Verteidigungsminister Guttenberg:Der professionelle Nachfolger

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Wo immer in den vergangenen Monaten ein Amt zu besetzen war, stand Politstar Guttenberg bereit. Ihm wurde Erfolg zugeschrieben, bevor er ihn nachweisen konnte - jetzt stolpert er in der Kundus-Affäre.

Kurt Kister

Allmählich wird der Ton so, als stünden wir wieder bei Stalingrad in Abwehrgefechten. "Die Bundeswehr vertraut auf die Rückendeckung aus der Heimat", teilt der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion und Oberst der Reserve Ernst-Reinhard Beck mit. "Alles, was weiteren Vertrauensverlust befördert, hat zu unterbleiben." Jawoll, Herr Oberst. Kritik wird eingestellt.

Vielleicht kann er besser Ämter kurzfristig übernehmen, als langfristig führen: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). (Foto: Foto: Reuters)

Die Kundus-Affäre ist zweigeteilt. Der erste Teil ist ein militärischer, und er ist so gelagert, dass man als Zivilist das Vertrauen zu manch einem Soldaten verlieren könnte. Ein Oberst, sein Fliegerleitoffizier und wohl mindestens auch ein KSK-Soldat haben in der Nacht des 4. September durch eine Kette von Entschlüssen dafür gesorgt, dass bis zu 140 Menschen ihr Leben verloren - darunter mutmaßlich eine erkleckliche Anzahl feindlich gesinnter Kämpfer, aber eben auch sogenannte Unbeteiligte.

Es spricht vieles dafür, dass dieser Einsatz unangemessen, vorschriftswidrig und sogar im engeren Sinne militärisch unnötig war - abgesehen von der moralischen Dimension.

Der zweite Teil der Affäre spielt in Berlin: Wer hat wann was gesagt, wann wurde gelogen und wer, bis hinauf zur Kanzlerin, wusste was? Man mag, wie das bei Affären so ist, an Watergate denken. Damals gab es den Einbruch der republikanischen Dunkelmänner ins Wahlbüro der Demokraten im Washingtoner Watergate-Komplex. Das war übel, aber es hätte eigentlich nicht für einen Skandal ausgereicht.

Dann aber begann das Verbiegen, Vertuschen, Lügen durch Agenten, Minister und letztlich den Präsidenten. Aus der Affäre wurde ein Skandal, hohe Beamte traten zurück, Minister, und zuletzt stürzte auch der Präsident selbst.

Drei politische Opfer

In der Kundus-Affäre gibt es bisher drei politische Opfer. Verteidigungsminister Jung hatte sich, geschoben von Angela Merkel, zum Rücktritt entschlossen, weil klar war, dass er die Unwahrheit gesagt hatte - ob wissentlich oder fahrlässig wird vielleicht der Untersuchungsausschuss erweisen.

Die anderen beiden, Staatssekretär Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan, wurden vom neuen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg gefeuert. Über die Gründe dafür gibt es verschiedene Versionen. In jedem Fall hat Guttenbergs Nachmittag der langen Messer zu dem geführt, was der Unions-Abgeordnete Beck gerne vermeiden möchte: Vertrauensverlust der Truppe in die Zivilisten, und zwar natürlich: in den Zivilisten Karl-Theodor zu Guttenberg.

Im Moment steht Guttenberg im Zentrum des Berliner Teils der Affäre. Und weil das so ist, genießt diese Affäre eine noch größere Aufmerksamkeit.

Karl-Theodor zu Guttenberg
:Der inszenierte Minister

Bundesverteidigungsminister Guttenberg weiß, welche Bilder ankommen. Erst rückte er sich sich in Afghanistan ins rechte Bild. Nun ist Berlin wieder seine Bühne.

Guttenberg galt bis vor kurzem als Star in einem langweiligen Kabinett voller verkniffener Rechthaber. Die jedem sonderbaren Gedanken zugängige Kleinstgruppe der Großkommentatoren und Hintergrundkreisanalytiker zwischen Café Einstein und Grill Royal entdeckte in dem Franken ungeheueres Potential: nämlich die personifizierte Wiederkehr der besten Werte im deutschen Adel, das seltene Schauspiel gut aussehender Intelligenz, den Reservekanzler gar. Chefrauner sprachen vom "Phänomen Guttenberg".

Karl-Theodor zu Guttenberg
:Baron Bundesminister

Der beliebteste, bestangezogene, als Direktkandidat erfolgreichste Politiker Deutschlands heißt Karl-Theodor zu Guttenberg. Die steile Karriere des Wirtschaftsministers in Bildern.

Je höher sie steigen, desto tiefer fallen sie, heißt ein alter Spruch. Nun ist Guttenberg aber gar nicht selbsttätig so hoch gestiegen, sondern er ist der Fall jenes Bergtouristen, der von Führern auf alle möglichen Gipfel gebracht wird.

Als Horst Seehofer in einer personell wie politisch bemerkenswert maroden CSU nach neuen Leuten, einem Generalsekretär, suchte, fand er Guttenberg. Als Michael Glos aus dem Wirtschaftsministerium floh, fanden Seehofer und damit auch Angela Merkel wiederum: Guttenberg. Und als Merkel sehr schnell einen Nachfolger für Jung brauchte, den sie auch in ihrer zweiten Kanzlerschaft wider besseres Wissen im Amt halten wollte, da stand schon wieder bereit: der mittlerweile professionelle Nachfolger Guttenberg.

Es mag sein, dass er im kurzfristigen Übernehmen von Ämtern viel besser ist als im langfristigen Führen dieser Ämter. Beim Übernehmen nämlich zählt der äußere Eindruck.

Es gibt niemanden, der nicht behaupten würde, dass Karl-Theodor zu Guttenberg meistens einen guten Eindruck machen kann. Raunzköpfe wie Peer Steinbrück oder Wolfgang Schäuble können das nicht; Sichselbstimwegsteher wie Frank-Walter Steinmeier oder Franz Josef Jung auch nicht.

Der Baron zu Guttenberg aber gehört schon phänotypisch zu den Erfolgreichen, seine irgendwie dezenten 1000-Euro-Klamotten, seine Jovialität und vor allem seine nie versiegenden Wörter machen ihn nahezu zum Prototypen des öffentlichen Politikers. Er spricht und spricht und lächelt und spricht, und zwischendurch lässt er sich fotografieren.

Als Guttenberg ein paar Wochen im Wirtschaftsministerium gewirkt hatte, sagte ein Hochrangiger dort, man wisse zwar nicht genau, was er mache, aber alle fänden ihn netter als den Glos. Guttenberg wird Erfolg zugeschrieben, bevor er noch Erfolg nachweisen kann. Man nimmt einfach an, dass der Erfolg in der Nähe von Männern - gibt es diesen Typ eigentlich auch bei Frauen? - wie Karl-Theodor zu Guttenberg wohnen muss.

Auch in der Kundus-Affäre hat Guttenberg das getan, was er so gut kann: Er hat gesprochen, viel und sehr Unterschiedliches. Zunächst hat er gesagt, der Luftschlag sei militärisch in Ordnung, dann hat er gesagt, er sei es nicht. Zunächst hat er gesagt, er werde den Oberst Klein stützen, jetzt sagt er zwar nicht, dass er ihn nicht mehr stützt, aber er tut es nicht mehr.

Guttenberg ist dem Fluch jener Politiker erlegen, die stets öffentlich sind, dauernd auf Sendung: Er sagt immer überall zu allem etwas. Das geht als Generalsekretär, als Wirtschaftsminister kann es schon problematisch werden (Opel), als Verteidigungsminister mit den Stiefelabsätzen im Schlamm von Kundus kann es einen unter Umständen zu Fall bringen.

Nein, Karl-Theodor zu Guttenberg ist nicht, wie das die Revisionisten unter den Berliner Welterklärern jetzt meinen, hochgeschrieben worden und wird nun wieder heruntergeschrieben. Gewiss, in der Beurteilung des Herrn zu Guttenberg sind manche, vielleicht sogar viele den Bergführern Horst Seehofer und Angela Merkel gefolgt - nach dem Motto: Wenn man einen so jungen Mann so hoch oben trifft, dann muss er doch mehr als ein Tourist sein!

Aber die Wahrheit ist eben auch, dass Guttenberg Fehler gemacht hat in der Kundus-Affäre. Er hat nicht gelesen, was er hätte lesen sollen, und zumindest im Falle des Isaf-Berichts hat er auch nicht verstanden, was er angeblich gelesen hatte. Seine Selbstsicherheit hat ihn zum Schwätzen verleitet. Und weil er sich bis zu einem gewissen Grad für so strahlend hält, wie manche sagen, sucht er auch jene, die an dem schuld sind, was er nicht hätte sagen sollen. Zwei hat er schon gefunden. Den Staatssekretär und den Generalinspekteur.

© SZ vom 15.12.2009/rasa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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