Vor dem Dreikönigstreffen:FDP setzt auf Magenta als Farbe des Aufbruchs

Christian Lindner

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner will die Partei zwar erneuern - aber bitte nicht zu radikal.

(Foto: dpa)
  • Vor ihrem Dreikönigstreffen will die FDP sich ein neues Image geben: Liberalität soll nicht mehr nur auf die Wirtschaft reduziert werden, Magenta zusätzliche Parteifarbe werden.
  • Ein allzu radikaler Bruch wurde jedoch bereits im Vorfeld verworfen.
  • Nach den jüngsten Wahl-Debakeln hofft die FDP, dass ein Erfolg bei einer Landtagswahl eine Wende bringt. Doch die Aussichten für die Wahl in Hamburg im Februar sind nicht rosig.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Jungen in der Partei haben es einst vorgemacht. Als der frühere Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel 2009 und 2010 noch Vorsitzender der Jungen Liberalen war, demonstrierte er, wie er am liebsten gegen ein verheerendes Image angehen würde. In einem Werbevideo setzte er den Klischees, die viele mit der FDP verbinden, Gesichter der damaligen Führung der Jungen Liberalen entgegen.

Man sah junge Männer mit Drei-Tage-Bart und Schlabber-Pulli, dazu junge Frauen in T-Shirts und Jeans. Sie erklärten, sie würden immer nur teure Anzüge und Kleider tragen, nur aufs Geld wert legen, sich für nichts anderes als eine Anwaltskarriere interessieren und natürlich niemals lachen, niemals Spaß haben, sich niemals um andere kümmern. Das Brechen der Klischees sollte zeigen, wie anders die Welt der Jungen Liberalen doch ist.

Lindner setzt auf Zusatz-Farbe

Zu so etwas wäre die FDP nicht in der Lage. Jedenfalls noch nicht, auch nicht unter ihrem gerne jugendlich wirkenden Parteichef Christian Lindner. Dabei hätte die FDP es, gemessen an ihrer Lage, bitter nötig. Für das Dreikönigstreffen am Dienstag setzt Lindner zwar auf ein neues Image, eine umfassend liberale Ausrichtung und das ungewöhnliche Magenta als zusätzliche Parteifarbe. Mit diesem Dreiklang will er seine Truppen aus dem großen Loch führen, in dem sich seine Partei 15 Monate nach dem Rauswurf aus dem Bundestag befindet.

Aber ein radikales Video, einen neuen Parteinamen, einen Abschied vom Blau und Gelb der vergangenen Jahrzehnte wird es nicht geben. Auch das ist zwar mal angedacht, aber sehr schnell wieder verworfen worden. Zu gefährlich erscheint Lindner und seiner gar nicht mehr so neuen Parteiführung, sich zu weit von den alten Symbolen und Wurzeln zu entfernen.

Der Spagat zwischen alt und neu soll also ein Spagat bleiben und kein Bruch werden. Wie man dieser Tage hören kann, sind vor allem manch Altvordere wie Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel dagegen gewesen. Dabei spürt die Führung längst, wie schwer es geworden ist, aus dem tiefen Loch herauszufinden. Die Partei bleibt bundesweit bei zwei bis drei Prozent in den Umfragen.

Das ganze Jahr 2014 hat sich daran nichts geändert. Alle drei Landtagswahlen im Osten gingen verloren. Mal versuchte es eine Landespartei wie die in Brandenburg mit größtmöglicher Provokation ("Keine Sau braucht die FDP"); dann wieder kämpfte der Sachsen-Chef Holger Zastrow mit marktradikalen Thesen, die als Abgrenzung zu Lindner gelesen werden sollten. Geholfen hat weder das eine noch das andere.

Während die Alternative für Deutschland von einem Erfolg zum nächsten eilte, verlor die FDP überall Wähler. Der Eindruck wuchs, dass die Marke FDP spätestens dann, wenn die Menschen in den Wahlkabinen ihr Kreuz machen, kaum noch eine Chance hat.

Daran haben auch die Reformbemühungen der Parteispitze nichts geändert. Die Führung ließ im Sommer ihre Mitglieder befragen, organisierte Regionalkonferenzen und Mitgliedertreffen, lud die Kreisvorsitzenden im September zu einer Strategiekonferenz ein und hat unter beachtlicher Beteiligung der Mitglieder darüber diskutiert, wie sich die FDP die FDP der Zukunft vorstellt. Spektakuläre Änderungen wird es dennoch kaum geben.

Lindner will FDP "ohne Weichmacher"

Auch wenn die Partei wieder grundliberal sein möchte, den Begriff also nicht nur und auch nicht mehr so radikal wie früher auf die Wirtschaftspolitik reduzieren will, wird es auch künftig um gute Bildung, um Chancengleichheit und weniger Staatseinfluss gehen. "Optimistisch" und "empathisch" will sie auftreten und wirken; das soll die Abkehr von der kühlen Westerwelle-Zeit manifestieren. Aber viel mehr erscheint den meisten in der Parteispitze offenbar als zu gefährlich.

An diesem Montag wird der Bundesvorstand abschließend über das neue Leitbild und den neuen Auftritt entscheiden. Einen Tag später will Christian Lindner im Stuttgarter Staatstheater den Neustart beginnen. Dem Spiegel sagte Lindner, die Liberalen wollten sich "ohne Weichmacher" zu ihren Überzeugungen bekennen, "selbst wenn manche aufheulen". So müsse etwa der Solidaritätszuschlag weg.

Vorbild Neos in Wien

Das Dreikönigstreffen soll den Kampf um die Rückkehr in den Bundestag einläuten. Dabei hofft Lindner in diesem Frühjahr auf das, was er "Eisbrecher-Wahl" genannt hat. Mit einem Erfolg bei einer Landtagswahl soll das Eis, das die Partei seit dem Debakel 2013 umgibt, aufgebrochen werden.

Um sich den dafür nötigen Optimismus zu besorgen, ist 2014 fast die versammelte Parteispitze inklusive Lindner nach Wien gepilgert. In Österreich sorgt seit knapp zwei Jahren eine liberale Parteineugründung für Furore. Die Neos sitzen im nationalen Parlament, sind ins EU-Parlament eingezogen und haben auch in den Bundesländern Erfolge eingeheimst.

Ihre Kernbotschaften: in der EU klar pro-europäisch, in der Gesellschaftspolitik liberal-großzügig; dazu klar marktwirtschaftlich ausgerichtet. Es mag Zufall sein, aber die Neos nutzen für ihre Auftritte auf Plakaten und im Internet vor allem eine Farbe: Magenta.

Dass das mit der Eisbrecher-Wahl nicht einfach werden würde, wussten sie in der FDP früh. Dass es im Februar in Hamburg klappen werde, hofften sie dennoch. Doch bislang sieht es nicht mal in der Hansestadt sonderlich gut aus, auch dort dümpelt die Partei trotz provokanter Kampagne bei drei Prozent herum. Und ausgerechnet dort muss sich die Spitzenkandidatin Katja Suding (Kampagne: "Unser Mann für Hamburg") mit einer Abspaltung namens "Neue Liberale" herumschlagen. Sie könnte der FDP die Stimmen für den Einzug in die Bürgerschaft rauben.

Was also, wenn es selbst dort nichts werden sollte? Dann doch einen radikalen Schritt wagen? Und den Neuanfang mit einem neuen Namen für die Partei versuchen? Diese Möglichkeit hatte bisher nur ein prominentes Mitglied der Führung ausgesprochen, die frühere Düsseldorfer Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Danach waren alle, vor allem alle Alten und ehemals Großen, über sie hergefallen - getragen von der Furcht, hier könnte jemand die traditionsreiche Geschichte abwickeln.

Tatsächlich aber hat die erfahrene Kommunalpolitikerin ein anderes Motiv angetrieben: die Gefahr, dass die drei Buchstaben FDP zwar an die Verdienste eines Hans-Dietrich Genscher, Walter Scheel oder Gerhart Baum erinnern, aber in der Wahlkabine nichts mehr einbringen, weil sie dort mit den gescheiterten Guido Westerwelle, Philipp Rösler und Rainer Brüderle verbunden werden.

Johannes Vogel übrigens hat die Partei nach seinem Abschied aus dem Bundestag nicht verlassen. Er ist in Lindners Heimatverband Nordrhein-Westfalen Generalsekretär geworden. Er könnte seine provokante Idee von einst also irgendwann noch einmal aufgreifen.

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