Vertrauensfrage:Die Linke - auf einmal linientreu

Es ist paradox: Oft gab es in der rot-grünen Koalition unerwünschte Abweichler. Jetzt, da bei der Vertrauensfrage ein paar Nein-Stimmen erwünscht wären, wollen die unsicheren Kantonisten für den Kanzler stimmen. Sie würden Schröder so zu einem Sieg verhelfen, der eine Niederlage wäre.

Die Grünen halten die Ankündigung der SPD, Neuwahlen per Vertrauensfrage erzwingen zu wollen, für verfassungsrechtlich problematisch. Der rechtspolitische Experte der Grünen, Jerzy Montag, schreibt in einem Gutachten für seine Bundestagsfraktion, das Verfassungsgericht habe hohe Hürden vor eine Auflösung des Bundestags gestellt.

Unter anderem dürfe sich der Bundeskanzler "der stetigen parlamentarischen Unterstützung durch die Mehrheit des Bundestags" nicht mehr sicher sein. "Eine solche Situation ist zur Zeit im Bundestag noch nicht gegeben", heißt es in der Vorlage Montags. Gerhard Schröder könne sich "auf eine knappe, aber stabile Mehrheit" stützen.

"Wenn der Kanzler erklären will, dass er sich seiner Mehrheit nicht mehr sicher ist, dann muss er sich dies in der SPD-Fraktion suchen", sagte Montag in der ARD zur Frage, ob ausreichend viele rot-grüne Abgeordnete dem Bundeskanzler am 1. Juli nicht das Vertrauen aussprechen werden.

Auch in der SPD wächst der Widerstand gegen die von Bundeskanzler Schröder und SPD-Chef Müntefering angestrebte Neuwahl. Vor allem die 60 Abgeordneten in der nordrhein-westfälischen Landesgruppe würden nicht einsehen, warum sie dem Kanzler das Vertrauen entziehen sollten, berichtet "Die Welt".

"Es gibt keinen Grund, Schröder das Vertrauen zu entziehen"

Der Vorsitzende Hans-Peter Kemper sowie die Abgeordneten Ulla Burchardt (Dortmund), Hans-Ulrich Krüger (Wesel) und Axel Schäfer (Bochum) sollen auf einer Landesgruppensitzung am Mittwoch starke Kritik am Vorgehen des Kanzlers geübt haben.

Kemper sagte Teilnehmern zufolge: "Gerhard Schröder ist ein guter Kanzler. Es gebe keinen Grund, ihm das Vertrauen zu entziehen."

Die von SPD-Chef Franz Müntefering und Schröder angeführten Gründe für Neuwahlen, etwa die Blockademehrheit der Union im Bundesrat, taugten nur als Argumente für einen Ausstieg aus der Regierung, soll Kemper gesagt haben. Es sei kein einziges Argument dabei, die rot-grüne Regierung fortzuführen und die Bundestagswahl zu gewinnen.

Denn die Mehrheit im Bundesrat setze sich anschließend nicht anders zusammen und die Staatskassen würden so leer sein wie vor der Wahl. Um diese noch gewinnen zu können, seien "nach vorn gerichtete Argumente nötig", soll Kemper nach Teilnehmerberichten gesagt haben.

Die NRW-Abgeordneten sollen ihre Bedenken auch auf der Sondersitzung der Bundestagsfraktion vorgetragen haben.

Müller: Regierungsfähigkeit zerstört

SPD-Fraktionsvize Michael Müller rechnet trotz des Unmuts in seiner Partei fest mit einer Auflösung des Bundestags durch eine Vertrauensfrage von Kanzler Gerhard Schröder. "Wir werden da schon einen Weg finden, der wird im Moment vorbereitet", sagte Müller am Freitag im ZDF. Das Problem sei nicht "das Vertrauen nach innen, sondern die Zerstörung der Regierungsfähigkeit von außen". Müller sagte weiter: "Wir können es nicht zulassen, dass die Republik immer mehr dahindümpelt durch eine Blockadepolitik."

Auch unter den deutschen Staatsrechtlern ist das geplante Vorgehen der Sozialdemokraten umstritten. So bezeichnete etwa Volker Epping (Hannover) die Begründung von SPD-Chef Franz Müntefering als "verfassungswidrig".

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