Vor dem Weltklimagipfel:Im Unreinen mit seiner Umwelt

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus wettert gegen Klimaschützer wie Al Gore - und steht damit in Europa zunehmend allein.

Klaus Brill

Der Feind steht links, und Vaclav Klaus hat ihm ein Etikett angeheftet, das international verkehrsfähig ist: die Environmentalisten. Environmentalisten - das Wort ist vom englischen environment (Umwelt) abgeleitet - sind für den tschechischen Präsidenten nicht brave Umweltschützer, die den Bach im Wald vor der Altöl-Verseuchung bewahren, sondern Ideologen, die im Namen des Umweltschutzes vor einer "planetaren Katastrophe" warnen.

Vor dem Weltklimagipfel: Vaclav Klaus: Tschechiens Präsident Vaclav Klaus wettert gegen Klimaschützer wie AL Gore

Vaclav Klaus: Tschechiens Präsident Vaclav Klaus wettert gegen Klimaschützer wie AL Gore

(Foto: Foto: Reuters)

Al Gore, der frühere amerikanische Vizepräsident und heutige Vorkämpfer gegen den Klimawandel, ist für Klaus ein Environmentalist par excellence. Auch die deutschen und die tschechischen Grünen zählt der tschechische Staatschef zu dieser Kategorie, außerdem viele Wissenschaftler, Journalisten und Politiker, die sich in seinen Augen der Oberflächlichkeit und der politischen Korrektheit beugen.

Environmentalisten wollen, so sieht es Klaus, im Namen eines hohen Zieles "die freie und spontane Entwicklung der Menschheit" durch zentralistische Planung ersetzen. Genauso wie früher die Kommunisten. Und genauso wie früher sagt Vaclav Klaus dazu nein.

Das Buch des Burgherrn

Der Präsident, der seit der samtenen Revolution von 1989 in Prag eine Schlüsselstellung einnimmt, jahrelang auch Finanzminister und Ministerpräsident war, versteht sich als "klassischen Liberalen" und als Verfechter einer reinen Marktwirtschaft, "ohne Attribute".

Mit Kritik an einer stärkeren Integration der EU hat er sich bereits einen Namen gemacht, jetzt tritt er auch immer lauter gegen jene Politiker auf, die wegen der Erderwärmung weltweit radikale Maßnahmen gegen den Klimawandel verlangen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dürfen sich also als seine Gegner betrachten. Und wenn am Montag auf der Insel Bali die Klimakonferenz der Vereinten Nationen zusammentritt und eine Woche später in Oslo der UN-Weltklimarat sowie der US-Politiker Al Gore für ihren Einsatz gegen den Klimawandel den diesjährigen Friedensnobelpreis in Empfang nehmen, dann wird auf der Prager Burg sicher niemand Beifall spenden.

Vaclav Klaus geht vielmehr in die Offensive: Am 10. Dezember stellt er in Berlin unter dem Titel "Blauer Planet in grünen Fesseln" die deutsche Ausgabe eines neuen Buches vor, das bald auch in weiteren Sprachen erscheint. "Was ist bedroht: Klima oder Freiheit?", lautet der Untertitel, und Vaclav Klaus ist es damit bitterernst.

Im Unreinen mit seiner Umwelt

Der 66-Jährige argumentiert bewusst aus dem Erlebnishorizont des früheren Regimekritikers heraus, der nach der Unterdrückung des Prager Frühlings 1968 seine Stelle am Wirtschaftsinstitut der Akademie der Wissenschaften verlor und danach bei der tschechoslowakischen Staatsbank unterkam.

Damals hat er 15 Jahre lang auch mit statistischen und ökonometrischen Modellen gearbeitet. Deshalb meint er heute zu wissen, wie sehr die Wahl eines solchen Modells über die Ergebnisse von Trendanalysen entscheidet - auch bei Klimaprognosen. Klaus sieht sich nach wie vor auch als "akademisch denkender Mensch", sein Buch ist folglich über weite Strecken ein akademischer Disput um Formeln, Theorien und Statistiken, der sich auf zahlreiche Fachveröffentlichungen bezieht.

Im Unreinen mit seiner Umwelt

Der 66-Jährige argumentiert bewusst aus dem Erlebnishorizont des früheren Regimekritikers heraus, der nach der Unterdrückung des Prager Frühlings 1968 seine Stelle am Wirtschaftsinstitut der Akademie der Wissenschaften verlor und danach bei der tschechoslowakischen Staatsbank unterkam. Damals hat er 15 Jahre lang auch mit statistischen und ökonometrischen Modellen gearbeitet.

Deshalb meint er heute zu wissen, wie sehr die Wahl eines solchen Modells über die Ergebnisse von Trendanalysen entscheidet - auch bei Klimaprognosen. Klaus sieht sich nach wie vor auch als "akademisch denkender Mensch", sein Buch ist folglich über weite Strecken ein akademischer Disput um Formeln, Theorien und Statistiken, der sich auf zahlreiche Fachveröffentlichungen bezieht.

"Der Kommunismus wurde durch den Environmentalismus ersetzt"

Forscher wie den dänischen Politologen Björn Lomborg ("Apokalypse No!"), den US-Ökonomen Julian Lincoln Simon, den US-Physiker Fred Singer oder den tschechischen Physiker Lubos Motl ruft er als Zeugen auf, und selber argumentiert er aus der Position des Ökonomen und erfahrenen politischen Kombattanten.

"Als jemand, der den Großteil seines Lebens unter dem Kommunismus verbracht hat, fühle ich mich verpflichtet zu sagen, dass die größte Gefahr für die Freiheit, die Demokratie, die Marktwirtschaft und die Prosperität am Beginn des 21.Jahrhunderts nicht der Kommunismus oder eine seiner abgeschwächteren Varianten ist. Der Kommunismus wurde durch die Gefahr eines ambitionierten Environmentalismus ersetzt" - so hat Vaclav Klaus es schon im März gegenüber einem Ausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses erklärt, der ihn quasi als Antipoden zu Al Gore um eine Stellungnahme bat.

Auch in seinem Buch verficht er nachhaltig die Ansicht, es gehe beim Streit über die globale Erwärmung "mehr um den Menschen und seine Freiheit als um die Veränderung der Durchschnittstemperatur um ein paar Zehntelgrad Celsius".

Als undramatisch wertet Vaclav Klaus des weiteren den Anstieg des Meeresspiegels. Er zitiert dabei eine Schätzung, wonach dieser bis 2100 etwa 28 bis 34 Zentimeter betragen werde; in einer anderen Analyse ist von 20 Zentimetern die Rede. Und wenn die Erwärmung einerseits für die eine oder andere Südseeinsel die Überflutung mit sich bringe, so könnte doch andererseits etwa in Sibirien ein bisher verfrostetes Gebiet von riesigem Ausmaß der menschlichen Nutzung zugänglich werden.

Es gebe "einen unvermeidlichen Unsicherheitsfaktor", in welchem Ausmaß der Mensch zu den Klimaveränderungen beitrage, und es gebe "keine überzeugenden Beweise dafür, dass gefährliche oder beispiellose Änderungen in Gang gesetzt worden sind", zitiert der Autor des weiteren eine Analyse kritischer Wissenschaftler. Diese stützt sich auf die Anfang 2007 vorgelegten Zahlen des UN-Weltklimarates (IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change).

Im Unreinen mit seiner Umwelt

Die vom Klimarat selber gezogenen Schlussfolgerungen, insbesondere dessen "Zusammenfassung für Politiker", weist Vaclav Klaus hingegen als alarmistisch und teilweise aufgebauscht zurück, in der Vergangenheit seien glatte Fehler nachgewiesen worden. Außerdem werde diese Zusammenfassung nicht von den beteiligten Fachwissenschaftlern gefertigt, sondern von politischen Funktionären ausgehandelt.

Bei dieser Ausgangslage wundert es nicht, dass der kämpferische Tscheche das legendäre Kyoto-Protokoll, mit dem 1997 international die gezielte Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen vereinbart wurde, für einen "evident fatalen Irrtum" hält. Gleichzeitig will er aber auch nicht missverstanden werden als einer, der unempfindsam sei gegenüber der Natur. Aber "wir haben mehr Zeit, als uns die alarmistischen Environmentalisten sagen".

Das Fazit des Präsidenten lautet darum: "Umweltschutz ja - Environmentalismus nein." Es ist sein Pech, dass seit der Erstveröffentlichung seines Buchs im Sommer in Prag die Argumente seiner Gegner an Gewicht noch erheblich gewonnen haben.

Der von ihm auch wegen der persönlichen Energieverschwendung im Privathaus so heftig kritisierte Al Gore erhielt nicht nur für seinen emotional aufgeladenen Film zum Klimawandel in Hollywood den Oscar, sondern auch noch den Friedensnobelpreis. Und der Weltklimarat wartete erst jüngst in Valencia mit einem neuen zusammenfassenden Report auf, der dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon "schlimmer als ein Science-Fiction-Film" vorkam.

Der Mensch als Verursacher des Klimawandels stehe praktisch fest, heißt es darin. Die Folgen der Veränderungen seien unumkehrbar, die Durchschnittstemperatur werde in diesem Jahrhundert zwischen 1,1 und 6,4 Grad Celsius zunehmen und der Meeresspiegel zwischen 18 und 59 Zentimeter steigen.

Querdenker von Format

Der Strom, gegen den Vaclav Klaus da tapfer schwimmt, schwillt also stetig an. Und wenn der Präsident auch im September nach einem Auftritt vor der UN-Klimakonferenz in New York laut eigenem Bekunden beim Abendessen von etlichen anderen Staats- und Regierungschefs Zuspruch für seine Thesen erhielt, so bleibt er doch öffentlich weltweit der einzige Querdenker dieses Formats.

In Tschechien kreidete ihm die sozialdemokratische Opposition sogar an, sein Auftritt in New York habe dem Land die Chancen für eine Aufnahme als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat vermasselt; den Sitz hat Kroatien erobert. Auch tschechische Klimaforscher widersprachen dem Staatsoberhaupt, und die politischen Gegner sowieso.

Seiner Popularität im eigenen Land tut dies jedoch erstaunlicherweise keinen Abbruch. Vaclav Klaus zählt nach wie vor zu den beliebtesten Politikern in Tschechien, für seine Wiederwahl ins höchste Staatsamt sprachen sich erst jüngst bei einer Umfrage 63 Prozent der Bürger aus, darunter zu jeweils 51 Prozent sogar die Wähler der Grünen und der Kommunisten.

Freilich wird der Präsident der Republik Anfang Februar 2008 nicht vom Volk, sondern von den Abgeordneten und Senatoren des Parlaments gewählt. Und in dieser Versammlung braucht der bisher als einziger Kandidat nominierte Klaus nicht nur die Unterstützung der eigenen Bürgerdemokraten (ODS), sondern auch anderer Parteien, beispielsweise der Grünen oder der Kommunisten.

Für die Grünen, die in Prag mit der ODS und den Christdemokraten eine Dreier-Koalition bilden, hat deren Vorsitzender Martin Bursik bereits angekündigt, mit der ODS gerne über die Präsidentenwahl reden zu wollen. Dass man indes die Wiederwahl des Environmentalisten-Gegners Klaus unterstütze, könne nicht erwartet werden.

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