EU-Kommissar:Empörung über rassistische und homophobe Äußerungen Oettingers

  • In einem dreiminütigem Video ist der designierte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger zu sehen, wie er über die "Pflicht-Homoehe" und Chinesen scherzt.
  • Den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer bezeichnet Oettinger als "Populist light".
  • Politiker verurteilen die Äußerungen und halten Oettinger für ungeeignet, politische Aufgaben zu übernehmen.

In einem auf Youtube veröffentlichten Video ist zu hören, wie Günther Oettinger, designierter EU-Haushaltskommissar, in durchaus problematischer Form über die Gleichberechtigung von homosexuellen Menschen spricht. Es ist eine von mehreren kontroversen Aussagen, über die jetzt diskutiert werden dürfte. Oettinger kritisiert gleichzeitig CSU-Chef Horst Seehofer als "Populist light", wettert über die Maut und macht sich über Altkanzler Gerhard Schröder lustig.

Es gibt eine weitere Aussage, die Sebastian Marquardt als "rassistisch" bezeichnet, die allerdings nicht auf den Aufnahmen zu hören ist. Marquardt arbeitet als Verleger, er nahm das Video mit seinem Smartphone auf. "Wenn Europa nicht in der Lage ist, Freihandelsabkommen erfolgreich zu verhandeln", soll Oettinger nach Angaben von Marquardt gesagt haben. Wenn man dazu nicht in der Lage sei, werde man sehen müssen, wie "Schlitzaugen und Schlitzohren" die Regeln bestimmen. Marquardt sagt, dass er mit der Aufnahme begonnen habe, nachdem und weil diese Aussage gefallen sei.

Anlass für Oettingers Rede war der "EuropAbend" des AGA Unternehmensverbands in Hamburg. Nach Angaben der AGA waren 200 Gäste vor Ort. Auf der Webseite der AGA werden Aussagen von Oettinger zitiert, die problematischen Passagen fehlen jedoch. Der AGA habe eine Kamera aufgestellt und die Rede zumindest in Teilen aufgenommen, sagt Marquardt zu SZ.de und fügt hinzu: "Oettinger konnte nicht davon ausgehen, dass das ein privater Zirkel ist. Davon kann man bei so einer Veranstaltung nicht ausgehen."

In einem Interview mit Welt online bezog der EU-Kommissar am Samstagabend Stellung. Angesprochen auf den rassistischen Begriff Schlitzaugen sagte er: "Das war eine etwas saloppe Äußerung, die in keinster Weise respektlos gegenüber China gemeint war." Grundsätzlich müsse man den Gesamtzusammenhang seiner Rede sehen. Es sei ihm darum gegangen, "Deutschland vor zu viel Selbstsicherheit zu warnen".

Zuvor hatten mehrere Politiker Oettinger scharf kritisiert. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte Spiegel online: "Jemand, der offene rassistische und homophobe Ressentiments bedient, disqualifiziert sich für politische Spitzenpositionen.". Eine Anspielung auf Oettingers neue Position als EU-Haushaltskommissar, eines der wichtigsten Ämter in der EU. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sah es ähnlich. "Er hat sich wirklich disqualifiziert für jetzige, aber insbesondere neue Aufgaben", schrieb er auf Twitter.

Oettinger spricht knapp dreieinhalb Minuten

In dem von Marquardt veröffentlichten Segment spricht Oettinger knapp drei Minuten, wechselt zwischen ernsten Politik-Diagnosen und dem, was er als launigen Teil der Rede konzipiert haben dürfte. Er beschwert sich über die Bürokratie in Deutschland. "Es geht, meine Damen und Herren, um Governance; um die Frage der Regierungskunst. Um die Frage, ob man handlungsfähig ist", sagt Oettinger ernst.

Oettinger witzelt wiederum über neun chinesische Minister, die in der vergangenen Woche zu Verhandlungen in in die EU gereist waren. "Neun Männer, eine Partei. Keine Demokratie. Keine Frauenquote. Keine Frauen, folgerichtig", sagt Oettinger. Auf der Aufnahme ist Gelächter zu hören. "Alle Haare von links nach rechts, mit schwarzer Schuhcreme gekämmt", fügt er noch hinzu.

Der Variante aus China stellt Oettinger nun eine andere Situation gegenüber. "Und wir? Wir haben bald mehr Gremien als Einwohner." Ob sich dieses "Wir" auf Deutschland bezieht oder auf Europa, ist aus dem Kontext nicht ersichtlich. Marquardt sagt, dass Oettinger sich auf die EU bezogen habe.

Den Deutschen gehe es zu gut

Im weiteren Verlauf spricht Oettinger über Deutschland. Den Deutschen gehe es zu gut, deshalb hätten sie "Flausen im Kopf". Nur so sei zu erklären, dass die Rente mit 63 und die Mütterrente eingeführt werde. In diesem Kontext nennt Oettinger den Ministerpräsidenten Seehofer einen "Populist light".

"Die deutsche Tagesordnung genügt meiner Erwartung an deutsche Verantwortung in keiner Form", sagt Oettinger. Diese Tagesordnung beschreibt er wie folgt: "Die deutsche Tagesordnung mit Mütterrente, Mindestrente, Rente mit 63, Betreuungsgeld, der komischen Maut, die aber nicht kommen wird. Bald noch mit einer Pflicht-Homoehe, wenn sie eingeführt wird." Es ist Gelächter zu hören.

"Was ist denn so schlimm daran, wenn eine Seite einen Anwalt ihres Vertrauens benennt und die andere einen ihres Vertrauens und ein Dritter gemeinsam benannt wird? So wie Gerhard Schröder jetzt Tengelmann und Kaiser retten soll", sagt Oettinger an anderer Stelle und führt weiter aus: "(Er) Hat ja auch Zeit. Nordstream 2 wird nicht gebaut, die Frau ist weg." Nach Medienberichten ließen sich Gerhard Schröder und Doris Schröder-Kopf scheiden.

Grundsätzlich pro-europäische Rede

Marquardt sagt, dass die Rede grundsätzlich pro-europäisch gewesen sei. Oettinger spricht davon, dass man sich entscheiden müsse: "Wollen wir die Welt von morgen ein bisschen mitgestalten? Wollen wir nur S-Klasse oder wollen wir auch Werte exportieren? Wollen wir unser Menschenbild einbringen in die globale Diskussion?"

Doch dieses Menschenbild habe Oettinger in dieser Rede nicht transportiert, meint Marquardt: "Was er im weiteren Verlauf gesagt hat, ist kein humanistisches Weltbild. Es ist homophob, rassistisch und frauenfeindlich." Marquardt fügt hinzu: "Als überzeugter Europäer will ich nicht von einem Politiker mit diesem Menschenbild, nicht in der Kommission und auf der internationalen Bühne, vertreten werden."

Marquardt sei nach der Veranstaltung zu Oettinger gegangen und habe ihm für "das erfrischende Stück Rassismus" gedankt. Oettinger habe ihn verständnislos angeschaut und erwidert: "Ja, was denn? Es ist doch so."

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