat Maas aufgefordert, noch vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Es gibt keinen Grund, mit der Gesetzgebungsarbeit weiter zu warten", sagte Krings der Berliner Zeitung. Er erwarte "zügig" einen ersten Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums.

Hinweise des Europäischen Gerichtshofes ließen sich "ohne Probleme" im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen, fügte der Staatssekretär hinzu. "Ohnehin rechnet niemand damit, dass der Europäische Gerichtshof strengere Datenschutzregeln einfordert als das Bundesverfassungsgericht."

Auch CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl sagt gegenüber der Berliner Zeitung: "Wir hatten vereinbart, dass wir die Vorratsdatenspeicherung einführen. Und dabei bleibt's." Wenn eine Partei sich nicht an die Verträge halte, dann müsse man das im Koalitionsausschuss besprechen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer pflichtete ihm im ZDF-Onlineportal heute.de bei: "Auf Gerichtsentscheidungen aus Brüssel zu warten, ist viel zu kurz gesprungen. Wir brauchen jetzt einen nationalen Vorstoß, der Rechtssicherheit bietet."

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kritisierte die Weigerung des SPD-Ministers im Kölner Stadt-Anzeiger: "Es ist gerade nicht vereinbart worden, dass wir so lange abwarten, bis eine Entscheidung vorliegt. Denn an jedem Tag, an dem wir die Vorratsdatenspeicherung nicht haben, können Straftaten nicht aufgeklärt werden."

Maas will auf ein Urteil des EuGH warten

Maas will anders als im Koalitionsvertrag vereinbart die umstrittene Vorratsdatenspeicherung vorerst nicht einführen. In einem Interview des Magazins Spiegel sagte er: "Ich lege keinen Gesetzesentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof (EuGH) endgültig geurteilt hat, ob die Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht."

Der Koalitionsvertrag der Regierung sieht ursprünglich vor, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen: "Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. Dadurch vermeiden wir die Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH."

Maas zufolge habe sich mittlerweile die Ausgangslage für den Koalitionsvertrag verändert. Damit bezieht er sich vor allem auf ein Gutachten, in dem die Richtlinie kritisiert wird, da sie nicht vereinbar mit der Grundrechte-Charta der EU sei. In den meisten Fällen folgt der Gerichtshof dem einflussreichen Gutachten. Maas sagt: "Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass das Urteil eine tiefgreifende Veränderung der Richtlinie fordert." Maas wolle dieses Urteil abwarten.

Der Justizminister äußerte in dem Interview auch grundsätzliche Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung: "Ich bin sehr skeptisch bei der Vorstellung, dass eine Flut von Daten der Bürger ohne Anlass gespeichert wird und so vielen Stellen zugänglich ist." Ob das durch die Verbrechensbekämpfung generell aufgewogen werden könne, bezweifle Maas.

Seit Jahren sorgt die Vorratsdatenspeicherung für Streit

Allein die Linkspartei begrüßte den "Bruch des Koalitionsvertrags". "Der Vorschlag ist vernünftig und geht in die richtige Richtung (...), reicht aber überhaupt nicht aus", sagte Fraktionsvize Jan Korte. Stattdessen solle die Bundesregierung eine Initiative auf EU-Ebene starten, "um die Vorratsdatenspeicherung gänzlich politisch zu beerdigen".

Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es darum, Telefon- und Internetverbindungsdaten ohne konkreten Anlass zu speichern. Mit ihr wird geregelt, dass alle Telefonunternehmen die Daten speichern müssen, wer wann von wo aus mit wem telefoniert hat. Auch SMS- oder E-Mail-Verkehrsdaten werden gespeichert. Der Inhalt der jeweiligen Kommunikation wird jedoch nicht erfasst.

Das Ziel soll sein, es Ermittlern zu erleichtern, schwere Verbrechen aufzuklären. Diese Speicherung, sie gilt seit 2006, sorgt in Deutschland seit Jahren für Streit.

Das Bundesverfassungsgericht hatte ein entsprechendes Gesetz in Deutschland 2008 für verfassungswidrig erklärt, eine Neufassung wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung nicht verabschiedet. In den kommenden Monaten wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg dazu erwartet. Ein Gutachten hatte im Dezember ergeben, dass die bisherige Regelung gegen europäisches Recht verstößt. Eine Änderung ist wahrscheinlich.

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