Vor der Präsidentenwahl in Iran:Der ewige Provokateur tritt ab

Mahmud Ahmadinedschad Iran

Der Polterer am Mikrofon: Ahmadinedschad verteidigt lautstark Irans Recht auf nukleare Forschung

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Sein außenpolitisches Kerngeschäft war die Provokation, in der Innenpolitik war er unnachgiebig und hart: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat sein Land ruiniert, alle seine Visionen sind geplatzt. Nun steht das Land vor der Wahl, doch egal wer Ahmadinedschad nun nachfolgt, es wird lange dauern, bis sich das Land von seinem Erbe befreit haben wird.

Von Tomas Avenarius, Kairo

Manche Staatsmänner schaffen es, der Welt mit ein, zwei souveränen Auftritten in Erinnerung zu bleiben, oder aber sie verewigen sich mit legendär peinlichen Fehltritten.

Willy Brandt sank in Warschau auf die Knie, John F. Kennedy war "ein Berliner", Jassir Arafat trat mit Olivenzweig und Pistole vor die Vereinten Nationen, Boris Jelzin dirigierte stocktrunken eine Militärkapelle. Wie Jelzins Show gehört der Auftritt des iranischen Noch-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad 2008 im UN-Plenarsaal eher in die Kategorie der internationalen Faux-Pas: Der Perser fabulierte zum Erschrecken des Publikums über die bevorstehende Wiederkehr des Mahdi, einer schiitisch-islamischen Erlöserfigur. Kaum wieder in Teheran, ließ er verbreiten, die anderen Staatsmänner hätten ihn "fasziniert" angesehen, denn über seinem Kopf habe sich ein Licht erhoben, ein Heiligenschein: "Ich übertreibe nicht. Sie blinzelten nicht mal", so der Präsident über die angesichts des Wunders angeblich erstarrten Mit-Staatschefs und Botschafter.

Nachweinen wird ihm kaum einer

Man kann über den iranischen Staatspräsidenten denken, was man will, aber er hat so seine eigene Art. Die hat er acht Jahre lang zur Schau gestellt, zum Entsetzen der Außenwelt und sehr vieler Iraner dazu. Jetzt, nach zwei Amtszeiten, tritt Ahmadinedschad verfassungsgemäß ab. Er kann vorerst nicht wieder gewählt werden, am 14. Juni wird ein neuer Präsident bestimmt. Nachweinen wird dem Politiker - abgesehen von seinen noch immer zahlreichen Anhängern in der Islamischen Republik - kaum einer. Ein paar Freunde in Syrien, Libanon, Kuba oder Venezuela, die auch. Aber in Washington, Tel Aviv, Berlin, London, Brüssel und Paris werden sie aufatmen auf den Gängen und in den Büros der Regierenden. Ebenso in den Palästen der Machthaber in Riad, Katar oder Kairo.

Vor allem in Teheran selbst werden sich viele die Hände reiben, dass sie diesen Präsidenten und seine Entourage nun von der politischen Bühne vertrieben haben und seine Rückkehr an die Macht nach der vorgeschriebenen Karenzzeit von vier Jahren fast ausgeschlossen zu sein scheint: Ahmadinedschads politische Karriere ist fürs Erste beendet. Schuld daran trägt er selbst. Er hatte das theokratische Kleriker-System offen herausgefordert, den in Iran über allen und allem stehenden Geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei bedroht. Diesen Machtkampf hat Ahmadinedschad verloren.

Was folgt auf den Provokateur?

Egal wer die Wahl gewinnt, Teheran wird im Streit mit dem Westen und der arabischen Welt kaum einlenken. Es geht um das Atomprogramm, um die Syrien-Politik, die Allianz mit der libanesischen Hisbollah, die Feindschaft zu Israel. Aber der mildlächelnd rüde, meist unverständlich anmaßende Ton im Umgang mit fast dem gesamten Rest der Welt, den Ahmadinedschad zu seinem Markenzeichen gemacht hat, der zumindest könnte sich ändern.

Denn mit Ahmadinedschad tritt ein Staatsmann ab, dessen außenpolitisches Kerngeschäft die Provokation war, dessen innenpolitische Agenda Iran in die Isolation und wirtschaftlich an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat. Mit seiner Holocaust-Leugnung und seinen Anti-Israel-Äußerungen hatte er sich von Anfang an bewusst zur Zumutung für internationale Gesprächspartner stilisiert. Mit seiner zur Schau gestellten Unnachgiebigkeit im Atomstreit oder in der Syrienpolitik ebenso.

Er hat sich mit fast allen angelegt

Unbeirrbar hart in der Sache blieb er auch in der Innenpolitik, wo er dem theokratischen System der regierenden Kleriker in seiner zweiten Amtszeit zu gefährlich geworden war: Ahmadinedschad wollte einen nationalistisch ausgerichteten Iran, mit islamistisch-schiitischen Elementen, aber ohne die Allmacht der Religionsgelehrten gegenüber der Politik. Er hatte sich dazu im undurchdringlichen Dschungel inneriranischer Machtpolitik mit fast allen angelegt. Was die demokratischen Ambitionen vieler Iraner angeht, machte er keinen Hehl aus seinem Standpunkt: "Wir haben die Revolution 1979 nicht gemacht, um Demokratie zu bekommen."

Der heute 56-Jährige war 2005 als ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt Teheran zum Präsidenten gewählt worden. Mit seinem betont bescheidenen Auftreten hatte der studierte Ingenieur und Revolutionsveteran die Herzen der Armen gewonnen: Er sprach ihre Sprache. Er lief auch nach der Wahl nur im "Ahmadi-Jackett" herum, einer billigen, beigen Windjacke. Als Sohn eines Schmieds wohnte er anfangs weiter mit seiner Familie in einer Drei-Zimmer-Wohnung, ließ die teuren Perserteppiche aus dem Präsidentenbüro ins Museum schaffen, geißelte die Korruption und versprach den Armen: "Das Ölgeld denen, die auf der Matte essen" - die kleinen Leute essen in Teheran wie früher auf einem Tuch auf dem Fußboden. In seine Amtszeit fällt auch die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms.

Sie stützen ihn, er küsste Hände

Mit seiner ruinösen Subventionspolitik hat Ahmadinedschad sein Wahlversprechen gehalten, aber die Staatsfinanzen belastet in Zeiten, in denen der Sanktionsdruck wegen des Atomprogramms täglich stieg: Offiziell liegt die Arbeitslosenquote nun bei elf, inoffiziell bei 40 Prozent. Die Inflation wird unter der Hand auf gut 100 Prozent geschätzt, der Ölverkauf auf dem internationalen Markt wird für die Rohstoffnation immer schwieriger. Gewonnen mit seinen Subventionen aber hat er die verlässliche Unterstützung der Armen in Teheran und der Provinz, das Klientel des Populisten. Auch deshalb müssen seine Gegner froh sein, dass er nicht mehr antreten darf und auch sein Versuch gescheitert ist, mit seinem Berater und Schwager Esfandiar Rahim Maschaei einen zeitweiligen Stellvertreter als Marionette ins Präsidentenamt wählen zu lassen.

Ewige Provokationen

Die eigentlichen politischen Ziele des "Robin Hood" von Teheran wurden wohl auch dem mächtigen Ayatollah Khamenei erst spät klar. Khamenei hatte 2005 Ahmadinedschad im Wahlkampf gegen den einflussreichen Ex-Staatschef Ali Akbar Rafsandschani gestützt, einen der trickreichsten Politiker des Iran. Ahmadinedschad gewann und bedankte sich, indem er dem obersten Geistlichen immer wieder öffentlich die Hand küsste. Die Konflikte kamen danach: Die ewigen Provokationen, vor allem im Atomstreit, oder die kaum kaschierte Drohung mit der Vernichtung Israels machten es Teheran immer schwerer, seine Interessen international zu vertreten.

Iranian President Ahmadinejad speaks during the opening ceremony of the 2nd National Festival of Innovation and Prosperity in Tehran

Erst Freunde, dann Gegner: Ahmadinedschad vor einem Bild des geistigen Führers, dem Ayatolla

(Foto: REUTERS)

Vor allem aber wollte der Präsident seine Fraktion der revolutionsgestählten, nicht klerikalen Politiker nach oben bringen, den Einfluss der Geistlichkeit beschneiden: In Iran gilt das System des Velayat-e Faqih, mit dem geistlichen Führer als oberster Instanz: Der Präsident ist nicht viel mehr als die politische Ordonnanz des obersten Ayatollahs. Ahmadinedschad aber, ein schiitischer Islamist, griff ungeniert auf die vorislamische Geschichte zurück, auf die persische Antike, um den Anspruch Irans auf Vorherrschaft im Mittleren und Nahen Osten zu begründen.

Das Tischtuch ist zerschnitten

Seine Wiederwahl 2009 verdankte er noch einmal dem Geistlichen Führer, sie gilt als gefälscht. Der Aufstand der Anhänger der siegessicheren Reformer um Expräsident Mohamed Khatami, Mir-Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi wurde vom Regime niedergeschlagen. Ahmadinedschad kommentierte die Bilder prügelnder Polizisten mit den Worten: "Ich könnte nicht einmal eine Ameise zertreten."

Nach einer Reihe innenpolitischer Skandale, bei denen Ahmadinedschad seine Macht auszudehnen versuchte, war das Tischtuch zerschnitten zwischen ihm und Khamenei: Er auf die Abschussliste, sein Modell von Iran als einer nationalistisch verstandenen Islamischen Republik geriet ins Hintertreffen. Vorerst.

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