Verhandlungen:Was du heute kannst besorgen

Die Vereinten Nationen haben aus früheren Misserfolgen gelernt: Auf dem Klimagipfel in Paris sollen die Staatschefs die schwierigen Probleme gleich zu Beginn lösen.

Von Michael Bauchmüller

Wenn die Familie mal so groß ist, gerät auch eine Angela Merkel ins Abseits. Irgendwo ganz außen findet sich die Kanzlerin beim obligatorischen Familienfoto wieder - unter 150 Staats- und Regierungschefs ist auch die deutsche Kanzlerin nur eine von vielen.

Aber zum Glück gibt es den Präsidenten von Mazedonien, Gjorge Ivanov. Die undurchschaubare Arithmetik der Vereinten Nationen hat ihn an Platz acht der Rednerliste gesetzt, kurz nach Barack Obama, direkt vor Wladimir Putin. Doch Ivanov ist so freundlich, mit Merkel zu tauschen. Die Kanzlerin aus dem Energiewende-Land Deutschland, bei der alles entscheidenden Klimakonferenz an Platz 54? Völlig undenkbar.

Symbole und Signale, darum geht es an diesem Tag in Paris. Nie zuvor, nicht einmal bei der gescheiterten Konferenz in Kopenhagen 2009, kamen so viele Staats- und Regierungschefs bei einem Klimagipfel zusammen, noch nie gab es ein so großes Familienfoto. Und zumindest für ein paar Stunden scheinen alle gleich zu sein.

Als Erstes bekommt das Ismail Omar Guelleh zu spüren. Der Mann ist Präsident von Dschibuti und, nimmt man die Größe seines Volkes zum Maßstab, eher so etwas wie ein besonders gewichtiger Oberbürgermeister. Gut 800 000 Einwohner hat sein Land. An diesem Montag aber heißt die Reihenfolge: Barack Obama, der Oberbürgermeister, Chinas Xi Jinping. Obamas Applaus ist noch nicht verhallt, als Guelleh ans Mikro tritt, und auch die letzten Worte des US-Präsidenten stehen noch im Raum: "Lasst uns an die Arbeit gehen."

Guelleh macht das ganz sachlich, er spielt auf der Klaviatur aller Staats- und Regierungschefs an diesem sehr besonderen Tag. "Wir wissen, dass der Kampf nicht zu gewinnen sein wird ohne drastische Einschnitte", sagt er. Die ärmsten Staaten der Welt - Dschibuti ist so einer - bräuchten mehr Unterstützung, um sich gegen den Klimawandel zu wappnen. "Wir dürfen nicht vernachlässigen, dass es die Folgen schon gibt", sagt er. Unter den 150 Spitzenpolitikern hat so jeder seine eigene Anschauung von Klimapolitik, seine eigenen Sorgen und Ziele. Nur dürfen sie diesmal am Anfang der Konferenz reden.

COP21 Climate Change Conference - Arrivals

Die iranische Vizepräsidentin Masoumeh Ebtekar und François Hollande begrüßen sich aus sicherer Entfernung.

(Foto: dpa)

Da können sie den wenigsten Schaden anrichten.

Es ist eine der Lehren aus der gescheiterten Konferenz in Kopenhagen. Damals, im Dezember 2009, reisten an die 120 Staats- und Regierungschefs an - aber zum Ende der Konferenz. Nachdem ihre Diplomaten zehn Tage lang verhandelt hatten, sollten die Staatsleute die letzten Knoten zerschlagen. Doch statt Knoten zu öffnen, verhedderten sie sich binnen weniger Stunden in einem Netz ungelöster Fragen. "Das Problem war, dass kein Verhandler Zugeständnisse machen wollte, ehe sein Staatschef nicht grünes Licht gibt", sagt ein deutscher Klimadiplomat. "So blieben die schwierigen Fragen bis zum Schluss." Diesmal soll es umgekehrt laufen - erst geben die heads of state den Kurs vor, danach übersetzen die Verhandler ihn in einen Vertragstext. Wenn es so einfach wäre.

Gleich nach Guelleh kommt Chinas Staatspräsident Xi Jinping ans Pult, die Erwartungen sind groß. Xi hat zuletzt eine Menge Bremsen gelöst im Klimaschutz, unter anderem mit der Zusage, China werde spätestens 2030 seine Emissionen senken. Noch in Kopenhagen hatte Peking darauf beharrt, ein "Entwicklungsland" zu sein - und die Verantwortung allein bei den Industriestaaten in Europa, Nordamerika und Japan gesucht. So gesehen hat seine Zusage den Weg für ein neues globales Abkommen erst frei gemacht. Und jetzt?

"Alle Augen liegen auf uns", sagt Xi am Pult. Nur sehen sie bei China nicht viel Neues, im Gegenteil. Abermals weist er auf die unterschiedliche Verantwortung der Staaten hin. "Klimaschutz darf nicht über die Interessen der Schwellenländer hinweggehen." Im Übrigen aber sei auch China bereit, sich daran zu beteiligen. "Mit vereinten Kräften wird die Konferenz befriedigende Ergebnisse ernten", sagt Xi.

Was aber befriedigend ist und was nicht, das ist Ansichtssache. Wie auch Guelleh fordern viele ärmere Länder konkrete Hilfen vom Rest der Welt, auch Geld. Sie wünschen sich einen festen Plan, welche Industriestaaten auf Dauer welche Beiträge dafür leisten. Kleine Inselstaaten bangen um ihre Existenz, sie pochen auf einen schnelleren Abbau der Emissionen. Doch allzu strikte Vorgaben wollen viele der größten Klimasünder, auch China, lieber nicht unterschreiben. Und daraus sollen die Verhandler nun etwas zimmern.

Verhandlungen: Barack Obama und Xi Jinping sehen aus, als gäbe es noch einiges zu klären.

Barack Obama und Xi Jinping sehen aus, als gäbe es noch einiges zu klären.

(Foto: AFP)

"Seit Langem haben wir zum ersten Mal die Chance, das Ziel eines Abkommens zu erreichen", sagt Rednerin Nummer acht, la chancellière. "Es geht um eine grundlegende Transformation, die alle Staaten umfasst", verheißt Merkel, weg von Kohle und Öl, hin zu sauberen Technologien. Über die Zukunft der Kohlekraft in Deutschland, die immer noch fleißig Treibhausgase hervorbringt, verliert sie allerdings kein Wort, sehr zum Ärger deutscher Umweltschutz-Gruppen. Am konkretesten sind da zum Auftakt der Konferenz die Summen. Weitere 248 Millionen Dollar fließen in einen Fonds, der Entwicklungsländern unkompliziert dabei helfen soll, sich auf Folgen des Klimawandels einzustellen. Deutschland ist mit 50 Millionen Euro dabei. Norwegen, Deutschland und Großbritannien wollen mehr Geld für den Schutz von Wäldern geben. Der Philantrop Bill Gates bläst zur Offensive gegen die Erderwärmung und hat eine Gruppe von 28 Milliardären aufgetan, die im großen Stil in aufstrebende Firmen investieren wollen - wohlgemerkt solche, die Wege in eine saubere Energie-Zukunft beschreiten wollen. Gates ist auch Teil einer Initiative, die mehr Geld für die Energie-Forschung lockermachen will. 20 Staaten wollen ihre Ausgaben dafür verdoppeln, um neue saubere Energiequellen aufzutun. Auch Deutschland ist dabei, sagt Rednerin Nummer acht. An Nummer 54 der Liste wäre das alles untergegangen.

Dem Mazedonier Ivanov macht das nichts. Als er am Abend ans Mikrofon tritt, hat er nicht viel anzukündigen, aber "Frieden mit der Natur", eine Umkehr, das verlangt auch er. Einstweilen aber hat sich Mazedonien wieder als bewährter Partner Deutschlands auf internationalen Konferenzen erwiesen. Auch beim Erdgipfel in Johannesburg 2002 ließ sich Skopje auf einen Tausch ein, damals zu Gunsten Gerhard Schröders. Als Dank gab es damals eine kurze Unterredung mit dem Bundeskanzler. Unter vier Augen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: