Vom Frauenstimmrecht zur ersten Kanzlerin:Damenwahl

Im Januar 1919 durften Frauen erstmals in Deutschland wählen. Von den frühen Frauenrechtlerinnen bis zur ersten Kanzlerin - eine historische Bildergalerie.

Irene Helmes

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Vor 90 Jahren, am 19. Januar 1919, durften Frauen bei der Wahl zur Nationalversammlung erstmals in Deutschland ihre Stimme abgeben - der Startschuss für fundamentale Veränderungen in Politik und Gesellschaft.

Vom Kaiserreich über den Nationalsozialismus bis zur Berliner Republik - zum Jubiläum zeigen wir Stationen weiblicher Beteiligung in der deutschen Politik in Bildern.

Selbstverständlich bemühten sich Frauen bereits lange vor 1919 aktiv um politische Belange ...

Fotos: dpa/AP

Text: Irene Helmes

Louise Otto, dpa

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Schon 1843 hatte Louise Otto-Peters Gedanken formuliert, die zu ihrer Zeit blanker Provokation gleichkamen: Die "Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates" sei "nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht".

Doch der Kampf um eines der zentralsten Bürgerrechte, das Wahlrecht, führte erst im 20. Jahrhundert zum Ziel. Abgesehen von überparteilichen liberalen Frauengruppen setzten sich insbesondere die Sozialdemokraten dafür ein. Und stießen auf harten Widerstand: So ließ die Polizei unter anderem Plakate mit der Begründung verbieten, die Schlagzeilen seien beleidigend für die Obrigkeit.

Die Gesetzgebung des Wilhelminischen Kaiserreichs untersagte Frauen wahre Partizipation, ...

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Clara Zetkin, AP

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... und dass einmal Frauen dem Parlament und dem Verfassungsgericht vorstehen könnten, gar die Regierung leiten würden - Anfang des 20. Jahrhunderts kaum mehr als Hirngespinste.

Erst am 15. Mai 1908 fiel in Deutschland das Politikverbot für Frauen: Das Reichsvereinsgesetz gestattete ihnen von nun an Engagement in Parteien und politischen Vereinen.

Zuvor hatten Frauenrechtlerinnen vom Zeitgeist unbeirrt die Grundsteine der Gleichberechtigung gelegt. Die Linke Clara Zetkin (1857-1933) etwa gab von 1891 bis 1917 die SPD-Frauenzeitung Die Gleichheit heraus, mischte an der Spitze internationaler Kongresse sozialistischer Frauen mit und engagierte sich mit ...

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Rosa Luxemburg, AP

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... ihrer guten Freundin und Mitstreiterin Rosa Luxemburg (1870-1919) während des Ersten Weltkriegs vehement gegen die deutsche Kriegspolitik. Zetkin und Luxemburg waren maßgeblich an der Gründung der antimilitaristischen Gruppe Internationale beteiligt, aus der 1917 der Spartakusbund und Ende 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hervorging.

Zetkin beeinflusste die KPD-Politik bis zur Machtübernahme Hitlers 1933 entscheidend mit. Rosa Luxemburg dagegen bezahlte ihr Engagement bereits am 15. Januar 1919 mit dem Leben, als sie und ihr Weggefährte Karl Liebknecht nach dem Berliner Spartakusaufstand von rechtsradikalen Freikorpsoffizieren ermordet wurden. Den ersten Urnengang der deutschen Frauen erlebte sie nicht mehr.

Rosa Luxemburg bei einer Rede vor Sozialdemokraten in Stuttgart 1907/ Foto: AP

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Mit dem Kollaps des Kaiserreichs am Ende des Ersten Weltkriegs wurde den deutschen Frauen das Recht zugestanden, ihre Stimme abzugeben.

Nach Erlass des entsprechenden Gesetzes im November 1918 wurde 1919 das erste Jahr mit aktiver und passiver weiblicher Beteiligung bei deutschen Wahlen.

41 Frauen zogen so ins erste Nachkriegsparlament ein. Leicht hatten es die Pionierinnen nicht. Als die SPD-Abgeordnete Marie Jochacz das männerdominierte Parlament 1919 mit "Meine Damen und Herren" ansprach, folgte Hohngelächter.

Pionierinnen: Berliner Stadtverordnete, 1919/ Foto: Bundesarchiv

Bund deutscher Mädel, dpa

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In den 1930er Jahren trugen schließlich nicht zuletzt Frauen mit ihren Stimmen zum Aufstieg der Nationalsozialisten bei. Im Dritten Reich drängte das Regime das Engagement deutscher Frauen so weit wie möglich in die entsprechend vorgesehenen Gruppierungen.

Patriotisch, führertreu und familienorientiert sollte die ideale Deutsche sein, Millionen wurden Mitglied in straff organisierten Organisationen wie der NS-Frauenschaft und dem Bund Deutscher Mädel.

Die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholz-Klink etwa wurde für die nationalsozialistische Auslandspropaganda als eine führende Parteigröße dargestellt - und von der britischen Presse als "The Perfect Nazi Woman" wahrgenommen. Tatsächlich war sie aber der männlichen Parteileitung untergeordnet.

Aufmarsch des Bundes Deutscher Mädel am Brandenburger Tor in Berlin/ Undatiertes Foto: dpa

Elisabeth Schwarzhaupt, dpa

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs machten sich auch die Frauen an den Aufbau einer funktionierenden Demokratie. Aber nach Gründung der BRD vergingen weitere zwölf Jahre, bis erstmals eine Bundesministerin vereidigt wurde: Die CDU-Politikerin Elisabeth Schwarzhaupt übernahm am 14. November 1961 das Gesundheitsressort.

Doch auch in den folgenden Legislaturperioden blieben die regierenden Herren im Wesentlichen unter sich. Bis eine Frau ein klassisches "hartes" Ressort übernahm, dauerte es noch einmal mehr als 30 Jahre: 1992 wurde Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Justizministerin.

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Annemarie Renger, dpa

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Im Jahr 2009 ist ein knappes Drittel der Bundestagssitze mit Frauen besetzt. Immer noch keine Gleichverteilung also, kann moniert werden. Doch in nicht allzu ferner Vergangenheit schien selbst dieses eine Drittel utopisch: Ausgerechnet 1972, zur Zeit von Studentenbewegung und Emanzipationskampagnen, sank der Anteil der weiblichen Bundestagsabgeordneten auf den historischen Tiefstand von 5,8 Prozent.

Einen Akzent setzte damals jedoch die SPD-Politikerin Annemarie Renger - sie war von 1972 bis 1976 die erste Bundestagspräsidentin.

Annemarie Renger (Mitte) bei der Bundesfrauenkonferenz der SPD 1970/ Foto: dpa

Rita Süssmuth, dpa

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Von 1988 bis 1998 übernahm das Amt des Bundestagspräsidenten zum zweiten und bisher letzten Mal eine Frau, diesmal aus den Reihen der CDU: Rita Süssmuth stand dem Parlament während der Ära Kohl vor.

Erfolg von Frauen wollten konservative Politikerinnen nicht nur ihren Kolleginnen aus dem linken Lager überlassen: Unter dem Motto "Wir sind am Zug" feierte die Frauen-Union der CDU im Juni 1998 ihr 50-jähriges Bestehen.

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Heide Simonis, dpa

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Am 19. Mai 1993 war Schleswig-Holstein als erstes Bundesland bereit für eine Landesmutter: Heide Simonis - bekannt auch als "die rote Heide" - wurde dort nach dem Rücktritt von Björn Engholm zur Ministerpräsidentin gewählt. Zwei Mal wurde sie im Amt der Ministerpräsidentin bestätigt, das sie bis 2005 innehatte.

Bis heute ein einmaliger Fall - nachdem Andrea Ypsilanti mit ihren Bemühungen in Hessen scheiterte.

Heide Simonis im Landtagswahlkampf 2000/ Foto: dpa

Jutta Limbach, dpa

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Geht es um erfolgreiche Frauen in Deutschland, führt kein Weg an Jutta Limbach vorbei. Von 1994 bis 2002 war die Rechtswissenschaftlerin die erste Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem sie die zulässige Altergrenze für dieses Amt überschritten hatte, wechselte sie vom Richterstuhl auf den Chefsessel des Goethe-Instituts.

Wie populär und anerkannt die Berlinerin war und ist, zeigte sich auch im Vorfeld der Wahl zum Bundespräsidenten 2004. Damals wurde Limbach als mögliche SPD-Kandidatin gehandelt, um den scheidenden Johannes Rau abzulösen. Doch diese Ehre ging schließlich an Horst Köhler - das Amt des deutschen Staatsoberhauptes ist damit bis zum heutigen Tage fest in Männerhand, ...

Jutta Limbach bei einer Urteilsverkündung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2000/ Foto: dpa

Sabine Bergmann-Pohl, dpa

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... zumindest in Westdeutschland. In der Deutschen Demokratischen Republik war bereits einmal eine Frau faktisches Staatsoberhaupt, wenn auch nur kurz: Sabine Bergmann-Pohl. Die promovierte Medizinerin wurde in der zerfallenden DDR am 5. April 1990 zur Präsidentin der letzten Volkskammer gewählt.

Nach der Wiedervereinigung wurde sie Bundestagsabgeordnete, vom 3. Oktober 1990 bis zum 18. Januar 1991 außerdem Bundesministerin für besondere Aufgaben. Danach wechselte sie ins Bundesgesundheitsministerium, 2002 schied sie aus dem Parlament aus.

Auf diesem Bild - entstanden bei einer Feierstunde im Bundestag 2000 - sitzt nahe bei Bergmann-Pohl (links) die Frau, die schließlich eine der letzten Männer-Bastionen der deutschen Politik erobern sollte, ...

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Angela Merkel, dpa

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... die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als die CDU-Politikerin am 22. November 2005 bei der Vereidigung der Bundesminister zum ersten Mal auf dem Kanzlerstuhl in der Regierungsbank Platz nahm, zeigte sie sich gelöst wie selten. Doch wie viel Diskussion hatte die Wahl einer Frau ins Kanzleramt ausgelöst. Zunächst unter den Fittichen des Altkanzlers als "Kohls Mädchen" im Familien- und später Umweltministerium belächelt, arbeitete sich die Physikerin beharrlich bis zur Parteivorsitzenden und Oppositionsführerin der Schröder-Zeit hoch.

Im entscheidenden Wahlkampf 2005 schließlich war die Geschlechterfrage wieder allgegenwärtig - satirisch aufgespießt durch die Zeitschrift Titanic mit den Worten: "Das Merkel kommt! Und es soll Kanzler werden! Darf das sein?" Es durfte sein. Und so bleibt 90 Jahre, nachdem Frauen in Deutschland erstmals wählen konnten, das Fazit, dass nichts mehr unmöglich ist - ...

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Gesine Schwan, dpa

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... und selbst das höchste Amt im Staat bald eine Frau innehaben könnte: Die Politologin Gesine Schwan, bis vergangenen Herbst Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, tritt für die SPD zum zweiten Mal gegen Horst Köhler an.

Foto: dpa/ Texte: Irene Helmes/jja/bavo

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