Vogelgrippe:Wasserscheue Viren

Mit jedem gefundenen toten Vogel wächst die Angst: Wie leicht kann man sich als Mensch mit dem H5N1-Virus infizieren? Experten geben jetzt zumindest für einen Ansteckungsweg Entwarnung.

Patrick Illinger

Die Schreckensvisionen lassen sich beliebig ausschmücken: Bilder von plantschenden Kindern, die sich nichts ahnend im Chiemsee mit Vogelgrippe anstecken, weil im Schilf nebenan eine krepierende Ente ihren letzten Schleim aus der Lunge hustet. Oder Wanderer, die sich am Wildbach infizieren, weil dort Auerhahn-Köttel voller H5N1-Viren entlangrauschen.

Das Problem an derlei Befürchtungen, die manchen vom Vogelgrippe-Thema überfrachteten Zeitgenossen derzeit überkommen, ist nur: Sie sind unbegründet.

Medienberichte, wonach das Umweltbundesamt (UBA) einen Virentest für Gewässer fordere, hat die Behörde auf Anfrage dementiert. Man sei lediglich dabei, die generell notwendigen Überwachungsmaßnahmen zu diskutieren, sagte Sprecher Frank Hönerbach.

Dabei gehe es vordringlich darum, wie man die Bestände kontrolliert und "verhindert, dass tote Vögel frei herumliegen". Die Frage, inwieweit Gewässer, etwa Badeseen, überwacht werden müssten, sei noch eine Diskussion unter den Fachleuten der Behörde.

"Lächerlich und überzogen"

"Fast lächerlich und überzogen" nennt der Erlanger Virologe Bernhard Fleckenstein die Vorstellung, dass Influenza-Erreger die Menschheit auf dem Wasserweg befallen könnten. Intensiver Kontakt mit lebenden infizierten Tieren sei derzeit der einzig mögliche Übertragungsweg auf Menschen, sagt Fleckenstein.

"Für eine Infektion braucht es hohe Dosen, in der Größenordnung von zehn Millionen Viruspartikeln. Solche Konzentrationen kommen in einem Gewässer nicht zusammen." Im Übrigen sei das Schlucken von Viren viel weniger ansteckend, als etwa von einem Infizierten angehustet zu werden.

Wasserscheue Viren

Dass Influenza-Viren durch Vogelkot oder sterbende Tiere in Badegewässer gelangen könnten, halten Experten grundsätzlich für möglich. Wie lange Influenza-Viren außerhalb lebender Organismen infektiös bleiben, ist stark von der Umgebungstemperatur und der Feuchtigkeit abhängig.

Ortrud Werner vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit auf der Ostseeinsel Riems berichtet von Experimenten mit Hühnerkot, die zeigten, dass Influenza-Erreger bei null Grad Celsius mehr als 32 Tage überdauern können. Bei 22 Grad sinke dieser Wert auf vier bis sieben Tage, so die Leiterin des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza.

Sie gehe daher davon aus, dass die deutschen Gewässer bis zur Badesaison komplett virenfrei sein werden. In jedem Fall liege auch ihrer Einschätzung nach die Konzentration von Viren in Gewässern weit unter dem für Menschen gefährlichen Wert.

Im Zweifel lieber nicht baden

Auch der Marburger Virologe Hans-Dieter Klenk hält die Erregerdichte in Badegewässern für ungefährlich. Er sehe keine Notwendigkeit, die Gewässer bundesweit auf Influenza-Keime zu untersuchen. Er würde allerdings in den akut von Vogelgrippe betroffenen Gebieten vorsorglich vom Baden abraten.

Für völlig ausgeschlossen halten die Experten übereinstimmend, dass sich Menschen mit Grippe-Erregern aus dem Trinkwasser anstecken könnten. So etwas sei unmöglich, sagt Irene Lukassowitz, Sprecherin des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung.

"Das meiste Trinkwasser in Deutschland kommt aus großen Tiefen", sagt Lukassowitz, "und wo es oberirdisch gewonnen wird, gibt es lückenlose Filteranlagen."

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