Vor dem Wehrbericht:Guttenberg, der ewige Aufklärer

Übertriebener Drill auf der "Gorch Fock" und geöffnete Briefe in Afghanistan: War das schon alles? Vor der Vorstellung des Wehrberichts setzt der Verteidigungsminister auf eine krisenerprobte Taktik.

Marlene Weiss und Lena Jakat

Der Skandal bei der Bundeswehr hat die Republik erschüttert: Junge Rekruten werden gezwungen, rohe Schweineleber zu essen; dazu gibt es Hefe und Alkohol - bis zum Erbrechen. Sie müssen die Stuben der Kameraden putzen oder ein Strafgeld zahlen, sich bei Kletterübungen vor den anderen nackt ausziehen, dazu kommen körperliche Misshandlungen. Vor weniger als einem Jahr, im Februar 2010, berichtete der damalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe über die demütigenden Aufnahmerituale im Hochgebirgsjägerzug des Mittenwalder Gebirgsjägerbataillons.

Reinhold Robbe

Seinen ersten Jahresbericht wird Hellmut Königshaus (FDP) am Dienstag vorlegen - zuvor war Reinhold Robbe (SPD; im Bild) fünf Jahre lang für die Erstellung des Papiers zuständig.

(Foto: APN)

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, gerade einmal drei Monate im Amt, forderte daraufhin umfassende Aufklärung und verwahrte sich zugleich gegen vorschnelle Schlüsse. "Pauschalurteile verbitte ich mir", sagte er zum Mittenwald-Skandal. Er kündigte jedoch an, die Führung des Hochgebirgsjägerzugs auszutauschen.

Das Krisenmanagement des Verteidigungsministers nach dem Bekanntwerden der Vorgänge auf dem Segelschulschiff Gorch Fock ist mit der Rhetorik von damals nahezu identisch: Er verspricht "rückhaltlose Aufklärung" und wendet sich gegen Vorverurteilungen. Als die Vorwürfe lauter werden, zieht er personelle Konsequenzen. Auch im Zuge der schleppenden Aufklärung der Kunduz-Affäre hatte Guttenberg auf Vorwürfe mit Entlassungen reagiert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert von ihren Ämtern entbunden.

Im Januar 2011 ist der CSU-Politiker wieder in Bedrängnis und geht einen Schritt weiter In der Bild am Sonntag kündigte er an, dass der Generalinspekteur alle Teilstreitkräfte überprüfen werde. Es müsse untersucht werden, "inwieweit es in den letzten Jahren und auch jetzt noch Anhaltspunkte für Rituale gibt, die den Grundsätzen der Bundeswehr widersprechen". Doch die Ankündigung einer Generalinventur der Truppe kommt recht spät, fast genau ein Jahr nach Bekanntwerden der Zustände im Mittenwalder Gebirgsjägerbataillon.

Die fragwürdige Tradition soll in der bayerischen Eliteeinheit Ende der achtziger Jahre etabliert worden sein, wenige Jahre später leistete der Verteidigungsminister selbst seinen Wehrdienst in Mittenwald ab, wie er selbst sagte, jedoch in einer anderen Kompanie: "Ich hatte von solchen Praktiken keine Kenntnis." Der Skandal zog jedoch bald größere Kreise: Nach den ersten Erkenntnissen handele es sich um eine "Angelegenheit von offenbar größere Dimension" sagte der Wehrbeauftragte Robbe am 10. Februar der SZ. In den folgenden Wochen erhielt Robbe insgesamt 77 weitere Zuschriften - 23 davon berichteten von Unmenschlichkeiten in anderen Kasernen. Die Führungskräfte sollen von den Vorgängen gewusst und diese geduldet haben.

Guttenberg in Bedrängnis

Dass bei der Ausbildung von Führungskräften in der Bundeswehr generell einiges im Argen liegt, dürfte Guttenberg nicht neu sein: Schon im Wehrbericht zum Jahr 2009 kritisierte der damalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe sehr deutlich, dass Vorgesetzte aller Dienstgrade bedenkenlos ihre soldatischen Pflichten missachteten und sich herabwürdigender Formulierungen bedienten. "Vielen von ihnen fehlt es schon am Respekt vor den Rechten und der Persönlichkeit Untergebener", hieß es in dem Bericht.

Nun steht dem Verteidigungsminister wieder ein Wehrbericht bevor. An diesem Dienstag wird der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus seinen ersten Jahresbericht dem Bundestag präsentieren. Welche Missstände er darin anprangert, ist bislang noch nicht öffentlich. Mit seinem Aktionismus schafft sich der Verteidigungsminister zumindest Argumente gegen spätere Kritik, er habe nichts unternommen.

Das Verhältnis zwischen Guttenberg und Königshaus ist angespannter, als es zwischen Wehrbeauftragtem und Verteidigungsminister ohnehin üblich ist. Nachdem der FDP-Mann Königshaus in der vergangenen Woche die offenen Fragen bei einem Todesfall in Afghanistan, die Fälle geöffneter Feldpost und die Schilderungen von der Gorch Fock publik gemacht hatte, waren aus Unionskreisen Spekulationen zu vernehmen, Königshaus wolle mit seinen Enthüllungen vor allem den Mann an der Spitze des Ministeriums bloßstellen und dem Popularitätsgaranten der Union Schaden zufügen.

Der so Geschmähte wies diese Anschuldigen entschieden zurück: Solche Interpretationen seien "völliger Unsinn", sagte Königshaus zu sueddeutsche.de. Als Wehrbeauftragter komme er "nur seiner ureigenen Aufgabe nach - ein Sachwalter der Interessen der Soldaten zu sein und mitunter kritische Fragen zu stellen". Wenig später spekuliert Königshaus über die Motive Guttenbergs bei der abrupten Entlassung des Gorch-Fock-Kapitäns. Er könne nur vermuten, dass der Verteidigungsminister neue Informationen bekommen habe, sagte Königshaus.

Während die Opposition Guttenbergs Führungsstil scharf kritisiert, versucht Guttenberg die Aufmerksamkeit auf eine andere Debatte zu lenken - die der Wehrreform. Von der Bundesregierung fordert er, das Sparziel für sein Ressort zu reduzieren. Bereits am 15. Januar hatte er in einem Interview mit der Welt am Sonntag gesagt, dass das bisherige Sparziel von 8,4 Milliarden Euro nicht zu schaffen sei. Jetzt hat er seine Berechnungen offenbar konkretisiert: Nach Informationen der Rheinischen Post fordert er von Finanzminister Wolfgang Schäuble 1,2 Milliarden Euro zusätzlich für den Umbau und die Verkleinerung seiner Armee.

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