Visa:So schwer ist die Reise nach Europa für Türken

Türkischer Pass mit Visumsantrag

Ein türkischer Pass in der Visastelle im deutschen Generalkonsulat in Istanbul

(Foto: dpa)

Ayhan Çetiner will seine Freunde in Deutschland besuchen. Dafür braucht er ein Visum. Am Ende landet das Flugticket im Müll.

Von Deniz Aykanat und Benedikt Peters

Ayhan Çetiner hat eine gut gehende Filmproduktionsfirma in Istanbul - und gute Freunde in Deutschland. Zum Oktoberfest will er sie sehen. Und beantragt viele Wochen vorher ein Visum beim deutschen Generalkonsulat. Dann bucht er ein Flugticket: Istanbul - München, Economy Class, 300 Euro. Doch das Oktoberfest geht ohne ihn los - weil das Visum nicht rechtzeitig kommt. Das Flugticket wandert in den Mülleimer.

Çetiner verdient sehr gut, und er ist in der türkischen Filmbranche kein Unbekannter. Er produziert zum Beispiel die Musikvideos von Tarkan, dem türkischen Sänger, der mit seinen Küssen die Welt eroberte. Dieses zum Beispiel:

Çetiners Geschäft ist untrennbar mit der Türkei verbunden. Dass er nicht mehr zurückkehren würde, ist kaum vorstellbar. Seine Freunde in Deutschland hatten ihm ein Einladungsschreiben ausgestellt, auf Deutsch und auf Türkisch. Sie haben ihre Adresse mitgeteilt und versichert, dass Çetiner während seines Urlaubs in Deutschland bei ihnen wohnt. Auch ein Rückflugticket konnte Çetiner vorweisen. Aber es half nichts.

Nach dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise diskutieren deutsche und europäische Politiker über mögliche Visa-Erleichterungen für die Türkei. Die hatte die Forderung auf den Tisch gebracht, als Gegenleistung für ihre Hilfe bei der Entschärfung des Flüchtlingsproblems. Doch vor allem deutsche Politiker bremsen: Man habe da "sehr große Bedenken", sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), CDU-Kollege Volker Kauder orakelte, für die Türkei würden "nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen".

Dabei ist es kein spontaner Wunsch, den die Türkei jetzt äußert, etwa weil der Moment günstig ist und sie aus dem europäischen Flüchtlingsproblem Kapital schlagen wolle. Eine erleichterte Einreise in die EU ist aus Sicht der Türken schlicht überfällig.

Für Deutsche ist der Weg in die Türkei ganz leicht

Deutsche Urlauber können sich gedankenlos auf den Weg nach Antalya oder Izmir machen, sie müssen nur an ihren Personalausweis denken. Dieser darf sogar bis zu einem Jahr abgelaufen sein. 90 Tage dürfen sie im Land bleiben.

Umgekehrt ist es viel komplizierter, nicht nur für Ayhan Çetiner. Sein Freund Reşit Demir zum Beispiel bewarb sich zwei Mal um Visa für einen Italienurlaub. Zwei Mal zahlte er 60 Euro Gebühren. Zweimal wurde er abgelehnt - und bekam dafür noch nicht einmal einen Grund genannt.

Oder Onur Alpozan. Der türkische Unternehmer besitzt mehrere Hotels und Restaurants in Istanbul. Als er mit seiner schwangeren deutschen Ehefrau die Schwiegereltern in Deutschland besuchen will, muss die alleine losfliegen. Die Liste könnte immer so weitergehen.

Das aktuelle Visa-Verfahren empfinden viele Türken als Tortur. Wer für bis zu 90 Tagen in den Schengen-Raum einreisen möchte, braucht ein sogenanntes C-Visum. Etliche Dokumente müssen beigebracht werden, zum Beispiel Kontoauszüge, Immobilienbesitz, Krankenversicherungsnachweise und Rückflugtickets. Und viel Geduld: Das Generalkonsulat in Istanbul warnt auf seiner Internetseite vor "längeren Bearbeitungszeiten". Nahegelegt wird, den Antrag schon drei Monate vor der Reise zu stellen. Hinzu kommen Gebühren: 60 Euro für das Visum. Außerdem empfiehlt die Botschaft, sich Hilfe von einem externen Dienstleister zu holen - das kostet noch einmal 26,27 Euro.

Natürlich haben die Visumsfragen auch eine wirtschaftliche Dimension. Zwar gibt es bereits enge Bande: Siemens, BASF und Daimler produzieren zum Beispiel in der Türkei. In den Einkaufszentren der Metropolen gibt es Saturn, Deichmann, Rossmann und Real. Türkische Geschäftsleute sind auch in Deutschland aktiv. Doch seit vielen Jahren klagen sie über harte Beschränkungen der Reisefreiheit und finanzielle Verluste.

Für Ayan Çetiner, den Filmproduzenten, gab es übrigens noch ein Happy End. Das Visum kam doch noch und er ging zum Oktoberfest - allerdings einige Tage später als geplant.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: