Vor dem Deutschlandtag:JU-Chef Ziemiak kritisiert Merkels Regierung scharf

Vorsitzender der Jungen Union -  Paul Ziemiak

Vor seiner ersten Wiederwahl: JU-Vorsitzender Paul Ziemiak.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Vor Beginn des JU-Deutschlandtages an diesem Freitag hat JU-Chef Paul Ziemiak die Regierung von Angela Merkel heftig attackiert.
  • Statt einer großen Koalition sehe er nur "großes Chaos", sagte Ziemiak der Süddeutschen Zeitung.
  • Der JU-Chef ist auch mit der Vorbereitung der Bundespräsidentenwahl unzufrieden.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es ist nicht weniger als ein Frontalangriff auf die eigene große Koalition. Paul Ziemiak ist Vorsitzender der Jungen Union, er sitzt auch im Bundesvorstand der CDU. Aber an der Regierung seiner Vorsitzenden Angela Merkel scheint er keinen großen Gefallen zu finden.

An diesem Freitag beginnt der jährliche Deutschlandtag der Jungen Union (JU). Auf der Tagesordnung steht auch: "Rede und Diskussion mit Dr. Angela Merkel". Dabei wird sich die Kanzlerin einiges anhören müssen. Denn statt einer großen Koalition sehe er nur "großes Chaos", sagt Ziemiak der Süddeutschen Zeitung. Die Koalition stehe "für Minimalkonsens von der Rente über den digitalen Wandel bis zur Energiewende".

Der JU-Chef ist auch mit der Vorbereitung der Bundespräsidentenwahl unzufrieden. "Bedeutende Namen scheitern am Klein-Klein der Bundesregierung", klagt er. "Von manchen jetzt gehandelten Kandidaten haben viele Deutsche noch nie etwas gehört", das sei "sicher nicht der Weg, wie man politikverdrossene Bürger zurückgewinnt".

Forderung nach einem "deutschen FBI"

In der Rentenpolitik verlangt Ziemiak ein "Moratorium". Die Regierung habe in dieser Legislaturperiode "bereits genug am Rentensystem herumgedoktert", sagt er. Die junge Generation sei mit Milliardenkosten belastet worden, jetzt drohe "der nächste Kostenschub durch die Pläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles". Statt "schlechte und teure Kompromisse" zu machen, solle die CDU lieber "einen ehrlichen Rentenwahlkampf" gegen die anderen Parteien führen.

Auch mit der Sicherheitspolitik von Merkels Regierung ist Ziemiak unzufrieden. Es gebe "viele kleine Schritte" statt der nötigen Grundsatz-Entscheidungen. "Angesichts der akuten Bedrohungslage braucht es eine bundesweite Ermittlungsbehörde, ein deutsches FBI, das schnell und effektiv arbeiten kann", fordert der JU-Chef.

Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollten dafür zusammengelegt werden. Die Wirtschaftspolitik der Koalition findet Ziemiak ebenfalls beklagenswert. Immer wieder werde "die CDU von der SPD gedrängt, Abgaben und Bürokratie für die Wirtschaft einzuführen". Die beschlossene Bürokratiebremse funktioniere in der Praxis nicht.

Aus all dem schließt der JU-Chef, dass die große Koalition nach der Bundestagswahl 2017 beendet werden sollte. "Eine große Koalition kann keine Dauerlösung sein", sagt er, sie stärke die extremen Ränder. Deshalb verlangt Ziemiak von seiner CDU: "Wir müssen uns stärker um Bündnisse mit kleineren Parteien wie der FDP und den Grünen bemühen, sonst drohen uns bald österreichische Verhältnisse."

Ziemiak hat eine ungewöhnliche Biografie

Der JU-Chef wurde im September 2014 Nachfolger von Philipp Mißfelder, der die Jugendorganisation zwölf Jahre - und damit länger als jeder andere - geleitet hatte. Einen derart übermächtigen Vorgänger zu haben, kann auch eine große Bürde sein. Doch Ziemiak ist es inzwischen gelungen, seine eigene Rolle zu finden. Bei seiner Wahl an die JU-Spitze vor zwei Jahren hatte er noch einen Gegenkandidaten. Wenn an diesem Freitagabend Ziemiaks erste Wiederwahl ansteht, muss sich der 31-Jährige keinem Wettbewerber mehr stellen. Ihm ist eine deutliche Mehrheit sicher.

Das liegt auch an seinen Erfolgen bei den vergangenen beiden Bundesparteitagen der CDU. 2014 hatte sich der JU-Chef zusammen mit dem Wirtschafts- und dem Arbeitnehmerflügel erfolgreich für einen Abbau der sogenannten kalten Progression im Steuerrecht eingesetzt. Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hatten das verhindern wollen. 2015 setzte die JU, diesmal im Verbund mit der Kommunalpolitischen Vereinigung und dem Wirtschaftsflügel, einen schärferen Kurs der CDU in der Flüchtlingspolitik durch.

Ziemiak hat eine - zumindest für die JU - ungewöhnliche Biografie. Er ist gebürtiger Stettiner. Seine Familie kam erst 1988 aus Polen in die Bundesrepublik. Die ersten Wochen in Deutschland lebte sie in einem Auffanglager, Ziemiak lernte erst im Kindergarten Deutsch. Nach seinem Aufstieg in der JU und in der CDU bereitet er gerade seinen nächsten Karriereschritt vor. 2017 wird er aller Voraussicht nach in den Bundestag einziehen. Dann wird Ziemiak selbst Politik machen müssen, statt Entscheidungen immer nur kritisieren zu können.

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