Verkehrspolitik:Rattenfängerfrei

Sagenhafte Gestalten weisen den Weg über die Straße: in Mainz die Mainzelmännchen, in Augsburg der Puppenkisten-Kasper. Doch Hameln darf seine Ampelmännchen nicht werbeträchtig durch Rattenfänger ersetzen.

Von Thomas Hahn

Der CDU-Ratsherr Gerhard Paschwitz knickt so leicht nicht ein im Streit um ein neues Ampelmännchen für Hameln. Er ist überzeugt von der Idee, die er mit der parteilosen Ratskollegin Julia Maulhardt vorangetrieben hat. Eine Stadt muss zeigen, was sie hat im Kampf um zahlende Gäste. Und die niedersächsische Kreisstadt hat als Alleinstellungsmerkmal nun mal die Sagengestalt des Rattenfängers, der im 13. Jahrhundert mit seiner Pfeife erst Ratten, dann Kinder aus der Stadt gelockt haben soll. Da liegt es nahe, die Deckgläser einer Lichtzeichenanlage am Kastanienwall nahe dem Rathaus mit Rattenfängern zu versehen statt mit den üblichen Figuren.

Aber das Verkehrsministerium in Hannover sagt: Geht nicht. Das Gesetz schreibe bundesweit einheitliche Verkehrszeichen vor. Hamelns Stadtverwaltung lenkt ein. "Wir müssen das akzeptieren", sagt ein Sprecher. Man werde darauf hinwirken, den Ratsbeschluss zum Thema aufzuheben. Ratsherr Paschwitz ärgert sich. Einhellige Zustimmung habe die Rattenfängerampel in Ausschuss und Ratsversammlung bekommen, Sponsoren stünden bereit. Außerdem gebe es längst angepasste Ampeln: In Mainz leuchten Mainzelmännchen, in Trier Karl-Marx-Figuren, in Augsburg Kasper aus der Augsburger Puppenkiste. Mit einer kleinen Arbeitsgruppe will Paschwitz dieser Tage eine Strategie entwerfen, um den Rattenfänger doch noch in den Stadtverkehr zu bringen. "Wir bleiben dran", verspricht er, "wir halten den Ball hoch." Ein Hamelner kämpft für seinen Rattenfänger.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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