Vor der Stichwahl in Frankreich:Le Pen verweigert Sarkozy Wahlempfehlung

Wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl äußert sich die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen erstmals zum anstehenden Votum: Sie werde ihre Stimme weder Sarkozy noch Hollande geben, kündigt sie an. Stattdessen wolle sie einfach ein weißes Blatt Papier abgeben - und legt das auch ihren Anhängern nahe. Für Sarkozy könnte das Folgen haben. Die Stimmen sind ungültig.

Bei der Stichwahl um das französische Präsidentenamt könnten am Sonntag Hunderttausende Franzosen weder Amtsinhaber Nicolas Sarkozy noch den Sozialisten François Hollande wählen - sondern einfach ein weißes Blatt abgeben. Das "weiße Votum", das die Rechtsextreme Marine Le Pen ihren Anhängern am Dienstag indirekt empfahl, hat in Frankreich Tradition - wird aber als ungültig gewertet.

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Marine Le Pen hat ihren Anhängern am 1. Mai verraten, was sie selbst wählen wird: weiß. Ihre Entscheidung dürfte viele Nachahmer finden.

(Foto: AFP)

Vor mehreren tausend Anhängern sagte die Parteichefin der rechtsextremen Front National (FN) in Paris, dass ihre Wähler bei der Abstimmung am Sonntag "frei" und nur ihrem "Gewissen" verpflichtet seien. Sie selbst werde aber einen "weißen" Stimmzettel als Zeichen des Protests gegen beide Kandidaten abgeben. Le Pen, die im ersten Wahlgang überraschend auf fast 18 Prozent kam, sagte, sie traue keinem der beiden Kandidaten. "François Hollande ist die falsche Hoffnung und Nicolas Sarkozy steht für eine erneute Enttäuschung", rief sie ihren Anhängern zu.

In der ersten Runde am 22. April gaben fast 700.000 Menschen, rund 1,9 Prozent der Wähler, einen ungültigen Stimmzettel oder ein leeres Blatt ab. Mehr als 30 Gesetzentwürfe wurden in der Vergangenheit eingebracht, um diese Art der Protestabstimmung wie in der Schweiz auch in Frankreich offiziell zuzulassen. Denn die Wähler, die so abstimmen, wollen nach Angaben von Interessenverbänden durchaus ihrer Bürgerpflicht nachkommen, sind aber nicht mit den zur Wahl stehenden Kandidaten einverstanden.

Keine Meinung ist auch eine Meinung

"Das weiße Votum ist eine Meinungsäußerung. Warum wird die Stimme der Bürger, die sich dafür entschieden haben, ungültig gemacht?", fragt Olivier Durand von der Vereinigung für die Anerkennung der weißen Stimmzettel. In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl 2007 waren es immerhin 4,2 Prozent der Wahlberechtigten, die ein solches Votum abgaben. 2002, als der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen in der Stichwahl dem konservativen Amtsinhaber Jacques Chirac gegenüberstand, stimmten 5,4 Prozent "weiß".

Für die zweite Wahlrunde am Sonntag bietet die Website www.vote-blanc.org sogar Vordrucke für einen dieser Protest-Stimmzettel zum Herunterladen an. "Das ist ein weißer Stimmzettel" steht darauf. "Ich interessiere mich für den Wahlvorgang und will kundtun, dass die Kandidaten, die antreten, nicht dem entsprechen, was ich von einem Präsidenten erwarte."

In der Technik wird an das Protestvotum der französischen Wähler gedacht: Auf den elektronischen Stimmzetteln gibt es extra ein Kästchen, das dafür angekreuzt werden kann. Eine eigene Botschaft können diejenigen, die so abstimmen, allerdings nicht hinterlassen.

Attacken gegen alle Seiten

Bei der Kundgebung attackierte die rechtsextreme Politikerin Sarkozy ebenso hart wie Hollande. "Diese beiden sind die Repräsentanten der politischen Eliten, die ihre eigenen Interessen vertreten", warnte sie ihre Anhänger. Le Pen kündigte an, ihr Ziel sei eine Machtübernahme in Frankreich. Der Erfolg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl sei erst der Anfang gewesen: "Wir haben die Seele und den Verstand der Franzosen erreicht", sagte sie.

Die rechtsextreme Front National versammelt sich am 1. Mai traditionell zu einem Aufmarsch im Gedenken an die französische Nationalheldin Jeanne d'Arc. Die Gewerkschaften demonstrieren am Tag der Arbeit wie immer in zahlreichen Städten Frankreichs.

Rechte Parolen vom Noch-Präsidenten

Erstmals rief auch Sarkozy in diesem Jahr zu einer eigenen Großkundgebung am Eiffelturm in Paris auf, wo er am Nachmittag ein "echtes Fest der Arbeit" abhalten wollte. Zuvor hatte er im TV-Nachrichtensenders BFM über zu viele Ausländer in Frankreich geklagt. "Unser Integrationsmodell funktioniert nicht. Warum? Weil noch vor der Integration der bereits auf unserem Territorium empfangenen (Ausländer) andere eintreffen."

Die Gewerkschaften und die Linke kritisierten Sarkozys Großkundgebung am ersten Mai als Provokation und als Versuch, die Arbeitnehmerschaft zu spalten.

Der sozialistische Kandidat Hollande verzichtete auf eine Gegenkundgebung zu Sarkozys Veranstaltung. Er hatte deutlich gemacht, dass er den 1. Mai nicht zu einem "Fest der einen gegen die anderen" machen wolle. Hollande hielt sich am Dienstag statt dessen im zentralfranzösischen Nevers auf, um des 1993 gestorbenen, früheren sozialistischen Premierministers Pierre Bérégovoy zu gedenken. Andere Vertreter der Sozialisten, darunter Parteichefin Martine Aubry, wollten sich am Nachmittag in Paris dem Demonstrationszug der Gewerkschaften anschließen.

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