Vietnam:Lebenslang statt Todesstrafe

Ein Gericht in Hanoi hat den aus Berlin entführten Vietnamesen wegen Korruption verurteilt. Seine Anwältin nennt das Verfahren "rechtswidrig".

Von Nico Fried und Arne Perras, Singapur/Berlin

Trinh Xuan Thanh

Im Juli 2017 verschwand Ex-Funktionär Thanh am Tiergarten.

(Foto: An Dang/AP)

Kaum waren die Worte der Richter in Hanoi verklungen, stufte die staatlich gelenkte Presse Vietnams das Urteil bereits als "Meilenstein im Kampf gegen die Korruption" ein. Die Online-Zei-tung VNExpress sprach von einem "historischen Verfahren". Am Morgen hatte das Gericht lebenslange Haft für Trinh Xuân Thanh verhängt, jenen aus Berlin entführten vietnamesischen Ex-Funktionär, dessen Fall seit Monaten die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam belastet.

Ausländische Reporter waren nicht zugelassen, um das Verfahren wegen Unterschlagung und Missmanagement im staatlichen Ölsektor zu beobachten. Dennoch hat kaum ein Prozess im kommunistischen Einparteienstaat je so viel internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das lag vor allem daran, wie Ex-Funktionär Thanh auf die Anklagebank gelangt war: Nach Erkenntnissen der Bundesregierung hatten mutmaßliche Geheimdienstagenten den nach Deutschland geflohenen Thanh im Sommer 2017 verschleppt. Dass der später im vietnamesischen Fernsehen angab, er sei freiwillig zurückgekehrt, dämpfte den Ärger nicht. Berlin beklagte einen schweren Rechtsbruch.

Der Fall Trinh Xuân Thanhs belastet die Beziehungen zwischen Berlin und Hanoi seit Monaten

Die Richter in Hanoi folgten dem beantragten Strafmaß der Anklage. Im Dezember berichteten vietnamesische Medien noch, dass Thanh die Todesstrafe drohe, erst im Oktober hatte das Gericht im Falle eines Bankfunktionärs die Höchststrafe ausgesprochen. Im Falle Thanhs aber sah die Anklage jetzt davon ab. Dennoch ist nicht sicher, ob Thanh der Giftspritze entgehen wird. Schon am Mittwoch beginnt ein weiterer Prozess, in dem die Richter noch einmal die Möglichkeit haben, die Todesstrafe zu verhängen.

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf das Urteil. Man habe der vietnamesischen Seite wiederholt die ablehnende Position Deutschlands gegenüber der Todesstrafe klargemacht, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Man nehme "zur Kenntnis", dass nun kein Todesurteil gesprochen worden sei. Es gebe "einen intensiven Gesprächsprozess" mit der vietnamesischen Seite. Der Regierung in Hanoi sei "sehr wohl bewusst, was wir von dem ganzen Vorgang halten".

Außerdem sagte die Sprecherin, die Möglichkeiten zur Beobachtung des Prozesses durch offizielle deutsche Vertreter seien korrekt gewesen. Man sehe "in gewisser Weise das Bemühen" um einen rechts-staatlichen Prozess. Zugleich gebe es "prozedurale Aspekte, die wir kritisch sehen". Man bedaure unter anderem, dass keine internationale Presse zugelassen und der deutschen Anwältin des Angeklagten die Einreise verweigert wurde. "Das ist eine Sache, die aus unserer Sicht nicht geht, und auch da haben wir sehr deutliche Worte gefunden", so die Sprecherin. Für eine weitergehende Bewertung sei es noch zu früh.

Thanhs Anwältin Petra Schlagenhauf protestierte gegen das "rechtswidrige Verfahren", das nicht hingenommen werden dürfe. Derlei Beschwerden beeindruckten in Hanoi bislang wenig, dort gehören große Korruptionsprozesse zur Strategie des Machterhalts. Die herrschende kommunistische Partei kann nicht abgewählt werden, dennoch muss sie beweisen, dass sie ihre Rolle zum Wohle des Volkes ausübt. "Sie steht unter großem Legitimierungsdruck", sagt Peter Girke, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Hanoi. "Deshalb setzt sie auf solche Prozesse gegen prominente Angeklagte, die dem Volk signalisieren sollen: Der Staat duldet es nicht, wenn sich Funktionäre bereichern."

Während die Führung darauf setzt, sich durch Anti-Korruptions-Kampagnen Sympathien im Volk zu sichern, haben die Prozesse laut Analysten auch maßgeblich mit inneren Machtkämpfen zu tun. Im nun beendeten Massenprozess wurden 22 Angeklagte verurteilt, darunter auch das ehemalige Politbüromitglied Dinh La Thang. Die meisten der Verurteilten gelten als Unterstützer des entmachteten Ex-Premiers Nguyen Tan Dung. Nun zementiert das Lager um Partei-Generalsekretär Nguyen Phu Trong seine Stellung - und nutzt dabei auch die Justiz. "Die Parteiführung demonstriert ihre Macht und fordert Gefolgschaft ein", sagt eine regierungsnahe Quelle in Hanoi, die anonym bleiben will.

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