Vor Sonderkonferenz der Innenminister:Polizeigewerkschaft: Mehr Beamte, keine neuen Gesetze

Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, widerspricht den Forderungen aus der Politik: Zur Terrorabwehr seien nicht schärfere Gesetze nötig, sondern mehr Personal. Im Vergleich zu 2001 gebe es 10.000 Polizisten weniger in Deutschland.

Die Innenminister aus den Bundesländern treffen sich am heutigen Freitag in Berlin mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zu einer Sonderkonferenz. Dabei geht es unter anderem um die umstrittenen Online-Durchsuchungen und um die Frage, ob der Besuch von Terror-Ausbildungscamps in Ländern wie Pakistan und Afghanistan unter Strafe gestellt werden kann.

Im Vorfeld hat der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, der Meinung von Unionspolitikern widersprochen, die nach der Festnahme der Terrorverdächtigen vorrangig neue Gesetze fordern. Zur erfolgreichen Terrorabwehr würden stattdessen in erster Linie viel mehr Polizisten benötigt, sagte Freiberg der Bild-Zeitung.

Bei den etwa 300 Polizisten, die die Terrorverdächtigen monatelang rund um die Uhr überwacht haben, handele es sich um Beamte der Spezialeinheiten des BKA und der Länder, Observationseinheiten, Einsatzkommandos und die GSG 9 der Bundespolizei sowie Ermittler der Staatsschutzdienststellen der beteiligten Bundesländer.

Das sei aber nur zu schaffen gewesen, "indem in den Ländern viel Ermittlungsarbeit liegen geblieben ist", sagte der GdP-Chef. "Ganze Ermittlungszweige waren lahmgelegt. Und das war jetzt nur ein Fall! Aber es gibt 60 bis 80 Gefährder in Deutschland."

Freibergs Schlußfolgerung: Wenn auch in Zukunft Anschläge verhindert werden sollen, seien keine nicht zuerst neue Gesetze nötig, sondern viel mehr Polizisten. Laut Freiberg gibt es seit 2001 10.000 Polizisten weniger.

Am vergangenen Dienstag waren drei Terrorverdächtige festgenommen worden, die nach Angaben der Bundesanwaltschaft massive Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland planten. Gegen sieben mutmaßliche Komplizen laufen Ermittlungen.

Vor der Sonderkonferenz hat Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) eine Einigung der Innenminister bei ihrer Sondersitzung auf Online-Durchsuchungen gefordert. Nach der Festnahme dreier Terrorverdächtiger erwarte die Bevölkerung "eine schnelle Einigung", sagte Schünemann der Tageszeitung Die Welt.

Zypries mahnt Ruhe an

Hingegen hat Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) auch nach der Festnahme von Terrorverdächtigen beim umstrittenen Thema Online-Durchsuchungen zur Ruhe gemahnt. "Die Sache ist technisch und rechtlich sehr komplex", sagte Zypries im ARD-Morgenmagazin. Sie lehne die Pläne von Innenminister Schäuble zwar nicht grundsätzlich ab.

"Es gab nie ein klares Nein - das war schon immer meine Position". Ein Gewinn an Sicherheit müsse allerdings im Verhältnis stehen zu Eingriffen in die Bürgerrechte, zu denen es bei der Ausspähung von privaten Computern kommen würde. Die Maßnahmen seien vergleichbar mit der heimlichen Durchsuchung des Schreibtisches zu Hause.

Die SPD warf der Union vor, den jüngsten Fahndungserfolg gegen mutmaßliche Terroristen zu instrumentalisieren. "Da wird so getan, als hätten wir eine Sicherheitsarchitektur, die so löchrig ist wie ein Schweizer Käse", sagte Innenpolitik-Experte Dieter Wiefelspütz der Berliner Zeitung.

Der SPD-Politiker und Berliner Innensenator Ehrhart Körting warnte vor übertriebenen Erwartungen in die neue Ermittlungsmethode. "Ich halte es für einen Irrglauben, dass man mit Online-Durchsuchungen ein Allheilmittel hätte, um Terroristen auf die Spur zu kommen", sagte Körting der Zeitung.

Er lehnt die Online-Durchsuchung nicht grundsätzlich ab. Der SPD-Politiker wies aber daraufhin, dass sich Verdächtige leicht gegen einen derartigen Eingriff wehren könnten. "Unbekannte Programme oder Mails lädt sich doch nur ein DAU, ein Dümmster Anzunehmende User, herunter", erklärte Körting.

Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm dagegen griff die Gegner von Online-Durchsuchungen scharf an. Ihre Haltung sei ein Zeichen von begrenzter Erkenntnisfähigkeit, "man kann auch sagen: Dummheit", sagte der CDU-Politiker der Berliner Zeitung. In der Bild-Zeitung sprach sich auch Schönbohms sächsischer Amtskollege Albrecht Buttolo für eine schnelle Einführung der Methode ein. "Sie muss in begründeten Ausnahmefällen möglich sein."

Vor der Sondersitzung in Berlin drücke Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) aufs Tempo. "Wer sich in einem Terrorcamp ausbilden lässt, ist kein Abenteuerurlauber, er muss als potenzieller Gefährder betrachtet werden", sagte Bouffier.

Ein Ansatzpunkt sei das Ausländerrecht. Bei Ausländern müsse es möglich gemacht und verstärkt durchgesetzt werden, dass solche Personen nicht mehr einreisen dürften beziehungsweise dass ihnen der Aufenthaltstitel aberkannt werde.

Justizministerin Zypries plant ebenfalls, die Teilnahme an sogenannten Terrorcamps unter Strafe stellen. Ihr Ministerium werde "in kurzer Zeit" Vorschläge vorlegen, sagte Zypries in der ARD. Momentan prüfe man diesen Bereich "sehr intensiv". Normalerweise werde in Deutschland jemand erst bestraft, wenn er eine Straftat oder eine sehr konkrete Vorbereitungshandlung verübt habe, sagte Zypries.

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