Vor dem G8-Gipfel:Der Wille und der Weg

Beim G-8-Wirtschaftsgipfel in L'Aquila müssen die Staats- und Regierungschefs endlich Schritte gegen den Klimawandel verabreden. Dazu gehört auch die Renaissance der Atomenergie.

Tony Blair

Tony Blair, 56, war von 1997 bis 2007 Premierminister von Großbritannien.

Tony Blair, Foto: Getty, Montage: sueddeutsche.de

Macht sich für den Klimaschutz stark: Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair.

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Am Donnerstag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der größten Wirtschaftsnationen der Welt im italienischen L'Aquila, auch um die Fortschritte auf dem Weg zu einem neuen globalen Klima-Abkommen zu besprechen. In sechs Monaten soll das Abkommen in Kopenhagen beschlossen werden, das Treffen findet also zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt.

Viele dieser Staats- und Regierungschefs kamen im April schon einmal zusammen. Damals befassten sie sich mit der Wirtschaftskrise und versprachen zu Recht, "alles zu tun, was notwendig ist". Derselbe Geist muss das Treffen in L'Aquila leiten.

Der gute Wille ist enorm. Die neue US-Regierung unterstützt ein energisches Vorgehen. China setzt sich ehrgeizige Ziele zur Verringerung des Energie-Einsatzes und investiert massiv in erneuerbare Energien.

Indien hat seinen eigenen Aktionsplan vorgelegt. Europa hat es sich zum Ziel gemacht, die Emissionen bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent unter den Stand von 1990 zu senken, falls es zu einem ambitionierten globalen Abkommen kommt. Japan hat seine Vorschläge für große Kohlendioxid-Reduzierungen gemacht. Überall auf der Welt werden Verpflichtungserklärungen abgegeben.

Doch bleiben praktische Schwierigkeiten. Erforderlich ist, dass die globalen Emissionen bis zum Jahr 2050 weniger als die Hälfte des Stands von 1990 betragen. Die europäische Zielvorgabe bis 2050 gibt es deshalb, weil die Entwicklungsländer im großen und ganzen weniger Emissionen freisetzen als die Industrieländer - und sie kurzfristig weiter steigen müssen, um ihr Wirtschaftswachstum zu erhalten und Armut zu bekämpfen.

Für die USA würden solche Verpflichtungen bedeuten, die Emissionen auf ein Zehntel des heutigen Pro-Kopf-Niveaus zu senken, während China ein kohlenstoffarmes Modell für seine Entwicklung ausarbeiten müsste. Das ist für alle Länder eine gewaltige Herausforderung, eine Revolution.

Die gute Nachricht lautet: Wenn wir uns auf klare und erreichbare Ziele konzentrieren, können große Einsparungen erreicht werden. Dann können wir sicherstellen, dass die Welt innerhalb eines reellen Zeitrahmens einen radikalen, neuen Ansatz findet. Ein neuer Bericht der Initiative "Breaking the Climate Deadlock", einer strategischen Partnerschaft zwischen meinem Büro und der privaten Organisation The Climate Group, zeigt, wie sogar bis 2020 große Einsparungen erreicht werden können, wenn wir unser Handeln auf Schlüsseltechnologien konzentrieren, politische Maßnahmen ergreifen, die sich in der Praxis bewährt haben und jetzt in die Entwicklung künftiger Technologien investieren.

Was zu tun ist

Die vielleicht interessanteste Tatsache ist, dass 70 Prozent der bis 2020 erforderlichen Reduzierungen erreicht werden können, indem in drei Bereiche investiert wird: in die Steigerung der Energieeffizienz, die Reduzierung der Abholzung sowie die Nutzung von kohlenstoffarmen Energiequellen, zum Beispiel von Atomstrom und erneuerbaren Energien.

Wir brauchen dazu: Gesetze zur Förderung von erneuerbaren Energien oder Quotensysteme dafür, Effizienzsteigerungen in der Industrie, Bauvorschriften, Effizienzstandards für Fahrzeuge; Standards für den Kohlenstoffanteil von Kraftstoff, Standards für Haushaltsgeräte, Schritte zur Reduzierung der Emissionen, die durch die Abholzung von Wäldern frei werden.

Alle dies wurde bereits erfolgreich in verschiedenen Ländern der Welt umgesetzt, es muss jedoch ausgeweitet werden. Obwohl Systeme für den Handel mit Emissionsrechten dazu beitragen können, dass Unternehmen in kohlenstoffarme Lösungen investieren, sind diese politischen Maßnahmen zumindest kurzfristig notwendig, um die Ziele zu erreichen.

Längerfristig brauchen wir zudem Technologien wie die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, mehr Kernenergie und eine Generation von Solarstrom-Erzeugern sowie die Entwicklung von Technologien, deren Potential oder sogar Existenz noch unbekannt ist. Wichtig für Kopenhagen ist, dass jetzt Entscheidungen für Investitionen gefällt werden, die erst später Nutzen bringen werden. Die überwiegende Mehrheit der neuen Kraftwerke in China und Indien wird mit Kohle betrieben werden. Das ist einfach eine Tatsache. Daher ist die Entwicklung von Techniken zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid unverzichtbar.

Darüber hinaus wird die Renaissance der Atomenergie viele zusätzliche qualifizierte Wissenschaftler und Ingenieure erfordern. Für elektrische Fahrzeuge sind große Anpassungen der Infrastruktur vonnöten. Intelligente Stromnetze können große Reduzierungen von Emissionen ermöglichen, für ihre Realisierung ist jedoch ein Plan notwendig. Bis es soweit ist, könnten Energiesparlampen und effiziente Industriemotoren eine Lösung sein. Doch nutzen wir sie nicht annähernd so intensiv, wie wir könnten.

Eine Grundlage für Kopenhagen schaffen

Wir wissen also, was wir tun müssen, und wir haben das Handwerkszeug dazu. Die Staats- und Regierungschefs können daher in L'Aquila mit Zuversicht die von Wissenschaftlern empfohlenen zwischen- und langfristigen Ziele übernehmen: die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius halten, den Höhepunkt der Emissionen innerhalb der nächsten zehn Jahre überschreiten, die globalen Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 mindestens halbieren.

Die Industrieländer werden auch in der Lage sein, sich zu einer Reduktion um 80 Prozent zu verpflichten. Ferner können sie den Entwicklungsländern die notwendige finanzielle und technische Unterstützung geben, die diese brauchen, um sich an den Klimawandel anzupassen. Mit dieser Unterstützung müssen die Entwicklungsländer ihrerseits Pläne für ein kohlenstoffarmes Wachstum entwerfen und umsetzen. Wenn die Gipfelteilnehmer diese Verpflichtungen eingehen, würden sie, deren Länder mehr als drei Viertel der globalen Emissionen verursachen, eine solide Grundlage für Kopenhagen schaffen.

Jahrelang lag der Schwerpunkt zu Recht darauf, die Menschen davon zu überzeugen, dass für die Bekämpfung des Klimawandels genügend "Wille" vorhanden sein muss. Die Staats- und Regierungschefs müssen jedoch wissen, dass es auch einen "Weg" gibt. Nur wenn wir beide zusammenbringen, werden wir Erfolg haben. Glücklicherweise gibt es einen solchen Weg. Er ist ungeheuer schwierig, aber möglich.

© Project Syndicate. Übersetzung: Anke Püttmann.

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