Verkehr:Bus sucht Boss

Die Transportbranche boomt, doch es fehlen ihr die Fahrer.

Von Marco Völklein

Es sah schon eigenwillig aus, was die 14 Teams im Herbst mit ihren zwölf Tonnen schweren Fahrzeugen auf einem Gewerbeareal in Osnabrück veranstalteten. Mit ihren Omnibussen mussten sie unter anderem einen Ball anschubsen, um überdimensionierte Kegel umzuwerfen. Oder ein Senkblei, an der Front befestigt, möglichst mittig über einer Dartscheibe platzieren. Gesucht wurden von der Verkehrsgemeinschaft Osnabrück bei dem Wettbewerb Deutschlands beste Busfahrer, im Branchenjargon auch "Fachkraft im Fahrbetrieb" genannt, kurz: FiF.

Die FiF ist plötzlich heiß begehrt, aber schwer zu finden. Eine Kombination aus alten Fehlern, neuen Problemen und einem frischen Boom bringt die Busunternehmen in die Bredouille. Viele der bundesweit 103 000 Busfahrer stehen nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) vor dem Ruhestand. Doch die Ausbildung von Nachwuchskräften wurde lange vernachlässigt. Wegen des wirtschaftlichen Drucks galt in vielen kommunalen Betrieben ein Einstellungsstopp, das Lohnniveau sank. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) schätzt, dass die öffentlichen Busbetreiber bis 2030 etwa 15 000 bis 20 000 Fahrer gewinnen müssen.

Denn die Situation hat sich mittlerweile verändert. Statt den öffentlichen Nahverkehr immer weiter auszudünnen, wollen die Bürgermeister vieler Städte das Angebot an Bussen und Bahnen jetzt massiv ausweiten - unter anderem, um den steten Zuzug in die Metropolen aufzufangen und um mögliche Fahrverbote für Dieselautos abwehren zu können. Hinzu kommt der Boom im Fernbusmarkt. Allein beim Branchenführer Flixbus stiegen im vergangenen Jahr europaweit 40 Millionen Fahrgäste zu - zehn Millionen mehr als 2016. Mit Aktionen wie in Osnabrück versuchen die Firmen, junge Leute für den Fahrerberuf zu begeistern.

Mit geringem Erfolg: Ständig wechselnde Schichtdienste, auch an Sonn- und Feiertagen, knapp kalkulierte Pausen, zudem der rüde Ton mancher Fahrgäste, für die der Fahrer bei Störungen oft als Blitzableiter herhalten muss - all das macht den Beruf wenig attraktiv. "Es gibt vielleicht auch bequemere Arbeiten", räumt selbst BDO-Präsident Karl Hülsmann ein. Zumal mit dem Ende der Wehrpflicht auch die Bundeswehr als einstige "Fahrschule der Nation" wegfiel. Dort konnten jährlich Tausende den Bus- oder Lkw-Führerschein kostenlos machen - und danach als Kraftfahrer anfangen. Auch das Speditions- und Gütertransportgewerbe klagt deshalb über Personalmangel. Aktuell fehlen dort nach Branchenangaben etwa 45 000 Lkw-Fahrer.

Allein über Lohnsteigerungen lasse sich diese Lücke nicht schließen, heißt es bei der Gewerkschaft Verdi. Gut ausgebildete Fahrer könnten jetzt schon deutliche Aufschläge auf ihr Tarifgehalt (je nach Bundesland zwischen 1800 und 3000 Euro brutto im Monat) aushandeln. Vielmehr müsse sich der Umgang mit den Fahrern ändern: Um ihren Lkw zu entladen, müssten Fahrer laut Verdi oft Stunden auf einen freien Platz an der Rampe warten - in der Regel unbezahlt. Und mancher Spediteur klagt, seine Leute dürften sich bei den Kunden nicht mal ein Getränk in deren Cafeteria holen oder auf die Toilette gehen.

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