Verhandlungen über Steuerpolitik:Feilschen, zocken, blocken

Ob das Steuerabkommen mit der Schweiz oder staatliche Anreize: In der Steuerpolitik zanken sich Regierung und Opposition wie bei fast keinem anderen Thema. Im Vermittlungsausschuss könnte es nun zu Tauschgeschäften kommen - oder aber zur Total-Blockade.

Guido Bohsem, Berlin

Eingefleischte Zocker, Vertreter und Autohändler wissen genau, wie das geht. Wie man ein Geschäft doch noch in Gang setzen kann, auch wenn die Gegenseite nicht überzeugt ist. Man macht das Paket größer, attraktiver und lässt den Preis dadurch weniger hoch erscheinen.

So geht das auch in der Politik: Bis Freitag werden die schwarz-gelbe Koalition auf der einen und die von SPD und Grünen geführten Bundesländer auf der anderen Seite genau das tun - versuchen, über die Masse eine Einigung zu finden, wo eigentlich keine Einigung möglich ist: in der Steuerpolitik.

Es gibt kaum ein wirtschaftspolitisches Feld, in dem die Unterschiede so groß wären. SPD und Grüne plädieren offen für höhere Steuern auf Einkommen und Vermögen, Union und FDP lehnen das strikt ab, fordern gar eine moderate Senkung. Aber gerade weil die Ansichten so auseinandergehen, werden in dieser Woche jede Menge Themen auf den Verhandlungstisch gelegt, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, sich aber gut für Tauschgeschäfte eignen.

Die Reform des Reisekostenrechts, das Steuerabkommen mit der Schweiz und das Jahressteuergesetz: Diese drei Vorhaben der Koalition dürfte der Bundesrat am Freitag ablehnen. Sie werden dann im Vermittlungsausschuss landen - der letzten Station im Gesetzgebungsverfahren, bei der Bundestag und Bundesrat Kompromisse finden können.

Bereits am Mittwoch treffen die Kontrahenten dort aufeinander. Es wird um Steuern gehen, und zwar um den von Union und FDP geforderten Abbau der kalten Progression. Dies meint, dass Lohnsteigerungen wegen der dann höheren Steuersätze nicht im Portemonnaie ankommen. Dazu kommt der Dauerbrenner energetische Gebäudesanierung, die ebenfalls über Steueranreize gefördert werden soll und über die schon seit 2011 gestritten wird. Die Koalition möchte Gebäudesanierer und Arbeitnehmer entlasten. Viele Länder jedoch sehen angesichts knapper Kassen keine Möglichkeit dazu. Schließlich müssten sie die Schuldenbremse einhalten, die ihnen von 2020 an neue Schulden verbietet.

Glaubt man SPD-Vertretern, wird es am Mittwoch nicht zu einer Einigung kommen. Man müsse darauf warten, bis auch das Steuerabkommen mit der Schweiz und das Jahressteuergesetz in dem Gremium gelandet seien, heißt es. Denn diese Vorhaben kosten nicht, sie können den Ländern sogar zusätzliche Einnahmen bringen.

Wie bei jeder Zockerei ist das Ergebnis völlig offen

In Sachen Schweizer Steuerabkommen hat die SPD freilich prinzipielle Bedenken. Ihrer Meinung nach kommen Steuerhinterzieher, die ihr Geld in der Schweiz gebunkert haben, zu gut weg, und für besonders hartnäckige Schwarzgeld-Besitzer gebe es zudem noch die Möglichkeit, sich unbemerkt in ein anderes Steuerparadies zu verabschieden.

Die Bedenken will die Union nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mit einer Sonderregel aus dem Weg räumen. In einer Zusatzerklärung soll sich die Schweiz verpflichten, die Namen der Steuersünder preiszugeben, die ihr Geld aus der Schweiz schaffen und sich so dem Zugriff des deutschen Fiskus entziehen.

Als Zugeständnis denkbar wäre auch, dass der Bund auf seinen Anteil der Einnahmen verzichtet. Die Länder erhielten dann nicht nur 70 Prozent des Rückflusses aus der Schweiz, sondern alles. Entsprechende Berichte wies das Finanzministerium jedoch am Sonntag als "Spekulation" zurück.

Sollte das noch nicht helfen, um den Steuerplänen insgesamt zum Durchbruch zu verhelfen, denkt man in der Union darüber nach, die Verhandlungsmasse weiter zu erhöhen. Es geht um die Frage, wie Dividenden aus Streubesitz künftig besteuert werden. Die bisherige Praxis hatte der Europäische Gerichtshof untersagt, weil ausländische Anteilseigner dadurch benachteiligt werden. Darum will die Koalition nun den ausländischen Anteilseigenern die gleichen Vorteile zukommen lassen wie sie bereits für die deutschen Teilhaber bestehen. Doch Bund und Ländern würden so 1,5 Milliarden Euro entgehen.

Die Länder wollen auf das Geld nicht verzichten und fordern stattdessen, die Nachteile für Ausländer auch Inländern zuzumuten. Das brächte den Haushalten bis zu 700 Millionen Euro zusätzlich. In der Union erwägt man, den Ländern hier nachzugeben. Um anderswo Zugeständnisse zu bekommen.

Wie bei jeder Zockerei ist das Ergebnis derzeit noch völlig offen. Möglich ist auch, dass die SPD-regierten Länder gar keine Kompromisse wollen - so kurz vor der Bundestagswahl. Ein hochrangiger SPD-Mann erklärte kürzlich im kleinen Kreis, wie man die Koalition noch chaotischer aussehen lassen könnte, "so wie Oskar Lafontaine vor der Wahl 1998." Der damalige SPD-Chef setzte gegen die Regierung Kohl auf Total-Blockade im Bundesrat - und führte seine Partei zum Wahlerfolg.

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