Völkerstrafrecht:Verrat an Mandelas Erbe

Jacob Zuma

1998, unter dem Präsidenten Nelson Mandela, war Südafrika einer der ersten Staaten, die das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes unterzeichneten. Die Regierung Regierung von Präsident Jacob Zuma (Bild) hat die Mitgliedschaft nun gekündigt.

(Foto: AP)

Südafrikas ehemaliger Präsident hat das Jahrhundertprojekt eines Weltstrafgerichts gefördert. Er wollte Menschen vor Diktatoren schützen. Sein Nachfolger macht es umgekehrt.

Von Stefan Ulrich

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag will ein Weltgericht sein. 124 Staaten sind ihm beigetreten, um Völkermörder, Kriegsverbrecher oder Angriffskrieger zu verfolgen. Allerdings kommen die drei Angeklagten, die das Tribunal bislang rechtskräftig verurteilt hat, alle aus Afrika. Von den neun Staaten, in denen der Gerichtshof ermittelt, liegen acht in Afrika. Deshalb kritisieren afrikanische Regierungen das Weltgericht, es sei neokolonialistisch und werde von mächtigen Staaten des Nordens benutzt, um sich in Afrika einzumischen.

Die südafrikanische Regierung von Präsident Jacob Zuma kündigt jetzt sogar die Mitgliedschaft bei dem Haager Tribunal auf. Damit schließt sich ein Kreis. Denn Südafrika gehörte 1998 zu den ersten Staaten, die das Statut des Weltgerichts unterzeichneten. Der damalige Präsident Nelson Mandela war ein großer Förderer dieses Jahrhundertprojekts. "Unser eigener Kontinent hat genug gelitten unter dem Horror, den die Unmenschlichkeit von Menschen gegenüber Menschen hervorbringt", begründete Mandela sein Engagement.

Das Haager Weltgericht ist Südafrika zu unbequem geworden

Zuma verrät dieses Erbe - und die Hoffnung von Millionen Afrikanern, die unter Gewaltherrschern und Kriegsherren darben. Diesen Opfern bietet das Tribunal - trotz mancher Schwäche, etwa der überlangen Verfahrensdauer - Anerkennung und Genugtuung. Indem es auch gegen Präsidenten und Generäle vorgeht, zeigt es, dass Macht nicht stets vor Strafe schützt. Dies alles gefährdet Südafrika, das zum schlechten Vorbild werden dürfte. So möchte die Regierung Burundis, der selbst Verbrechen vorgeworfen werden, bald folgen, offensichtlich, um sich möglichen Anklagen aus Den Haag zu entziehen.

Die Vorwürfe, das Weltgericht sei afrikafeindlich, sind falsch. Die Chefanklägerin und viele Mitarbeiter kommen selbst aus Afrika. Wenn sich das Gericht auf Verbrechen auf diesem Kontinent konzentriert, liegt das daran, dass die Menschen dort unter besonders viel Gewalt zu leiden haben. Vier der acht laufenden Ermittlungsverfahren in Afrika haben afrikanische Regierungen beantragt, zwei wurden dem Gericht vom UN-Sicherheitsrat zugewiesen. Im Nahen Osten, wo ebenfalls Menschheitsverbrechen begangen werden, ist das Tribunal meist nicht zuständig, da die Länder dort dem Gericht nicht beigetreten sind und der Sicherheitsrat zerstritten ist.

Der wahre Grund, warum etliche Machthaber Afrikas gegen das Tribunal hetzen, liegt darin, dass dieses unbequem geworden ist. Sudans Diktator Omar al-Baschir etwa wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Doch Präsident Zuma hält seine Hand über ihn, wie er überhaupt gute Beziehungen zu Despoten pflegt. So zerstört Zuma den Ruf Südafrikas in Sachen Menschenrechte, den Mandela erarbeitet hat.

Das Weltgericht aber erlebt, dass die Aufbruchstimmung der 90er-Jahre vorbei ist. Die Hoffnungen ins Völkerrecht und auf eine internationale Strafjustiz schwinden. So dürften am Ende wieder Tyrannen und Kriegsherren das letzte Wort haben - als Herrscher, und nicht als Angeklagte.

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