Verschuldete Kommunen in NRW:Verblühte Landschaften

Wer hat mehr Schwimmbäder? Leere Becken wurden zum Symbol, ob Orte im Osten oder im Westen nun ärmer sind. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen hat die Debatte verschärft. Doch egal, wer die Wahl gewinnt: Bislang hat niemand eine Idee präsentiert, wie die Schuldenproblematik der Kommunen gelöst werden kann.

Bernd Dörries

Manchmal in den vergangenen Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die Lebensqualität in Deutschland anhand der Anzahl von Hallenbädern ausrechnen lässt. Als die Bürgermeister der großen Ruhrgebietsstädte die Abschaffung des Solidarpakts Ost forderten und mehr Geld für ihre eigenen Kommunen, da wurden Ost und West ganz gerne verglichen: Der Osten baut neue Hallenbäder, während die im Westen schließen oder die Wassertemperatur runterfahren müssen. Das war in etwa das Ergebnis.

North Rhine-Westphalia Looks To May Elections

Industriebrache zu besichtigen: Was bei Duisburg als Landschaftspark angelegt ist, gilt andernorts nur als teure Altlast.

(Foto: Getty Images)

An einem Tag Anfang Mai sitzen Sylvia Löhrmann und Jürgen Trittin in einem leeren Schwimmbecken in Oberhausen. Das ist die am höchsten verschuldete Stadt in Deutschland, das Hallenbad schon Jahre geschlossen. Kein schlechter Ort also, um über das Ruhrgebiet zu reden. Löhrmann sagt, es müsse nun auch mal der Westen dran sein, mit der Förderung und schlug einen Bedarfspakt West vor. Die Gelder sollten nicht mehr nach Himmelsrichtung fließen sondern nach Bedürftigkeit. Diese Formel war ein großer Konsens zwischen allen Parteien, vielleicht der einzige im Wahlkampf. Landtagswahlkämpfe haben immer etwas laubenpieperhaftes, alle Parteien bekennen sich zu ihrer Parzelle und wünschen ihr das Beste.

In Nordrhein-Westfalen ging es diesmal aber auch um ein bisschen mehr, um das Gefühl an den Rand geraten zu sein in der neuen Berliner Republik. Das Land war einst die Lokomotive der Bundesrepublik und hat bis heute auch sehr viel Industrie und große Dax-Konzerne. Wenn man sich auf den Straßen und den Bahnlinien des Landes bewegt, hat man aber auch manchmal das Gefühl, nicht mehr in der Mitte Deutschlands zu sein. Die Infrastruktur zerbröckelt. Nordrhein-Westfalen ist an einem Scheideweg, Teile des bevölkerungsreichsten Bundeslandes drohen zum neuen Osten im Westen zu werden.

Rainer Häusler, der SPD-Kämmerer von Gelsenkirchen hat gerade ein Buch geschrieben, "Deutschland stirbt im Westen", heißt es und prangert die Ungerechtigkeiten des Ost-Solis an. Städte wie Essen haben Hunderte Millionen Kredite aufnehmen müssen, um ihren Beitrag in den Osten zu zahlen. Ändern wird man das nicht können, vor dem Ende des Solidarpaktes 2019, aber alle Partien versprachen im Wahlkampf, die Einnahmesituation des Landes zu verbessern. Als könne man die individuellen Probleme einfach mit einem Schwung Geld zukleistern. Über die eigenen Fehler wurde wenig gesprochen.

Düsseldorf ist ein positives Beispiel, Köln ein negatives

Gerade an den Städten Köln und Düsseldorf kann man aber ganz gut beschreiben, was die Auswirkungen einen vernünftigen Politik sind und was das Ergebnis von Misswirtschaft ist. Bei der alten Feindschaft zwischen den beiden Städten am Rhein hat Düsseldorf die Nase klar vorn im Moment. Die Stadt hat ihre Anteile an einem Stromversorger verkauft und das Geld sinnvoll investiert in den vergangenen Jahren, in den neuen Medienhafen und eine neue U-Bahnlinie.

In Köln ist der U-Bahntunnel eingestürzt und die Stadt hochverschuldet, sie hat sich die neuen Messehallen von einem windigen Immobilienfonds bauen lassen und muss sie nun zu horrenden Preisen zurückmieten. Dass Geld wird nun woanders eingespart, bei der Kultur zum Beispiel. Jetzt musste Köln sogar bei der Stadt Düsseldorf anfragen, ob man sich dort eine Kooperation der beiden Opern vorstellen könnte, wie ein Bittsteller, das war lange Zeit undenkbar.

Düsseldorf ist aber einer der ganz wenigen Lichtblicke im Land, nur acht von 400 Kommunen haben einen ausgeglichenen Haushalt, die Finanzlage ist gar nicht so weit entfernt von Griechenland. "Die Schuldenkrise ist kein globales Phänomen", schreibt der Kämmerer von Leverkusen. "Sie findet vor unseren Haustüren statt. Den verschuldeten Kommunen droht die totale Zahlungsunfähigkeit. Stadtteile werden aufgegeben, soziale Brennpunkte entstehen."

Das Land ist aber auch selbst mitschuld an dieser Situation, es hat den eigenen Städten einen viel zu hohen Anteil aufgebrummt an der Begleichung des Solidarpaktes, das hat der Verfassungsgerichtshof Münster wenige Tage vor der Wahl entschieden. CDU und FDP hatten das Gesetz verabschiedet, SPD und Grüne hatten es dann unverändert gelassen. Nach dem Urteil waren alle vier recht kleinlaut. Außer neuem Geld vom Bund ist keiner Partei wirklich etwas eingefallen, wie die Schuldenproblematik der Kommunen gelöst werden kann. Vielleicht geht es manchen auch noch nicht schlecht genug. Vor allem die Städte im Ruhrgebiet werkeln noch jede für sich vor sich hin. Nach zwei Jahren Minderheitsregierung muss man sagen, es braucht eine stärkere, um all diese Probleme anzugehen.

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