Visite in Ankara:Benedikt XVI. auf Versöhnungskurs

Papst Benedikt XVI. hat sich bei seinem Türkei-Besuch um versöhnliche Töne gegenüber seinen Gastgebern bemüht, zugleich aber Religionsfreiheit für Christen angemahnt. Aufsehen erregte Premier Tayyip Erdogan mit der Äußerung, der Pontifex befürworte einen EU-Beitritt der Türkei.

Kai Strittmatter

"Er sagte, er sei zwar kein Politiker, aber er wünsche sich, dass die Türkei in die EU kommt", berichtete Erdogan nach dem Treffen mit dem Papst in Ankara. Der Vatikan erklärte dazu später in einer Stellungnahme, er habe "nicht die Macht und nicht die besondere politische Aufgabe", in der Sache des EU-Beitritts zu intervenieren. Man ermutige jedoch "den Weg des Dialogs und der Annäherung in Europa". Der Papst warnte davor, Terror und Gewalt unter dem Vorwand der Religion zu rechtfertigen und betonte die Bedeutung der Religionsfreiheit. Jedoch hob er vor allem die Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen hervor. Er sei gekommen, weil er die Türkei als Brücke zwischen den Religionen betrachte. Bei seinem Treffen mit Ali Bardakoglu, dem Chef des türkischen Religionsamtes, sagte Benedikt XVI., beide Religionen teilten den Glauben "an den einen Gott". In Zeiten, in denen jeden Tag Blut fließe, brauche es den "Frieden zwischen den Religionen".

Visite in Ankara: Versöhnliche Töne: Papst Benedikt XVI. trifft Ali Bardakoglu.

Versöhnliche Töne: Papst Benedikt XVI. trifft Ali Bardakoglu.

(Foto: Foto: dpa)

Noch als Kardinal war Joseph Ratzinger einer der schärfsten Gegner eines EU-Beitritts der Türkei gewesen. In der Türkei war ihm dies übelgenommen worden, ebenso wie seine Regensburger Rede vom September, in der er in den Augen vieler Muslime den Propheten Mohammed beleidigte.

Das Bedauern des Papstes, der sich missverstanden fühlt, akzeptieren viele Gläubige in der Türkei noch immer nicht als Entschuldigung. So war es bis kurz vor der Ankunft des Papstes nicht sicher, ob es zu einem Treffen zwischen ihm und Premier Erdogan, einem frommen Muslim, kommen würde.

Dass dieser am Dienstag den Papst an der Treppe seines Flugzeuges empfing, wurde in türkischen Medien als "außergewöhnlich" und Zeichen besonderer Aufmerksamkeit gewertet. Seine Landsleute rief Erdogan auf, dem Papst die traditionelle Gastfreundschaft zu gewähren.

"Religionen des Friedens"

Der Papst hatte im Flugzeug zu Journalisten gesagt, er sehe seinen Besuch "nicht als politischen, sondern als seelsorgerischen, der den Dialog und die gemeinsame Bemühung um den Frieden zum Ziel hat". Nach seinem Gespräch mit Erdogan am Flughafen besuchte Benedikt das Mausoleum von Republikgründer Atatürk und wurde von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer empfangen.

Mit Spannung erwartet worden war sein Treffen am Abend mit Ali Bardakoglu. Bardakoglu ist ein renommierter Theologe und Herr über mehr als 70000 Moscheen und Imame im Land. Bardakoglu hatte Benedikt nach dessen Regensburger Rede scharf kritisiert, sich später aber zum Dialog bereiterklärt.

Beim Treffen mit dem Papst gab sich auch Bardakoglu versöhnlich. Alle drei monotheistischen Religionen seien "Religionen des Friedens", sagte er. Mit Blick auf die Islam-Kritik des Papstes sagte er aber auch, die Religionsführer sollten nicht "gefangen in Vorurteilen" sein.

Das Nebeneinander verschiedener Kulturen und Religionen solle als "Reichtum" angesehen werden. Bardakoglu rief alle Religionsführer zu verantwortungsvollem Handeln auf. Der Islam verurteile alle Formen von Terrorismus, betonte er. Die wachsende "Islamphobie" verletze jedoch alle Muslime. Der Papst unterstrich seine "große Wertschätzung für Muslime" und ermutigte zum gemeinsamen Einsatz mit anderen Gläubigen.

Während des viertägigen Besuches des Papstes gilt die höchste Sicherheitsstufe. Mehr als 3000 Polizisten sicherten in Ankara die Straßen, Scharfschützen waren auf den Dächern positioniert. Vor dem Gebäude der Religionsbehörde demonstrierte eine kleine Gruppe islamistischer Gewerkschaftsmitglieder. Am Abend sprach Papst Benedikt XVI. mit dem türkischen Vize-Ministerpräsidenten Mehmet Ali Sahin über die Probleme der katholischen Kirchengemeinden in der Türkei.

Thema seien etwa Eigentumsfragen gewesen, sagte ein Vatikansprecher. An diesem Mittwoch wird der Papst Ephesus besuchen und dann nach Istanbul weiterreisen, dem eigentlichen Ziel seines Besuches: Er will dort mit Bartholomäus I., dem ökumenischen Patriarchen der orthodoxen Christen, sprechen.

CSU-Chef stellt sich quer

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber bekräftigte seine Forderung, die Verhandlungen über den EU-Beitritt mit der Türkei einzufrieren.

"Meines Erachtens können keine weiteren Kapitel eröffnet werden, bis die Türkei ihre Verpflichtungen erfüllt hat", sagte Stoiber auf dem CDU-Parteitag in Dresden. Er reagierte damit auf das Scheitern der Gespräche des finnischen EU-Ratsvorsitzes mit Vertretern Zyperns und der Türkei.

Bei dem Streit geht es um die Öffnung türkischer Häfen und Flughäfen für Einfuhren aus der Republik Zypern und damit um die Anerkennung des EU-Mitglieds Zyperns durch Ankara. Stoiber warf der Türkei vor, in die europäische Familie aufgenommen werden zu wollen, als Bedingung aber zu fordern, das alte Familienmitglied Zypern auszuschließen.

Der bayerische Ministerpräsident sagte: "Die Türkei ist kein europäisches Land, und wer sie aufnimmt, ändert den Charakter Europas, und das will ich nicht." Stoiber betonte zugleich: "Wir wollen Freundschaft mit der Türkei."

Der katholische Sozialbischof Reinhard Marx sagte, er glaube nicht an einen baldigen EU-Beitritt der Türkei. Er halte dies schon aus außenpolitischen Gründen für schwierig, sagte der Bischof der Leipziger Volkszeitung.

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