Besuch von Kanzlerin Merkel:Berliner Koalition kritisiert Hollande scharf

Angela Merkel und Francois Hollande

Angela Merkel und François Hollande treffen sich heute in Paris.

(Foto: dpa)

Frankreichs Präsident Hollande pocht auf die Souveränität seines Landes. Dafür erntet er heftige Kritik von Schwarz-Gelb. Ein Grünen-Politiker nennt die Äußerungen ein Armutszeugnis für die französische Europapolitik. Die Spannungen zwischen beiden Ländern sind vor Merkels Besuch deutlich spürbar.

Kurz vor seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris hat Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstag unter Politikern aus dem deutschen Regierungslager heftige Kritik hervorgerufen. Nachdem sich Hollande am Mittwochabend ein "Diktat" von Reformvorschlägen der Europäischen Kommission verbeten hatte, gingen Vertreter von CDU/CSU und FDP scharf mit ihm ins Gericht.

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs erklärte, es sei "besorgniserregend", wenn ein Land sich nicht an Verabredungen halten wolle. Sein Kollege Andreas Schockenhoff warf Hollande vor, damit an den Grundfesten der Europäischen Union zu rütteln.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte eine Abkehr von sozialistischer Staatswirtschaft in Frankreich. "Um endlich das Wachstum in ganz Europa anzukurbeln, braucht Frankreich Reformen, die die Wettbewerbsfähigkeit stärken", sagte Brüderle der Rheinischen Post vom Donnerstag. Es werde Zeit für die Besinnung auf mehr soziale Marktwirtschaft statt sozialistischer Staatswirtschaft. "Ich bin mir sicher, dass die Bundeskanzlerin, wie es sich unter Freunden gehört, das intern deutlich ansprechen wird." Mit Blick auf Hollandes erstes Amtsjahr sprach Brüderle von einem "verlorenen Jahr". Europa könne aber "nicht länger auf Frankreich warten".

Der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold bezeichnete Hollandes Aussage vom "Diktat aus Brüssel" als "Armutszeugnis" für die französische Europapolitik.

Brüssel hatte Frankreich zuvor aufgefordert, Wirtschaft und Rentensystem zu reformieren. "Frankreich hat in den vergangenen zehn, vielleicht sogar auch 20 Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Als Gegenleistung für zwei zusätzliche Jahre beim Sparen müssten die Arbeitskosten in Frankreich sinken und Energie- oder Dienstleistungsmärkte für mehr Wettbewerb geöffnet werden.

Frankreich wird von einem hohen Haushaltsdefizit, Rezession und Rekordarbeitslosigkeit geplagt. Die EU-Kommission gab am Mittwoch bekannt, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zwei Jahre Aufschub bis zum Jahr 2015 zum Erreichen der EU-Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einzuräumen.

"Frankreich ist null vorbereitet"

Der deutsche EU-Kommissar Oettinger hatte Frankreich in dieser Woche darum kritisiert. Das Land sei "null vorbereitet auf das, was notwendig ist": Dies seien Rentenkürzungen, längere Lebensarbeitszeit und eine geringere Staatsquote. Die Zahl der Staatsdiener sei dort außerdem doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt.

Merkel und Hollande wollen bei dem eintägigen Arbeitsbesuch in Paris nach gemeinsamen Wegen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum in Europa suchen. Beide Seiten wollen dazu einen Bericht vorlegen, an dem Jean-Louis Beffa vom französischen Konzern Saint-Gobain und Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme mitgewirkt haben.

Gemeinsame Initiative für weitere EU-Reformen

Das Treffen dient zugleich der Vorbereitung des nächsten EU-Gipfels zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion Ende Juni in Brüssel. Ziel ist eine gemeinsame Initiative für weitere EU-Reformen. Hollande hält am französischen Plan für eine Wirtschaftsregierung in der Euro-Zone fest. Zum Auftakt des Treffens von Merkel und Hollande stand am Nachmittag ein Besuch der Ausstellung "De l'Allemagne" (Über Deutschland) im Louvre-Museum an.

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte es aber immer wieder Berichte über erhebliche Differenzen zwischen Berlin und Paris über den richtigen Umgang mit der Eurokrise gegeben. Der Sozialist Hollande fordert eine Abkehr vom strikten Sparkurs in Europa, für den Merkel steht wie keine zweite. Beide zeigten sich aber bemüht, Berichte über ein schlechtes deutsch-französisches Verhältnis zu entkräften.

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