Verlängerung von AKW-Laufzeiten:Zehn Jahre und nicht mehr

Ohne die Zustimmung der Länder darf der Bund die Laufzeit von Kernkraftwerken maximal um zehn Jahre verlängern. Nach SZ-Informationen zeigt ein Regierungsgutachten, dass ein Alleingang des Bundes verfassungswidrig wäre.

M. Bauchmüller und S. Höll

Im Streit um die Zukunft der Kernkraft erhält Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) Unterstützung aus den Ministerien für Inneres und Justiz. Beide halten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nur eine Verlängerung der Laufzeiten um höchstens zehn Jahre für möglich. Andernfalls wäre eine Zustimmung des Bundesrates nötig, der eine Verlängerung verweigern würde, hieß es in Regierungskreisen. Bliebe es beim Atomausstiegsvertrag aus dem Jahr 2000, müssten schon im kommenden Jahr die ersten drei Reaktoren vom Netz gehen.

Leben am Atomkraftwerk

Das Atomkraftwerk Biblis in Südhessen: Zurzeit ist fraglich, um wie viele Jahre die Laufzeiten verlängert werden dürfen.

(Foto: dpa)

Röttgen will die Laufzeiten nur begrenzt ausdehnen, stößt damit aber auf heftigen Widerstand in den eigenen Reihen. Vor allem süddeutsche Länder pochen auf eine Verlängerung der Laufzeiten um bis zu 20 Jahre.

Ministerien wollen Abstimmung im Bundesrat vermeiden

Die Expertise aus dem Innen- und dem Justizministerium ist noch nicht abgeschlossen, könnte diese Forderung der Länder aber platzen lassen. Die beiden Ressorts prüfen derzeit, unter welchen Bedingungen die Regierung den Ausstieg aus der Atomenergie ohne Mitsprache des Bundesrats rückgängig machen kann.

Es zeichne sich ab, dass eine Laufzeitverlängerung in zweistelliger Höhe ohne Zustimmung der Länderkammer kaum verfassungsmäßig sei, hieß es in Regierungskreisen. Die Zehn-Jahres-Grenze sei das Maximum, manche Experten hielten sogar nur sieben oder acht Jahre für denkbar. Sonst könnte eine Laufzeitverlängerung am Bundesverfassungsgericht scheitern.

Hintergrund sind die veränderten Mehrheiten im Bundesrat. Seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen haben Union und FDP im Bundesrat keine Mehrheit mehr. Bundesländer, in denen SPD, Grüne oder Linkspartei regieren, würden aber eine Laufzeitverlängerung nicht mittragen. Die Bundesregierung möchte die Atom-Entscheidung daher ohne den Bundesrat durchsetzen.

SPD und Grüne drohen mit Klage

Juristisch ist noch umstritten, ob der Bund auf eine Zustimmung der Länder, denen die Atomaufsicht obliegt, tatsächlich verzichten kann. Das Innen- und das Justizministerium gehen aber bislang davon aus, dass die Zuständigkeit der Länder bei einer "moderaten" Verlängerung der Laufzeiten nicht berührt wird.

Ob ein Alleingang des Bundes rechtmäßig ist, wird aber womöglich das Bundesverfassungsgericht klären müssen. SPD und Grüne haben jedenfalls angekündigt, in Karlsruhe zu klagen, wenn der Bundesrat nicht um Zustimmung gebeten wird.

Energiekonzerne entwerfen eigenen Vertrag

Die Energiekonzerne arbeiten parallel an einem Vertrag, mit dem sie möglichst viele Vorgaben für die künftige Nutzung der Kernkraft fest mit der Bundesregierung vereinbaren wollen. So wollen sie den Bund "an Gewinnen, die auf der Nutzung der effektiven Laufzeitverlängerung beruhen" beteiligen.

Statt der geplanten Brennstoffsteuer solle dafür ein Fonds sorgen, in den die Kraftwerk-Betreiber einzahlen. Das allerdings nur, sofern sich der Bund an Abmachungen hält, auch hinsichtlich der Sicherheitsauflagen. So müssten die Stromkonzerne nichts mehr zahlen, sollte der Betrieb der Kraftwerke "von zusätzlichen Nachrüstungsanforderungen abhängig gemacht werden", heißt es in einem Entwurf zum "Energiewirtschaftsvertrag".

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