Verstorbener Ex-Präsident Tschechiens:Tausende trauern um Havel

An der Kirche neben der Karlsbrücke hängt ein Transparent mit der Aufschrift "Danke, Vaclav". Mehr als 10.000 Menschen erweisen dem verstorbenen tschechischen Präsidenten Vaclav Havel bei einem Trauerzug durch die Prager Innenstadt die letzte Ehre.

Tausende Menschen nehmen in Tschechien Abschied von Ex-Präsident Vaclav Havel. Der Trauerzug mit dem Sarg überquerte am Mittwochmorgen die historische Karlsbrücke in Prag. Mehr als 10.000 Menschen gaben dem Ex-Präsidenten, Dissidenten und weltweit anerkannten Dramatiker das letzte Geleit. Havel, bis 2003 als tschechischer Staatspräsident im Amt, war am Sonntag nach langer Krankheit im Alter von 75 Jahren gestorben.

Havels Witwe Dagmar und enge Freunde des mit internationalen Preisen geehrten "Dichterpräsidenten" folgten dem blumengeschmückten Leichenwagen. Eine Trauernde hielt ein Plakat mit Havels Lebensmotto hoch: "Wahrheit und Liebe müssen siegen". Zuvor hatten die Menschen bis spät in die Nacht in der Sankt-Anna-Kirche in der Prager Altstadt am Sarg des Verstorbenen still Abschied genommen.

Viele Tschechen bekunden ihre Trauer auf ganz persönliche Weise: An der Fassade der Kirche neben der Karlsbrücke hing ein handbemaltes Transparent mit der Aufschrift "Danke, Vaclav". Junge Leute klingelten mit ihrem Schlüsselbund und erinnerten daran, wie Havel mit seinen Wegbegleitern vor mehr als zwei Jahrzehnten das Ende des Kommunismus einläuteten.

Auf dem Prager Hradschin wurde der Sarg am Vormittag in einer Zeremonie voller Symbolik und Pathos empfangen. Ein Pferdegespann zog den Sarg auf einer fahrbaren Geschützlafette über den Burgvorplatz, vorbei am Erzbischöflichen Palast, von dem eine schwarze Flagge wehte. Auf der historischen Lafette wurden im Jahr 1937 auch die sterblichen Überreste des ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomas Garrigue Masaryk überführt.

Havels Nachfolger Klaus hält Trauerrede am Sarg

Eine Ehrengarde von 200 Soldaten begleitete den Sarg in langsamem Schritt. Ihm folgten im leichten Regen Havels Witwe Dagmar, sein Bruder Ivan, Staatspräsident Vaclav Klaus und höchste staatliche Würdenträger. Die Trauerfeierlichkeiten wurden live im ersten Programm des tschechischen Fernsehens übertragen.

Auch das tschechische Parlament bekundete seine Anteilnahme und begann seine Sitzung am frühen Nachmittag mit einer Schweigeminute. Zuvor hatte der jetzige Staatspräsident Vaclav Klaus am aufgebahrten Sarg seines Amtsvorgängers dazu aufgerufen, den Kampf für Freiheit und Demokratie fortzusetzen. Klaus würdigte Havel als tapferen Menschen mit festen Überzeugungen und Lebenseinsichten.

In Tschechien gab es auch Kritik daran, dass ausgerechnet Klaus die Rede auf Havel hielt. Der neoliberale Amtsinhaber hatte seinem Vorgänger wiederholt und auch öffentlich Intrigen und "fatale Irrtümer" vorgeworfen. Havel wiederum hatte seinen Nachfolger oft als "Populisten" bezeichnet und dessen "EU-Feindlichkeit" beklagt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich am Dienstag in der tschechischen Botschaft in Berlin in das Kondolenzbuch für Václav Havel eingetragen. Begleitet wurde die Kanzlerin von ihrem Ehemann, Joachim Sauer. Auch in Berlin trauern viele Menschen um Havel, der einer der Wegbereiter und Hoffnungsträger der friedlichen Revolutionen in Osteuropa 1989/90 war.

Am Freitag ist eine offizielle Trauerfeier im Veitsdom geplant. Dazu haben sich zahlreiche frühere und amtierende Spitzenpolitiker aus ganz Europa angesagt, darunter Bundespräsident Christian Wulff und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Russland schickt anstelle höchster Staatsrepräsentanten den Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin. Havel hatte dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin mehrfach einen autoritären Stil vorgeworfen.

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