Vor dem Sonderparteitag:Wie die SPD-Landesverbände zur großen Koalition stehen

Der Stammtisch der SPD Trier diskutiert über die Frage nach einer erneuten großen Koalition.

Die SPD-Basis diskutiert - wie hier in Trier - heftig über eine weitere große Koalition. Auch die Haltung der Landesverbände ist unterschiedlich.

(Foto: dpa)

Acht der sechzehn Verbände haben schon vor dem Sonderparteitag über ihre Haltung zu Koalitionsgesprächen mit der Union abgestimmt. Die Partei ist zutiefst gespalten.

Von Markus C. Schulte von Drach

600 Delegierte schicken die SPD-Landesverbände insgesamt zum Sonderparteitag nach Bonn, auf dem entschieden wird, ob die Partei Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnimmt. Dazu kommen die 45 Mitglieder des SPD-Vorstands - wobei es hier Überschneidungen geben kann, wenn Delegierte zugleich zum Vorstand gehören. Wie viele Delegierte aus den einzelnen Bundesländern kommen, hängt von der Größe der Landesverbände ab. Die Delegierten sind nicht an vorherige Beschlüsse von Landesparteitagen oder von Landesvorständen gebunden.

Die Stimmung in den Landesverbänden ist schwer einzuschätzen. Eines ist allerdings klar: Begeistert ist in der Partei niemand von der Vorstellung, ein drittes Mal mit CDU und CSU in eine Koalition zu gehen und Angela Merkel zur Bundeskanzlerin zu machen. Allerdings werben auch frühere Gegner dieser Konstellation inzwischen dafür. Malu Dreyer etwa, die Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, hatte sich für eine Minderheitsregierung der Union ausgesprochen. Nun sei die SPD aber in einer neuen Lage, sagte sie im Spiegel. Auch Ralf Stegner, SPD-Vorsitzender in Schleswig-Holstein, hatte eine große Koalition ausgeschlossen. Inzwischen ist er dafür, es noch einmal zu versuchen.

Nordrhein-Westfalen

Für den mitgliederstärksten Landesverband der Sozialdemokraten lässt sich nicht einschätzen, wie die Delegierten abstimmen werden. Dabei kommt ihnen schon wegen ihrer großen Zahl - sie stellen 144 der 600 Delegierten - eine große Bedeutung zu. Eine Abstimmung innerhalb des Verbandes hat es nicht gegeben. Michael Groschek, SPD-Landeschef, hatte vor einer großen Koalition gewarnt, nach den Sondierungen ist er dafür. Im Westdeutschen Rundfunk sagte er: "Wir haben Mitglieder, die sagen Ja, und welche, die sagen Nein, und dazwischen ist ein großer Teil von nachdenklichen Unentschlossenen."

Niedersachsen

Im zweitgrößten Landesverband hat sich der SPD-Vorstand mit 16 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen klar für Koalitionsverhandlungen mit der Union ausgesprochen, wobei sich die 81 Delegierten aus Niedersachsen nicht an dieses Votum halten müssen. Im eigenen Bundesland ist die Partei eine Koalition mit der CDU eingegangen.

Bayern

Natascha Kohnen, Bayerns SPD-Chefin, ist immer noch "kein Freund der großen Koalition", aber inzwischen dafür, genau wie der Vorstand der Landtagsfraktion. Kohnens Stellvertreterin Johanna Uekermann bevorzugt aber noch immer eine Minderheitsregierung der Unionsparteien und auch Generalsekretär Uli Grötsch ist gegen eine große Koalition. Wie die 78 Delegierten, die sich am Freitagabend mit dem Landesvorstand treffen, in Bonn abstimmen werden, ist noch offen.

Hessen

SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel hat an den Sondierungsgesprächen mit den Unionsparteien teilgenommen - und dem Ergebnis als einziger Teilnehmer der SPD nicht zugestimmt, sondern sich enthalten. Allerdings gehört er zu den zehn Mitgliedern des Landesvorstands, die den 72 Delegierten empfohlen haben, für Koalitionsverhandlungen zu stimmen. Gegenstimmen gab es immerhin drei, Enthaltungen zwei. Der Landesparteirat fordert energisch Nachbesserungen bei den Ergebnissen der Sondierungen.

Rheinland-Pfalz

Ministerpräsidentin Malu Dreyer empfiehlt den 49 Delegierten eine Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen, bei denen aber die Ergebnisse der Sondierung nachgebessert werden müssten. Im Landesverband gebe es allerdings noch viel Skepsis bei vielen Mitgliedern bei der Frage, ob man der Union in der Zusammenarbeit trauen könne, sagt Alexander Schweizer, Chef der Landtagsfraktion der SPD.

Baden-Württemberg

SPD-Landeschefin Leni Breymaier ist für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen, wies allerdings im SWR darauf hin, dass etwa ein Drittel der Mitglieder im Landesverband kategorisch gegen eine große Koalition sei. Die SPD in Baden-Württemberg schickt 47 Delegierte nach Bonn.

Saarland

Das Saarland schickt 24 Delegierte nach Bonn. Der Landesvorstand der SPD hat sich mit 18 zu 1 Stimmen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ausgesprochen.

Schleswig-Holstein

Die Meinungen, so sagte SPD-Landeschef Ralf Stegner der dpa, seien vielfältig. Voten gibt es keine. Wie die 24 Delegierten in Bonn abstimmen werden, ist demnach unklar. Stegner selbst hatte vor den Sondierungsgesprächen eine große Koalition strikt abgelehnt. Nun ist er dafür, Verhandlungen darüber aufzunehmen.

Berlin

Der Landesvorstand der SPD in der Hauptstadt hat sich mit 21 zu acht Stimmen klar gegen Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. Der Parteivorsitzende, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, hofft hingegen, dass die 23 Delegierten dafür stimmen werden.

Hamburg

In Hamburg hat sich der SPD-Landesvorstand unter dem Vorsitz von Bürgermeister Olaf Scholz ohne Gegenstimmen dafür ausgesprochen, es mit Verhandlungen über eine große Koalition zu versuchen. Sie empfehlen den 15 Hamburger Delegierten deshalb, in Bonn zuzustimmen. Wie andernorts auch herrscht an der Basis aber viel Skepsis.

Brandenburg

Der SPD-Landesvorstand in Brandenburg hat mit neun zu zwei Stimmen für Verhandlungen über eine neue große Koalition gestimmt. Das Bundesland schickt zehn Delegierte nach Bonn.

Bremen

In Bremen hat der SPD-Landesvorstand nicht darüber abgestimmt, ob Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgenommen werden sollten. Es gibt also keine Empfehlung für die acht Delegierten, die sich am Freitag zu einer parteiinternen Diskussion mit der Basis treffen wollten. Zwei der Delegierten kündigten bereits an, zuzustimmen, unter den übrigen herrscht überwiegend Skepsis.

Thüringen

Der SPD-Landesverband in Thüringen hat sich bereits im Dezember in einem Parteitagsbeschluss gegen eine große Koalition ausgesprochen. Landesvorsitzende Heike Taubert sagte dem Focus, sie gehe davon aus, dass die Mehrheit der sieben Delegierten in Bonn entsprechend abstimmen werde.

Sachsen

SPD-Landeschef Martin Dulig zufolge ist die Partei in Sachsen gespalten. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Dirk Panter, sagte der Welt: "Wenn wir Sachsen abstimmen müssten über die Groko in Berlin, gäbe es keine Mehrheit." Der Landesverband schickt sieben Delegierte nach Bonn.

Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt, von wo sechs Delegierte anreisen, hat ein Landesparteitag über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen abgestimmt. Das Ergebnis: 52 Nein-Stimmen, 51 Ja-Stimmen, vier Enthaltungen.

Mecklenburg-Vorpommern

Der SPD-Landesverband von Mecklenburg-Vorpommern schickt fünf Delegierte nach Bonn. SPD-Landeschefin und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist für Koalitionsverhandlungen. Am Freitag wird sie mit Landesvorstand, Landtagsfraktion sowie Kreis- und Ortsvorsitzenden darüber diskutieren. Einige Ortsverbände haben das schon getan - und sich mehrheitlich gegen eine neue große Koalition ausgesprochen.

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