Vize-Kandidat Paul Ryan:Romneys Hardcore-Hoffnungsträger

Ist er der Retter der Republikaner? Oder der Polarisierer, der Wähler der Mitte abschreckt? Die Nomierung von Paul Ryan als Vizepräsidentschaftskandidaten bedeutet für Mitt Romney ein nicht unerhebliches Risiko. Beobachter rätseln, wie der 42-jährige Favorit der Tea Party die Wahl gewinnen soll.

Johannes Kuhn

Wer ist Paul Ryan? Retter der Republikaner 2012 oder Polarisierer, mit dessen Nominierung Präsidentschaftskandidat Mitt Romney seiner Partei keinen Gefallen tut? Wie Sarah Palin 2008 spaltet auch der diesjährige Vize der Republikaner die Nation - oder zumindest die meinungsstarke Gruppe der politischen Beobachter. Das liegt auch daran, dass der Kongressabgeordnete aus Wisconsin die ideale Projektionsfläche für Anhänger wie Gegner bildet. Paul Ryan hat viele Gesichter. Ein Überblick über die Facetten des Romney-Mitstreiters.

[] Der Poster-Boy des Wirtschaftsflügels

Bereits seit 2008 bastelt Ryan an seiner Vision, das Staatsbudget drastisch zu kürzen und dem Staat viele seiner bisherigen Aufgaben zu entziehen. Verbunden mit seiner Funktion als Vorsitzender des Haushaltsausschusses hat ihn dieses Projekt zum mächtigsten Finanz- und Wirtschaftspolitiker seiner Partei gemacht.

Mit dem Budgetplan, den der Haushaltsexperte im März durch das Repräsentantenhaus brachte, positionierte er sich als Anti-Obama: Bei einem Volumen von insgesamt fünf Billionen Dollar über das kommende Jahrzehnt sieht der Plan Einsparungen bei Lebensmittelhilfen und Krankenversicherungen für Arme vor. Unangetastet bleibt hingegen das Verteidigungsbudget, auch die Steuern für Reiche sollen sinken. Der liberale Thinktank "Center on Budget and Policy Priorities" bezeichnet das Programm als "Das Gegenteil von Robin Hood - auf Steroiden". Weil der Plan umstritten ist, außerdem in Umfragen und bei der Bevölkerung schlecht ankommt, hat sich Romney bereits davon distanziert und angekündigt, als Präsident seinen eigenen Plan vorzulegen.

Linktipps: Süddeutsche.de - Wie Ryan Amerika verändern will

Süddeutsche.de - Auf in den blutigen Klassenkampf

The New Yorker - Fussbudget

Wall Street Journal - Paul Ryan: The Roots of His Beliefs

[] Romneys Risiko-Kandidat

Auch wenn es spannendere Kandidaten für den Job des Vizepräsidenten gegeben hätte, wie etwa Marco Rubio, den beliebten kubanischstämmigen Senator aus Florida, oder Chris Christie, den volksnahen wie großmauligen Gouverneur New Jerseys: Mit der Nominierung Ryans geht Romney durchaus ein Risiko ein. Bei der Parteibasis ist der 42-Jährige zwar beliebt, doch wie stehen die Wähler aus der wahlentscheidenen politischen Mitte zu den radikalen Sozial- und Gesundheitskürzungen, die er vorschlägt?

Vor allem im Swing State Florida, wo viele Rentner leben, könnte Romney wichtige Stimmen verlieren, während die Zugewinne im Mittleren Westen für das Gesamtergebnis keine entscheidende Rolle spielen dürften. Einige Beobachter sind deshalb (etwas voreilig) der Meinung, Romney habe Ryan ausgewählt, um bei einer Wahlniederlage die konservative Rechte mitverantwortlich machen zu können und der Partei einen Weg zurück in die Mitte zu ebnen.

Linktipps: Washington Post - Why Do Conservatives want Paul Ryan to be Vice President?

The New Republic - The Psychology of the Ryan Pick

Wall Street Journal - Some Seniors Worry Over Ryan Selection

[] Obamas Gegenspieler ...

Nicht nur in seiner Funktion als Vorsitzender des Haushaltsausschusses kreuzte Ryan immer wieder die Wege von Obama. Als der Präsident 2010 eine parteiübergreifende sechsköpfige Kommission zur Reduzierung des Staatsdefizits einsetzte, machte er auch Ryan zum Mitglied. Als dieser dann jedoch einen gemeinsamen Sparvorschlag der beiden Ausschuss-Vorsitzenden ablehnte, scheiterte die Einigung zwischen Demokraten und Republikanern. Als Mitglied der selbsternannten "Young Guns" gehört er seitdem zu der Gruppe, die den Führer der republikanischen Mehrheit im Repräsentatenhaus und Sprecher des Hauses, John Boehner, immer wieder davon abgehalten haben, Haushaltskompromisse mit dem Weißen Haus einzugehen.

Umgekehrt verwendet Obama Ryans Pläne bereits länger als Beispiel, um die abgehobene, ungerechte Wirtschaftsphilosophie der Republikaner zu geißeln. Ryans Nominierung wird die Grundsatzfrage "Wie viel Staat braucht Amerika?" zu einem bestimmenden Wahlkampfthema machen.

Linktipp: New York Times - Ryan's Rise From Follower to G.O.P. Trailblazer

Der Washingtoner Insider, den die Tea Party liebt

[] ... der an Obama erinnert

Presidential Candidate Mitt Romney Campaigns with His Vice Presidential Pick Rep. Paul Ryan

Paul Ryan bei seiner Vorstellung als Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten: Das Gegenteil von Robin Hood.

(Foto: AFP)

Die New York Times weist darauf hin, dass die Karrieren Obamas und Ryans durchaus Parallelen aufweisen: Beide stammen aus dem Mittleren Westen, Ryan ist mit 42 Jahren so alt wie Mitt Romneys ältester Sohn. Auch Obama galt als äußerst junger Kandidat, der mit 47 Jahren einer der jüngsten Präsidenten aller Zeiten wurde. Anders als Romney bringt Ryan durchaus Charisma mit und wäre rhetorisch in einem direkten Rededuell gefährlicher für Obama als der ehemalige Gouverneur von Massachusetts.

Linktipp: New York Times - Obama and Paul Ryan Clash Over Ways to Reduce Deficit

[] Der Arm der Tea Party

Auch wenn die rechte Tea Party Washington noch nicht dominiert, baut sie ihre Macht in der Republikanischen Partei weiter aus. In den parteiinternen Vorwahlen vor den Kongresswahlen im November gewannen einige Favoriten der Bewegung gegen moderate Konservative. Die Skepsis des rechtslibertären Flügels gegenüber einem möglichen Präsidenten Romney dürfte mit Ryans Nominierung verfliegen: Der gilt spätestens seit seinem Steuerplan als Gesicht der Tea Party in Washington. New-York-Times-Kolumnist Paul Krugman ätzte deshalb bereits, Ryan sei kein nachdenklicher Konservativer, sondern ein "Hardcore-Rechter mit einer Abstimmungsbilanz, die so weit rechts wie die von Michele Bachmann liegt".

Linktipp: New York Times - Ryan Brings the Tea Party to the Ticket

Der Washingtoner Insider

Die Zuneigung der Tea Party überrascht umso mehr, als Ryan ein klassischer Hauptstadt-Insider ist. Schon seit dem 22. Lebensjahr agiert er in den Washingtoner Zirkeln, zunächst als Mitarbeiter von Senatoren und konservativen Thinktanks, seit 1998 als Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus. Wie Politico berichtet, hatte das Obama-Lager einen Vize-Kandidaten mit stärkerem Arbeiterklasse-Hintergrund wie Minnesotas Ex-Gouverneur Tim Pawlenty gefürchtet. Weil Ryan zudem mit einem geschätzten Vermögen von zwei bis sieben Millionen Dollar aus Beteiligungen an Firmen aus dem Energiesektor als wohlhabend gilt, dürften die Demokraten ihn schnell als "Mini-Mitt" porträtieren, heißt es.

Linktipp: Politico - Mitt Romney's high-road warrior

Am Montag wird es bereits zu einem ersten Fernduell zwischen Obama und Ryan kommen: Dann treten beide bei Wahlkampfveranstaltungen im Bundesstaat Illinois auf.

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