Vor den "Mid-Terms":Das müssen Sie über die US-Kongresswahlen wissen

Gewinnen die Republikaner die Mehrheit im Senat zurück? Warum hält sich Obama aus dem Wahlkampf raus? Was bedeutet das für die globale Klimapolitik? Alles Wichtige über die Mid-Terms am 4. November.

Von Matthias Kolb

Darum geht es bei den "mid-terms"

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(Foto: AFP)

Am 4. November bestimmen die Amerikaner die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Außerdem werden 36 der 100 US-Senatoren gewählt. Deren Amtszeit dauert sechs Jahre, weshalb alle zwei Jahre etwa ein Drittel des Senats neu bestimmt wird. Während jeder der 50 Bundesstaaten zwei Senatoren nach Washington schickt, ist beim Repräsentantenhaus die Bevölkerungszahl entscheidend. Wyoming, Alaska, North Dakota, Delaware, Vermont sowie South Dakota entsenden nur einen congressman, Kalifornien mit seinen 38 Millionen Einwohnern 53. Weil die Wahlen zwei Jahren nach der letzten Präsidentschaftswahl stattfinden, spricht man von mid-term elections. Der Nachfolger von Barack Obama wird erst im November 2016 gewählt.

Alle Augen auf den Senat

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(Foto: AFP)

Niemand zweifelt, dass die Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus behalten werden. Spannender ist das Rennen im Senat, wo die Demokraten zurzeit 55 Senatoren stellen. Am 4. November muss Obamas Partei 21 der 36 Sitze verteidigen - und das wird schwer. In konservativ geprägten Staaten Montana, West Virginia oder South Dakota haben populäre Demokraten ihren Rücktritt angekündigt und ihre Nachfolger werden Republikaner sein. Wer künftig den Senat kontrolliert, entscheidet sich wohl in fünf oder sechs Staaten: North Carolina, Louisiana, Alaska (in Sarah Palins Heimat siegte 2008 der Demokrat Mark Begich), Iowa und Colorado. Lichtblick für die Demokraten: In Kansas könnte der unabhängige Kandidat Gregg Orman den 78-jährigen Republikaner Pat Roberts ablösen. Linktipp: Den aktuellen Stand der Umfragen können Sie zum Beispiel bei Real Clear Politics verfolgen.

Ist Obama eine Hilfe für die Demokraten?

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(Foto: AP)

Bei den Mid-Terms gibt es eine Grundregel: Die Partei, die nicht das Weiße Haus kontrolliert, legt zu. Auch im Herbst 2014 ist der Präsident eher eine Belastung für seine Partei. Laut Real Clear Politics sind nur 42 Prozent mit Obamas Leistung zufrieden, während 52 Prozent seine Arbeit "schlecht" finden. In manchen umkämpften Staaten liegt die Zustimmung für Obama sogar unter 40 Prozent. Deswegen bleibt der einstige Hoffnungsträger lieber im Weißen Haus oder besucht private Spendengalas. Beliebter ist die First Lady: Michelle Obama hat versprochen, dass sie gemeinsam mit einigen weiblichen Kandidaten der Demokraten auftreten und für sie Spendengelder sammeln wird.

Was den Republikanern außerdem hilft

Obama wurde 2012 wiedergewählt, weil er die Stimmen der jungen Amerikaner, der Schwarzen, Latinos und von vielen Frauen bekam. Doch die Mitglieder dieser "bunten Koalition" bleiben bei den Mid-Terms oft zu Hause. Zur Wahl gehen vor allem ältere Weiße - und die unterstützen meist die Republikaner. Die Grafik des Cook Political Report illustriert dies treffend: Beim Erdrutschsieg der Republikaner 2010 waren zwei Drittel der Wähler älter als 45 Jahre alt. Und dann ist da das Phänomen des "Sechs-Jahre-Fluchs": Statistisch gesehen verliert die Partei des Präsidenten im sechsten Jahr von dessen Amtszeit immer deutlich. Der Grund: Die Amerikaner sind des Manns im Weißen Haus überdrüssig und wünschen sich neue Gesichter - so war es 2006, als die Wähler George W. Bush abstraften.

Darum ist die Mehrheit im Senat so wichtig

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Sollten die Republikaner von Januar 2015 an den Senat kontrollieren, wäre die konservative Partei in beiden Kammern des Kongresses in der Mehrheit. John Boehner, der speaker des Repräsentantenhauses, und Mitch McConnell (im Foto mit seiner Frau Elaine Chao zu sehen), der neue majority leader im Senat, könnten dann Gesetze beschließen, die Obama mit einem Veto nach dem anderen stoppen müsste. Die Polarisierung beider Parteien würde wachsen und der Stillstand in Washington bliebe bestehen. Die New York Times hat jüngst bilanziert, wieso die Kontrolle des Senats so wichtig ist: Die 100 Senatoren müssen jeder Personalentscheidung - vom Nachfolger für Justizminister Eric Holder über Bundesrichter oder neue Mitglieder des Obersten Gerichtshofs - zustimmen. Und in ihrer sechsjährigen Mandatszeit haben die Senatoren viele Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Auch deshalb kämpfen beide Parteien so erbittert.

Kann Obama bis Ende seiner Amtszeit noch etwas bewegen?

Auf dem Feld der Außenpolitik, wo Obama zuletzt die Rolle des Weltpolizisten übernahm, kann der US-Präsident weiter Initiativen ergreifen. Auch seine Vorgänger Bill Clinton und George W. Bush konzentrierten sich in ihren letzten Amtsjahren auf globale Fragen. Sobald der Präsidentschaftswahlkampf 2016 angelaufen ist (also spätestens Anfang 2015), gilt der aktuelle Amtsinhaber als lame duck. Mithilfe von Exekutivordern kann Obama ohne Zustimmung des Kongresses etwa die Klimapolitik verändern - zuletzt wurden Kohlekraftwerke angewiesen, ihren CO2-Ausstoss zu reduzieren. Dieser Weg bleibt Obama offen. Allerdings könnten die Republikaner (sollten sie beide Kammern des Kongresses kontrollieren) hier Kompromisse einfordern, wenn über den Haushalt verhandelt wird - und damit auch über die Frage, wie ein weiterer government shutdown verhindert werden kann.

Beeinflussen die Wahlen den Obersten Gerichtshof?

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Egal ob Homo-Ehe, Wahlkampf-Finanzierung oder Obamacare: Die neun Richter des Supreme Court haben enorm viel Macht und beeinflussen die US-Politik stärker als viele Abgeordnete. Zurzeit stehen fünf der auf Lebenszeit gewählten Juristen den Republikanern nahe, während vier die progressive Agenda unterstützen. Mehrere Richter sind nun in einem Alter, in dem ihre Kräfte nachlassen oder sie an Rücktritt denken könnten: Die liberale Ikone Ruth Bader Ginsburg ist 81, der Konservative Antonin Scalia ist 78, genau wie Anthony Kennedy. Auch wenn Ginsburg alle Rufe, sie solle abtreten, damit Obama einen liberalen Nachfolger nominieren kann, bisher ignoriert: Sollten die Demokraten die Mehrheit im Senat behalten, könnte Obama womöglich - im Falle eines Rücktritts oder plötzlichen Todes - einen progressiven, jüngeren Richter durchsetzen. Manche Demokraten sind bis heute überzeugt, das Schlimmste am Wahlsieg von George W. Bush war, dass er zwei konservative Richter an den Supreme Court schicken konnte.

Die Rolle des Geldes

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2012 gaben sowohl US-Präsident Obama als auch sein Herausforderer Mitt Romney (im Foto auf einer Wahlkampfveranstaltung in Utah) jeweils mehr als eine Milliarde Dollar für ihre Wahlkampagne aus. Ganz so viel Geld fließt bei den mid-terms nicht, aber die Washington Post schätzt, dass die ominösen Wahlvereine (Super Pacs) mindestens 200 Millionen Dollar investieren werden, um ihre Kandidaten zu unterstützen. Insgesamt werden Demokraten und Republikaner 2014 mehr als eine Milliarde Dollar ausgeben - und die Wähler in umkämpften Staaten mit TV- und Radioclips sowie Telefonanrufen bombardieren.

Was sagen die Prognosen für 2016?

Der zweijährige Rhythmus ist für die Kurzatmigkeit der US-Politik mitverantwortlich: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Für die Demokraten ist das aber eine eher beruhigende Nachricht. Sollten sie am 4. November die Mehrheit im Senat verlieren, dann haben sie beste Chancen, diese 2016 zurückzuerobern. Denn wenn parallel ein neuer Präsident bestimmt wird, gehen jene Gruppen verstärkt zu den Urnen, die liberal denken: Studenten, Frauen, Schwarze und Latinos. Und in zwei Jahren sind es die Republikaner, die dann 24 der 34 Senat-Sitze verteidigen müssen. Denn bei den Mid-Terms 2010 waren die Konservativen sehr erfolgreich, weil viele Wähler Obama seinen ersten Denkzettel verpasst hatten.

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