Veteranen des Zweiten Weltkriegs:Die vielen Gesichter der Roten Armee

Kirgisen, Turkmenen, Armenier - Soldaten aus 15 Volksgruppen kämpften in der sowjetischen Armee gegen Nazideutschland. Noch lebende Veteranen werden überall geehrt, doch manch frühere Teilrepublik versucht von Russland abzugrenzen.

Von Antonie Rietzschel

9 Bilder

Wider Image: Soviet WWII Veterans

Quelle: Sergei Karpukhin/Reuters

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Am 9. Mai begeht Russland den Djen Pobedy. Mit einer großen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau erinnert das Land jedes Jahr an den Sieg über Nazideutschland (Text über die Bedeutung des Tages). 70 Jahre ist das mittlerweile her. Doch trotz des großen Jubiläums haben viele Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme abgesagt.

Bei den Feierlichkeiten werden auch noch lebende Kriegsveteranen geehrt. Fotografen der Nachrichtenagentur Reuters haben einige von ihnen fotografiert: ikonografisch, im Anzug und mit Orden, aber auch im heimischen Wohnzimmer. Einer von ihnen ist Boris Runow. Der 89-Jährige diente von 1943 bis 1945 als Pionier. Zu Kriegsende war er in Deutschland.

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Quelle: Vladimir Pirogov/Reuters

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Im Zweiten Weltkrieg kämpften vor allem Russen - aber auch Menschen aus den 14 weiteren sowjetischen Teilrepubliken. Abla Begalijew etwa kommt aus Kirgisistan und kämpfte während des Zweiten Weltkriegs in dem militärischen Verband "Ukrainische Front". Als der Krieg endete, fand er sich in Afghanistan wieder.

Die zentralasiatischen Länder hat die einstige Besetzung durch die Sowjetunion in eine regelrechte Identitätskrise gestürzt. Ihre Sprache und traditionelle Kleidung waren verboten, heute versuchen sie an ihre Kultur wieder anzuknüpfen. Der 91-Jährige Begalijew kommt aus einem Dorf, südlich der Hauptstadt von Bischkek. Als junger Mann trug er die Uniform eines Soldaten, auf den jüngsten Fotos erinnern die Orden an diesen Teil der Vergangenheit. Auf dem Kopf trägt er den kirgisischen Kalpak, eine traditionelle Kopfbedeckung aus Filz. Für das untere Bild hat er einen Mantel angezogen, der nur bei besonderen Anlässen getragen wird. Typisch kirgisische Muster schmücken die Teppiche auf den Stühlen.

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Quelle: REUTERS

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Auch Cholik Chojajew trägt eine traditionelle Kopfbedeckung zum vollen Ordanat - die Tjubetejka. Der mittlerweile 91 Jahre alte Tadschike diente von 1942 bis 1946 in der Roten Armee.

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Quelle: REUTERS

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Für den Fotografen posiert Kustawlet Tasibajew zuhause im traditionellen Gewand. Der 90-Jährige lebt in der Stadt Talgar, im Süden Kasachstans. Tasibajew war sieben Jahre Soldat in der Sowjetarmee, gegen Kriegsende war er in Port Arthur in Japan im Einsatz.

Auch Kasachstan versucht seit dem Ende der Sowjetunion eine eigene Identität zu finden. Das Land war für Stalin ein Ort für ihm ungenehme Volksgruppen. Hierher ließ er Millionen Menschen deportieren, darunter Deutsche, Koreaner, Tschetschenen, Tartaren. Als Kasachstan 1991 unabhängig wurde, waren gerade mal 40 Prozent der Einwohner ethnische Kasachen, die meisten konnten ihre eigene Sprache nicht sprechen. Ihre Vorfahren waren Nomaden und haben kaum handschriftliche Zeugnisse hinterlassen.

Seitdem entstand nicht nur eine neue Flagge, sondern eine neue Hauptstadt im Norden. Wer heute im öffentlichen Bereich arbeiten will, muss kasachisch sprechen, viele Straßenschilder sind nur noch einsprachig. Nicht-ethnische Kasachen fühlen sich zunehmend an den Rand gedrängt (über die Schwierigkeiten der Identitätsfindung hier mehr).

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Quelle: REUTERS

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Usokboi Achrajew diente sieben Jahre in der Artillerie der Sowjetarmee. Zu Kriegsende befand er sich in Berlin, mehr als 5000 Kilometer von seiner Heimat entfernt. Der 90-Jährige lebt in Usbekistan. Das obere rechte Foto zeigt ihn vor der Juma-Moschee in Taschkent. Zuhause hängt an der Wand ein Foto von Achrajew und dem früheren russischen Präsidenten Boris Jelzin.

In vielen zentralasiatischen Städten finden sich immer noch riesige sowjetische Monumente, die an den Sieg der Sowjetarmee erinnern. Sie dienen auch als Kulisse für Hochzeitsfotos. Doch in Usbekistan tut man sich schwer mit dem Erbe. Beamte der Stadt Angren ließen ein zehn Meter hohes Monument zerstören, das seit 1970 an den Sieg über Nazideutschland erinnert. Am 9. Mai wird in Usbekistan auch nicht der Tag des Sieges begangen, sondern der Tag des Erinnerns. Der usbekische Präsident Islam Karimow hat wiederholt erklärt, die Sowjetunion habe sinnlos das Leben tausender Usbeken geopfert, das Land leide bis heute unter dem Verlust. Ihrer soll an diesem Tag gedacht werden.

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Quelle: Aman Mehinli/Reuters

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Nach dem Ende der Sowjetunion haben sich einige der Republiken dramatisch verändert. Turkmenistan ist eines der isoliertesten Länder weltweit. Bis 2006 herrschte hier der selbst ernannte Turkmenbashi (Anführer der Turkmenen), der die Opposition unterdrückte und sich selbst zum Propheten ausriefen ließ (25 Fakten zu Turkmenbashi). Auch unter der Führung von Präsident Gurbanguli Berdimuchamedow gilt das Regime als repressiv.

Aus Turkmenistan stammt Guwanch Miratlijev. Der 89-Jährige steht vor der Turkmenbaschi-Moschee in der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat. Während des Zweiten Weltkrieg diente er in der baltischen Flotte der Sowjetunion. Als der Krieg endete, befand sich der Soldat im ostpreussischen Königsberg.

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Quelle: REUTERS

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Allachwerdi Alijew hat die wechselhafte Geschichte des Landes miterlebt. Als die Rote Armee 1920 Aserbaidschan besetzte, war er sieben Jahre alt. Als die Sowjetunion in den Krieg gegen Nazideutschland zog, war er einer von mehr als 600 000 Aserbaidschaner, die an die Front geschickt wurden. Alijew wurde verwundet, das Ende des Krieges erlebte er in einem Krankenhaus in Warschau. Heute ist er 102 Jahre alt.

Auch Aserbaidschan zählt heute zu den repressivsten Staaten weltweit. Regierungskritiker werfen der Führung in Baku vor, noch autoritärer als die russische Russland zu agieren.

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Quelle: REUTERS

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800 000 Frauen sollen in der Sowjetarmee gedient haben, meistens waren sie als Sanitäter im Einsatz. Rotsalia Abgarjan war von 1941 bis 1945 Soldatin in der Armee. Ursprünglich stammt sie aus Armenien. Der Krieg führte sie jedoch bis nach Prag, das die Deutschen erst im Mai 1945 räumten. Für den Fotograf posiert die heute 91-Jährige vor der Kathedrale der armenischen Stadt Etschmiadsin.

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Quelle: Gleb Garanich/Reuters

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Valentina Kusinich steht vor dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Zusätzlich zu den Sowjetorden trägt sie um den Hals eine ukrainische Auszeichnung. Die heute 94-Jährige war während des Zweiten Weltkriegs Sanitäterin in einer Panzerstaffel. Bis 1946 blieb sie in der Armee. In der Ukraine fiel 2014 die Militärparade zum Tag des Sieges aus. In diesem Jahr finden die Feierlichkeiten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieg herrscht im Land wieder Krieg und die Führung in Kiew fürchtet einen terroristischen Anschlag.

© SZ.de/odg
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