Versuchte Einflussnahme auf das FBI:Trump ist sich selbst der schlimmste Feind

  • Nach dem Skandal um weitergegebene Geheiminformationen wird nun bekannt, dass Trump versucht haben soll, eine laufende FBI-Ermittlung zu beeinflussen.
  • Stimmt das, dann hätte sich der Präsident des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht.
  • Zumindest eine Debatte darüber wird es wohl geben - und Trumps Team hat in Sachen Krisenmanagement bislang keine gute Figur gemacht.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Donald Trump hat eine erstaunliche Fähigkeit. Wie kaum ein anderer schafft er es, eine schwierige Situation mit einem Tweet, einer Äußerung, einer Frage noch schlimmer zu machen, als sie ohnehin schon ist. Nicht nur einmal hat er damit seine gesamte Regierungsmannschaft völlig belämmert dastehen lassen.

Vergangene Woche zum Beispiel. Da hat er sehr überraschend FBI-Chef James Comey gefeuert. Den Mann, der gerade intensiv damit beschäftigt war, die Verbindungen von Trump-Leuten zu Russland zu untersuchen. Wie sich später herausstellte, hatte Comey wenige Tage zuvor im Justizministerium um mehr Personal für die Ermittlungen gebeten. Die Untersuchungen sollen im Kern der Frage nachgehen, ob und welchen Einfluss Russland auf die US-Wahl im vergangenen Herbst hatte.

Die Erzählung aus dem Weißen Haus ging so: Natürlich hat Trump den FBI-Chef nicht gefeuert, um Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Sondern schlicht, weil Comey einen schlechten Job gemacht habe. Der Rausschmiss sei im Übrigen nur erfolgt, weil der Justizminister und sein Stellvertreter die Entlassung Comeys empfohlen hätten.

Wie sich Betrachtungen doch ändern können

Die Geschichte hat viele Haken. Unter anderem den, dass das Justizministerium die mangelnde Qualifikation Comeys vor allem aus dessen Umgang mit der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton im vergangenen Jahr ableitete. Wie sich Betrachtungen doch ändern können: Als Comey im Oktober 2016 die Ermittlungen gegen Clinton überraschend wiederaufnahm, überschlugen sich die Republikaner und allen voran Trump mit Lob für Comey.

Aber zurück zur eingangs erwähnten präsidialen Fähigkeit der Verschlimmbesserung. Nachdem das Weiße Haus als offizielle Kündigungsbegründung kommuniziert hatte, dass Comey einfach nicht der Mann für den Job sei, äußerte sich nämlich noch Trump höchstselbst zur Causa. Er gab dem Sender NBC ein Interview und erklärte darin, er habe Comey ohnehin feuern wollen. Und das habe er dann auch getan. Aus einer schwierigen Situation wurde damit eine sehr ernste, weil plötzlich die Frage wieder ganz zentral im Raum stand, ob er Comey nicht doch wegen der Russland-Sache gefeuert hatte.

Womit Trump dann auch nicht gerechnet hat: dass sich Comey - wie jeder gute Ermittler - Gesprächsnotizen machte. Und das auch nach einem Treffen mit Trump am 14. Februar, dem Tag, nachdem Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn wegen Verbindungen zum russischen Botschafter in den USA zurückgetreten war. Nach einem Bericht der New York Times notierte sich Comey nach dem Treffen folgende Anmerkung von Trump: "Ich hoffe, Sie können die Sache jetzt auf sich beruhen lassen." Womit die Ermittlungen gegen Flynn gemeint waren.

Stimmt das, dann wäre das Amtsmissbrauch. Käme es in der Frage zu einer parlamentarischen Untersuchung, Comey müsste das Notizbuch wohl offenlegen. Der demokratische Abgeordnete Elijah Cummings sagte dem Nachrichtensender CNN: "Wir haben eine smoking gun", also einen eindeutigen Beweis. Das Weiße Haus dementiert, wie so oft: Die ganze Geschichte sei falsch.

Es ist kein Wunder, dass solche brisanten Details jetzt ans Tageslicht kommen. Trump trat ordentlich nach, nachdem er Comey gefeuert hatte. Statt ihn einfach ohne Angabe von Gründen zu entlassen, hatte er Comey in einem Entlassungsschreiben Unfähigkeit vorgeworfen. Und später auf eine Reporterfrage gesagt, Comey habe einen schlechten Job gemacht. Als wäre das nicht Demütigung genug, drohte er Comey via Twitter, dieser solle froh sein, wenn es von den Gesprächen mit ihm keine Tonbandaufnahmen gebe.

Wieder hat Trump selbst ohne Not alles noch schlimmer gemacht. Zum einem wird seitdem gerätselt, ob Trump ein Tonband mitlaufen lässt, wenn er sich mit führenden Staatsdienern trifft. Und zum Zweiten wird Comey sicher nicht mehr bestrebt gewesen sein, Beweise wie sein Notizbuch weiter unter Verschluss zu halten.

Trump ist die Glaubwürdigkeit seines Teams egal

Es ist schon atemberaubend, wie schnell Trump die Glaubwürdigkeit seines Mitarbeiterstabes in die Tonne treten kann. Am Montag kam die Geschichte auf, Trump habe dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und dem russischen Botschafter Sergej Kisljak streng geheime Informationen über den IS verraten, die von einem verbündeten Geheimdienst stammen. Wohlgemerkt, Russland steht unter Verdacht, die US-Wahl 2016 massiv beeinflusst zu haben. Und Kisljak hat in der Frage eine Schlüsselrolle, weil so mancher Trump-Mitarbeiter seltsam gute Kontakte zu dem russischen Botschafter pflegte.

Das Weiße Haus war danach um Schadensbegrenzung bemüht. Es wies die Berichte als "falsch" zurück. Um das zu bezeugen, stellte sich sogar der amtierende Nationale Sicherheitsberater H. R. McMaster noch am gleichen Abend vor die Kameras.

Vier Monate voll diplomatischer Fehltritte, Fehleinschätzungen, kleinerer und größerer Skandale

Am darauffolgenden Tag twitterte Trump: Es sei sein "absolutes Recht", solche Informationen auch mit den Russen zu teilen. Womit er indirekt genau die Geschichte bestätigte, die McMaster und das Weiße Haus am Tag zuvor noch als falsch hingestellt hatten.

McMaster musste sich am Dienstag peinlich befragen lassen. Er bleibe dabei, die Geschichte sei falsch - in Bezug auf die Frage, ob sich der Präsident falsch verhalten habe. Ein Fehlverhalten im juristischen Sinne hat ihm aber niemand vorgeworfen. Die Frage, die sich allerdings stellt, ist: Wie unklug ist es eigentlich, solche Informationen weiterzugeben, wenn der Verbündete Wert darauf legt, dass die Informationen auf keinen Fall an Dritte gehen?

McMaster hat dann mit einem offenherzigen Geständnis die Lage noch verworrener gemacht: Trump sei über die Herkunft und die Methoden der geheimdienstlichen Informationen nicht unterrichtet worden. Eine unglaubliche Fehlleistung seines Beraterstabes. Wenn das stimmt, dann ist die Verteidigungsstrategie des Weißen Hauses auf ein "Er wusste nicht, was er tat" zusammengeschrumpft.

Inzwischen scheint klar, dass die Informationen von Israel kommen. Die israelische Regierung dürfte nicht erfreut sein, dass Trump delikate Geheimdienst-Informationen gegenüber den Russen ausplaudert. Die sind mit Israels ärgstem Feind verbündet: Iran.

Trump ist am Samstag vier Monate im Amt. Vier Monate voll diplomatischer Fehltritte, Fehleinschätzungen, mal kleinerer und mal größerer Skandale. Hier eine kurze Zusammenfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Er hat es nicht hinbekommen, ein rechtsgültiges Einreiseverbot für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern in Kraft zu setzen. Und beschimpft stattdessen die Richter, die seinen Muslim oder Travel Ban ausgesetzt haben.
  • Er hat Michael Flynn zum Nationalen Sicherheitsberater gemacht, obwohl ihn sein Vorgänger Obama vor Flynn und seinen Kontakten zu Russland gewarnt hat. Und ihn länger als nötig behalten, obwohl ihn Interims-Justizministerin Sally Yates abermals gewarnt hat.
  • Er hat mit Japans Premierminister Shinzo Abe Fragen der nationalen Sicherheit öffentlich in dem gut gefüllten Restaurant seines Golfclubs Mar-a-Lago in Florida besprochen.
  • Er hat seinen Vorgänger Barack Obama in mehreren Tweets beschuldigt, ihn in seinem New Yorker Trump Tower abgehört zu haben. Bis heute hat Trump dafür keine Beweise vorlegen können. Sein Sprecher Sean Spicer hat zwischenzeitlich gar die Behauptung aufgestellt, ein britischer Nachrichtendienst habe Trump im Auftrag Obamas abgehört.
  • Er hat bis heute nicht verwunden, dass seine Inauguration nicht die größte Menschenansammlung in der Geschichte US-amerikanischer, wenn nicht weltweiter Amtseinführungen war.
  • Er behauptet - nach wie vor ohne jeden Beleg -, dass es bei der Wahl 2016 einen massiven Wählerbetrug gegeben habe. Und nur so Hillary Clinton am Ende mit absolut fast drei Millionen Stimmen mehr vor Trump liegen konnte (bei der sogenannten Popular Vote).

Die Liste könnte beliebig fortgeführt werden. Mal machte er im Zusammenhang mit missglückter Immigration ein sehr schlimmes Ereignis in Schweden aus. Nur war da gar nichts passiert. Mal sprach er über einen lange verstorbenen schwarzen Bürgerrechtler, als habe er ihm gestern noch die Hand geschüttelt. Und immer wieder verstört er Teile des Landes mit falschen Tweets. Etwa als er Obama beschuldigte, 122 von Obama entlassene Guantánamo-Häftlinge seien in den Krieg zurückgekehrt. Nun: Die meisten dieser Häftlinge hatte Obamas Vorgänger George W. Bush entlassen.

Das Weiße Haus scheint mit schwierigen Lagen völlig überfordert zu sein. Trump selbst twitterte vergangene Woche, und das war keine Ironie, er sei ein so "aktiver Präsident", da könne sein Pressestab nicht immer so akkurat arbeiten, wie nötig. Und ob es nicht besser sei, die täglichen Presse-Briefings im Weißen Haus ganz abzuschaffen. Zugunsten von schriftlichen Erklärungen.

Trumps Pressesprecher Spicer hat Fragen danach am folgenden Tag so beantwortet: Er und seine Leute würden jeden Tag hart daran arbeiten, den Journalisten die bestmöglichen Antworten auf ihre Fragen zu geben. Manchmal aber hätten sie eben keine ausreichenden Informationen oder keine Gelegenheit gehabt, mit dem Präsidenten direkt bestimmte Dinge zu besprechen.

Lieber das Falsche sagen als nichts sagen

So belegen Trump und seine Leute praktisch täglich, dass sie unfähig oder nicht Willens sind, besser mal nichts zu sagen als das Falsche. Trump scheint das bislang kaum zu stören. Ihm ist anderes wichtiger. Es gibt immer wieder Gerüchte, er wolle Spicer entlassen. Das ist nicht eingetreten bisher. Einmal hat er Spicer so verteidigt: Warum solle er ihn feuern? Er habe doch tolle Einschaltquoten.

Die große Frage ist: Wie lange kommt Trump damit noch durch, ohne ein Amtsenthebungsverfahren zu provozieren? Die Entlassung von FBI-Chef Comey in Verbindung mit der Bitte an Comey, ob dieser nicht die Ermittlungen gegen Michael Flynn fallen lassen könne, lässt die Debatte um diese Frage hochkochen. Trump und sein Team dürften kaum dafür präpariert sein, ihr professionell zu begegnen.

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