Volksentscheide in Kalifornien:Kiffen und Klimaschutz

Die Kalifornier stimmen darüber ab, ob der Marihuana-Besitz erlaubt und das strenge Umweltgesetz gekippt werden soll. Prominente wie Danny Glover wollen dabei helfen.

Reymer Klüver, San Francisco

Amerika wählt in einer guten Woche Senatoren, Kongressabgeordnete, Gouverneure. Auch Kalifornien wählt, doch im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat passiert noch mehr: Die Kalifornier befinden stets über mehrere Themen in einer ganzen Reihe von Volksabstimmungen, Propositions genannt. Und diesmal sind zwei darunter, die Folgen haben könnten für den Rest der Republik, wenn nicht sogar im globalen Maßstab.

Danny Glover, Melissa Etheridge, Hal Sparks

Sie setzen sich dafür ein, dass in Kalifornien der Cannabis-Konsum legalisiert wird: Hollywood-Star Danny Glover (links), Sängerin Melissa Etheridge und Schauspieler Hal Sparks.

(Foto: AP)

Zum einen stimmen die Kalifornier über die Freigabe des Marihuana-Besitzes ab. Das ist einmalig in den USA, und wohl auch nur im liberalen Kalifornien möglich. Zum anderen liegt den Wählern ein Vorschlag vor, der faktisch Kaliforniens neues Klimaschutzgesetz zu Fall bringen würde - und damit den Klimaschutz in den USA um Jahre zurückwerfen würde. Auf Beiträge Amerikas zum globalen Umweltschutz bräuchte man so schnell dann nicht mehr warten.

Genau schlägt die so genannte Proposition 23 vor, Kaliforniens neues Klimaschutzgesetz AB 32 auszusetzen. Das führt schärfere Grenzwerte für den Schadstoffausstoß ein, sieht einen Emissionshandel nach europäischem Vorbild vor und soll Anfang 2012 in Kraft treten. Proposition 23 will nun, dass es nur in Kraft treten darf, wenn die Arbeitslosenquote in Kalifornien ein Jahr lang unter die Marke von 5,5 Prozent fällt. Das war das letzte Mal in den achtziger Jahren der Fall. Praktisch also wäre das Klimaschutzgesetz, das bislang weitreichendste in den USA, damit tot.

Brisant ist, dass die Vorlage 23 ursprünglich von zwei texanischen Ölfirmen lanciert wurde, die große Raffinerien in Kalifornien betreiben. Politisch werden sie von vielen Republikanern unterstützt. Auf der anderen Seite finden sich nicht nur die Demokraten, sondern auch der scheidende Gouverneur Arnold Schwarzenegger, ein Republikaner. Er sieht Kaliforniens wegweisende Umweltgesetzgebung als sein politisches Erbe. Entsprechend entrüstet reagierte er auf den durchsichtigen Versuch der Ölfirmen, das Klimaschutzgesetz AB 32 zu kippen: "Da haben sich zwei texanische Ölfirmen aus Geldgier verschworen", wettert er.

Indes hat sich eine Koalition von Umweltverbänden, IT-Firmen und Kapitalfonds gegen Proposition 23 zusammengefunden, mit entsprechender Finanzkraft. Mehr als 28 Millionen Dollar haben sie für Werbung gegen die Vorlage mobilisiert. Die National Wildlife Federation gab drei Millionen, Intel-Gründer Gordon Moore spendete eine Million, und diese Woche schoss Microsoft-Milliardär Bill Gates 700000 Dollar zu. Das dürfte reichen. Finanziell haben die Befürworter der Proposition nichts mehr dagegen zu setzen. Neun Millionen haben sie sich ihren Feldzug gegen den Klimaschutz kosten lassen. Mehr sind sie wohl nicht bereit zu investieren. "So viel Geld haben wir auch wieder nicht", sagt Bill Day, der Sprecher von Valero, einer der beiden Ölfirmen hinter Proposition 23.

Zumal sich die öffentliche Meinung gedreht hat. Wussten die Kalifornier noch vor einem Monat nicht so recht, was sie von der Sache halten sollten, sehen die Umfragen mittlerweile eindeutig aus: Fast die Hälfte der Wähler will gegen die Proposition stimmen, die Zahl der Befürworter sank auf ein gutes Drittel.

"Vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für die Öl- und Tabakindustrie"

Doch die Ölfirmen haben die Hoffnung keineswegs aufgegeben. Denn außer der Proposition 23 steht noch die kaum beachtete Proposition 26 zur Abstimmung. Die hat es kaum weniger in sich. Sollte sie eine Mehrheit finden, könnten in Kalifornien künftig staatliche Gebühren nur per Zwei-Drittel-Mehrheit vom Kongress des Bundesstaats festgelegt werden - was das Ende jeder Umwelt- oder Gesundheitspolitik mit Biss wäre.

Zum Beispiel bräuchte man künftig in beiden Häusern des kalifornischen Parlaments eine Mehrheit wie für eine Verfassungsänderung, nur um den Anteil am Erlös pro verkaufter Zigarettenschachtel festzulegen, den Tabakfirmen in Kalifornien in einen Gesundheitsfonds einzahlen müssen. Oder aber eben um die Höhe der Gebühren für den Klimaschutz festzusetzen.

Weil Kaliforniens Republikaner grundsätzlich gegen derlei Abgaben sind, würde es nie zu Zwei-Drittel-Mehrheiten für sinnvolle Gebühren kommen. "Proposition 26 wäre ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für die Öl- und Tabakindustrie und für die großen Umweltverschmutzer", sagt Warner Chabot, Chef der Umweltorganisation League of Conservation Voters. Das sieht die Industrie offenbar nicht anders. Sie hat still und leise mehr Geld in die Werbung für die Proposition 26 und 23 gesteckt: 11,7 Millionen Dollar. Ein Drittel davon kommt von Ölfirmen.

Völlig unklar ist der Ausgang auch in der anderen Abstimmung, der Proposition 19. Und das nicht nur, weil die Mehrheitsverhältnisse nicht eindeutig sind. In der jüngsten Umfrage gab es noch eine leichte Mehrheit für die Legalisierung von Marihuana: 49 Prozent waren dafür, 44 dagegen. Zwar haben hier die Befürworter der Kampagne finanziell gesehen Oberwasser. Sie hatten bis Mitte Oktober 2,5 Millionen Dollar an Spendengeld mobilisiert, die Gegner nur gut 200000 Dollar. Doch reicht das keiner Seite für eine großangelegte Werbekampagne. Das Ergebnis ist also völlig offen.

Allerdings setzt eine Reihe von Städten in Kalifornien zumindest prophylaktisch auf den Erfolg des Vorschlags 19. Sie leiden alle unter extremer Finanznot und stellen deshalb schon einmal eine städtische Sondersteuer auf den möglichen Marihuana-Verkauf ebenfalls zur Abstimmung. Man weiß ja nie. Sacramento will zehn Prozent, Long Beach 15 Prozent am Verkaufserlös.

US-Justizminister Eric Holder sieht in derlei Abstimmungen indes nichts als kalifornische Träumereien. Besitz und Handel von Marihuana sind in den USA per Bundesgesetz verboten. Er werde die Bundesbehörden anweisen, "energisch durchzugreifen", sagte Holder, selbst wenn Kalifornien den Drogenbesitz zulassen sollte. In den USA ist es in der Beziehung nicht anders als in Deutschland: Bundesrecht bricht Landesrecht.

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