Verteidigungsminister Guttenberg:Der selbstverliebte Darling

Lesezeit: 3 min

Die Kundus-Affäre und die Verkürzung der Wehrpflicht: Verteidigungsminister Guttenberg agiert erratisch und leistet sich gravierende Fehler. Dennoch ist er beliebt wie kein anderer deutscher Politiker.

Kurt Kister

Karl-Theodor zu Guttenberg hat geschafft, was sonst nur Außenministern gelingt, wenn sie nicht gerade Guido Westerwelle heißen: Ohne besondere Leistungen im Amt erbracht zu haben, ist Guttenberg zum populärsten Politiker in Deutschland avanciert. Mehr als zwei Drittel der Wähler finden den bayerischen Adeligen sympathisch. Für einen Politiker ist diese nahezu leistungsunabhängige Zustimmung ein enormes Kapital.

Wenn Guttenberg nicht einen skandalösen Fehler macht, wird er noch lange in der Spitzenpolitik präsent bleiben - zumal da er der CSU angehört, die sonst Verwaltungscharismatiker wie Edmund Stoiber oder bauernschlaue Großprovinzler wie Horst Seehofer hervorbringt. Das Modell Guttenberg, bodenständiger Weltmann mit Manieren, ist für die CSU neu und für viele Deutsche offenbar attraktiv. Verschlüge es Guttenberg gar ins Außenministerium - was die deutsche Politgeographie nahezu unmöglich macht -, gäbe es für ihn kaum eine Grenze mehr.

Guttenbergs Darling-Faktor hat bisher nicht unter den sichtbaren Fehlern gelitten, die er als Verteidigungsminister bereits gemacht oder zu verantworten hat. Vor allem zwei sind zu nennen: die Kundus-Affäre und die Verkürzung der Wehrpflicht.

Erstere hat gezeigt, wie ein zu selbstsicherer, weil selbstverliebter Politiker in einem für ihn neuen Amt Führungsstärke demonstrieren wollte, dies aber erratisch und auf dem Rücken Untergebener tat. Dieser Fehler lag im Charakter Guttenbergs begründet.

Die Verkürzung der Wehrpflicht dagegen ist ein politisch-strategischer Fehler. Zwei sich widersprechende Koalitionspartner fanden einen schlechten Kompromiss, der weder dem Überleben der Wehrpflichtarmee dient (das will die Union) noch das Aussetzen der Wehrpflicht (so möchte es die FDP) befördert.

Der einzige Sinn der Kappung der Dienstzeit auf eine militärisch wie militärpolitisch sinnlose Kürze liegt darin, dass wieder einer jener für Union und FDP angeblich gesichtswahrenden Kuhhändel geschlossen wurde. Diese Form des Primats der Politik über die Armee ist schädlich. Ein guter Verteidigungsminister würde sich wehren. Guttenberg aber beschleunigt die ganze Angelegenheit noch.

Die Wehrpflicht war die Wehrform des 19. und 20.Jahrhunderts. Hier spielten Massenarmeen die entscheidende Rolle, unabhängig vom politischen Zweck. Es gibt keine Wehrform, die charakteristisch ist für die Demokratie. Hitlers Wehrmacht bestand ebenso aus Wehrpflichtigen wie Bundeswehr und NVA.

Die Tatsache, dass die Bundeswehr lange Zeit eine kopfstarke Wehrpflichtarmee war, hatte mit der Art der Bedrohung in Europa, aber auch mit der Beschränkung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung zu tun.

Die Zeiten haben sich grundlegend geändert, was die Armee so nicht nachvollzogen hat. Union und SPD haben lange in nahezu ideologischer Sturheit an der Wehrpflicht festgehalten, obwohl es in Europa keine militärische Bedrohung mehr gibt, obwohl aus der regionalen Abschreckungsarmee eine Truppe weltweiter Einsätze geworden ist, obwohl Nato-Nachbarn nur Freiwilligenarmeen unterhalten, obwohl die Wehrpflicht zum selektiven Dienst derer, die wollen oder derer, die sich nicht wehren, mutiert ist.

Wenn jetzt auch noch die Dienstzeitverkürzung auf sechs Monate eintritt, produziert die Bundeswehr schlecht ausgebildete Soldätchen, die sie höchstens als Kurzzeitgehilfen für die richtigen Soldaten, also die Freiwilligen, einsetzen kann. Selbst als Reservisten taugen die Halbjährlinge wenig, weil es anders als im Kalten Krieg eines großen Reserveheeres nicht mehr bedarf, und weil außerdem Geld und Personal fehlen, um Reservisten in Ausbildung zu halten.

Nun interessieren sich in Deutschland jenseits des Streits um Afghanistan nicht mehr viele fürs Militär. Leider hat man bei Guttenberg auch den Eindruck, dass es ihm mehr um große Ideen und tolle Symbole geht als um so schwierige Dinge wie die Armeestruktur oder den neuen Elite-Kult im Heer. Für Guttenberg ist der Bendler-Block wohl in erster Linie Karriere-Station - so hat er sich auch gegenüber etlichen Leuten dort verhalten.

Zu ihren aktiven Zeiten waren General Schneiderhan und Staatssekretär Wichert selbstbewusste Männer, die manchmal, der Beamte häufiger als der General, so agierten, als seien sie selbst Minister. Das klappte mit Franz Josef Jung gut, denn der war eher ein Abteilungsleiter und Freund der Oberstabsfeldwebel.

Guttenberg dagegen wurde bereits mit zwei Sternen geboren, und wenn einer, der gut reden kann, etwas nicht so gern mag, dann ist es das Zuhören. Minister dieses Zuschnitts kollidieren zwangsläufig mit dem Ministerialapparat.

Jenseits der Tatsache, dass die Bombardierung der Sandbank von Kundus der folgenschwerste Fehler in der Geschichte der Bundeswehr war, gibt es auch kaum ein so gravierendes Beispiel einer Fehleinschätzung durch einen Minister wie Guttenbergs später revidierte Bewertung, der Angriff sei militärisch angemessen gewesen. Hätte er jene Dokumente, die ihm vorlagen, gelesen und verstanden, hätte er zumindest vorsichtiger sein müssen.

Weil er so ist, wie er ist, war er nicht vorsichtig. Und daran ist kein General und kein Staatssekretär schuld.

© SZ vom 19.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: