Vietnam:Wie sich Vietnam ins internationale Abseits manövrierte

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Der frühere Ölmanager Trinh Xuan Thanh (Mitte) soll mitten in Berlin vom Geheimdienst seines Landes verschleppt worden sein. (Foto: Doan Tan/Vietnam News Agency/AP)
  • In Hanoi hat der Prozess gegen den Ex-Manager Trinh Xuan Thanh begonnen. Ihm droht wegen Korruption die Todesstrafe.
  • Er wurde im Sommer 2017 aus Berlin entführt und in sein Heimatland verschleppt.
  • Mit der mutmaßlichen Geheimdienstaktion hat Vietnam sein internationales Ansehen schwer beschädigt.

Von Arne Perras, Singapur

Was hatte man sich nicht alles vorgenommen, damals, 2011, als die Kanzlerin nach Hanoi gereist war. Deutschland und Vietnam versicherten einander, wie gut es doch um die Beziehungen beider Länder stünde. War ja nicht selbstverständlich, dass zwei so unterschiedliche Systeme, eine Demokratie westlicher Prägung und ein kommunistischer Einparteienstaat, so gut miteinander kooperierten. Und Angela Merkel gab sich entschlossen, die Zusammenarbeit "auf noch bessere Füße" zu stellen. Schließlich vereinbarten die Länder zu diesem Zweck sogar eine "strategische Partnerschaft".

Doch dann wurde es im Sommer 2017 schlagartig frostig. Von diesem Temperatursturz haben sich die Beziehungen seither nicht erholt. Deutschland sagt, Vietnam wisse, was zu tun sei, um das Verhältnis wieder zu normalisieren. Doch jetzt hat erst mal dieser monströse Prozess in Hanoi begonnen, der kaum zuversichtlich stimmt. Annäherung? Da müssten die Deutschen zu dem Schluss kommen, dass hier ein rechtsstaatliches Verfahren läuft. Und das, wo alles begonnen hat wie in einem richtig fiesen Agentenkrimi.

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Vor Gericht stehen in einem Korruptionsverfahren 22 Angeklagte, Thrin Xuan Thanh, jener Mann, der sich nach Deutschland abgesetzt hatte, um dort Asyl zu beantragen. In einer mutmaßlichen Geheimdienstaktion wurde zurück nach Vietnam verschleppt. Im schlimmsten Fall droht ihm dort die Todesstrafe.

Während ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag noch einmal die Entführung als "völlig unakzeptablen Bruch des Völkerrechts und Vertrauensbruch" geißelte, nahm der erste Prozesstag in Hanoi seinen Lauf. Ausländische Medien waren nicht zugelassen. "Vietnam betrachtet dies als innere Angelegenheit", sagt der Analyst Carlyle Thayer. Allerdings gab die deutsche Regierung bekannt, sie habe Prozessbeobachter entsenden können, um das Verfahren besser einzuschätzen.

"Vietnam ist aus meiner Sicht kein Rechtsstaat," sagt die Berliner Anwältin Schlagenhauf

Der Australier Thayer, ein exzellenter Kenner des Landes, hat immer noch Mühe zu ergründen, was Vietnam eigentlich zu der Aktion in Berlin getrieben hat. "Unerklärlich", sagt der Analyst. Nur eines ist für ihn sicher: "Das Kidnapping von Thrin Xuan Thanh hat dem internationalen Ruf Vietnams erheblichen Schaden zugefügt." Viele Staaten hatten das asiatische Land im Aufschwung wie ihren "Darling" behandelt, sagt Thayer. Doch seit der Entführung dominiert erst einmal der Schock über die Skrupellosigkeit eines Polizeistaats, der auch vor internationalen Rechtsbrüchen nicht zurückzuschrecken scheint.

Ein faires Verfahren? Nach Ansicht der Berliner Anwältin Petra Schlagenhauf wird es das kaum geben können. Zwei Monate lang habe ihr Mandant in Hanoi gar keinen Zugang zu rechtlichem Beistand erhalten, sein vietnamesisches Verteidigerteam im Prozess bekam wenig Zeit, die Anklage zu studieren. "Vietnam ist aus meiner Sicht kein Rechtsstaat," sagt die Juristin, der vor Beginn des Prozesses die Einreise verweigert wurde.

Der Analyst Thayer kommt zu einem ähnlichen Schluss: "Es gibt in Vietnam keine unabhängigen Untersuchungen." In diesem Sinne ist jede Anklage politisch. Aber wie ist das Verfahren zu deuten? Steckt dahinter ein Machtkampf verschiedener Fraktionen der kommunistischen Partei? Ein scharfes Bild lässt sich bei derart intransparenten Verhältnissen kaum zeichnen. Doch hinreichend bekannt ist, dass unter dem früheren Premier Nguyen Tan Dung nicht nur die Wirtschaft rasante Zuwachsraten vorwies, sondern auch die Korruption in ungekanntem Ausmaß zu wuchern begann. Dungs Versuch, die Parteiführung zu übernehmen, scheiterte, der konservative Nguyen Phu Trong rückte an die Spitze der Partei.

Unter ihm treibt die Führung nun einen Anti-Korruptions-Kurs voran, der dem Volk demonstrieren soll, dass der Staat korrupter Auswüchse noch Herr werden könne. Er schreckt auch nicht davor zurück, die Todesstrafe für Wirtschaftsverbrechen zu verhängen, wie es bereits im September im Fall eines anderen Geschäftsmannes geschehen ist. "Der Staat will beweisen, dass er durchgreifen kann", sagt Thayer. Und er konzentriert sich auf mutmaßlich korrupte Funktionäre des Energie- und Bankensektors.

Wird der Ex-Manager Thanh, dem Missmanagement und Unterschlagung vorgeworfen werden, zum Tode verurteilt, muss sich Hanoi sogar auf Sanktionen anderer Staaten einstellen, glaubt Thayer. Wirtschaftlich wäre das schmerzhaft. Vietnam leidet unter einem großen Handelsdefizit mit China, den mühsam ausgehandelten Freihandelspakt im Pazifik, TPP, hat Donald Trump zerschlagen. Bliebe vor allem Europa, um das eigene Geschäft anzukurbeln. Der Vertrauensbruch gegenüber Deutschland aber hat viele EU-Staaten wachgerüttelt. Sie werden vorsichtiger sein als früher, wenn Delegationen aus Hanoi an ihre Tür klopfen.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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