Verhandlungen mit Geiselnehmern im Jemen:Chrobog-Freilassung zieht sich hin

Kurz vor 19 Uhr deutscher Zeit hatte ein jemenitischer Regierungsvertreter erklärt: "Eine Gruppe der Stammesführer ist jetzt bei den Geiseln und wir erwarten, dass sie in wenigen Minuten freigelassen werden." Zuvor hätten die Regierung und die Stammesführer eine Vereinbarung getroffen.

"Jetzt laufen intensive Bemühungen, einige junge Männer davon zu überzeugen", der Vereinbarung zuzustimmen, sagte der Regierungsvertreter.

Das Auswärtige Amt in Berlin machte zum Stand der Verhandlungen weiterhin keine Angaben.

Regierungs- und Stammesvertreter zeigten sich trotz der Verzögerung optimistisch, dass die Geiseln bald freikämen. Gleichzeitig weisen sie Berichte zurück, die Verhandlungsführer sollten gegen Chrobog und seine Familie ausgetauscht werden. Chrobog, seine Frau und seine drei Kinder befinden sich seit Mittwoch in der Hand der Entführer.

Nach der Vereinbarung wollen die Behörden den Angaben zufolge die Verhaftung von Mitgliedern eines mit dem Clan der Entführer rivalisierenden Stammes vorbereiten. Diese sollen dann zusammen mit inhaftierten Angehörigen der Kidnapper einem Armeegeneral übergeben werden, der eine seit zwölf Jahren währende Blutfehde zwischen den beiden Stämmen schlichten soll.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor in einem Telefonat mit seinem jemenitischen Kollegen den diplomatischen Druck auf die Regierung in Sanaa erhöht, den Fall schnell und vor allem gewaltfrei zu lösen. Die körperliche Unversehrtheit der Geiseln habe "unbedingte Priorität".

Der 65-jährige Chrobog selbst sagte in einem Telefongespräch mit dem ARD-Studio Kairo, ihm und seinen Angehörigen gehe es gut. Weiter habe sich Chrobog nicht äußern wollen, sagte die ARD-Korrespondentin. Als Staatssekretär im Auswärtigen Amt hatte Chrobog selbst etliche Krisenstäbe bei Entführungsfällen geleitet. Den Betroffenen und ihren Angehörigen hatte er dabei stets empfohlen, sich zunächst nicht in den Medien zu äußern, um die Verhandlungen mit den Entführern nicht zu gefährden.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger, sagte, die Bundesregierung sei immer noch zuversichtlich, dass die Entführten bis zum Jahresende frei sind. "Wir hoffen, dass wir bis morgen Abend zu einer Lösung kommen", sagte er. Diese Einschätzung beruhe auf Ergebnissen der Gespräche Steinmeiers mit der jemenitischen Regierung und auf Erfahrungen aus ähnlichen Fällen im Jemen. Der deutsche Botschafter in Sanaa stehe in Kontakt mit dem jemenitischen Innenministerium, das die Verhandlungen mit den Geiselnehmern führe.

Steinmeier, der am Freitagnachmittag an der Sitzung des Krisenstabs im Auswärtigen Amt teilnahm, wollte im Laufe des Tages mit dem Präsidenten des Jemen, Ali Abdullah Saleh, sprechen und auch ihm gegenüber darauf dringen, keine Gewalt zur Befreiung der Geiseln auszuüben. Die Entführer selbst scheinen aber einen Militäreinsatz zu befürchten. Nach einem Bericht des Jemen Observer ist das Versteck der Entführer in einer gebirgigen Region von Soldaten und Sicherheitskräften weiträumig umstellt. Die Geiselnehmer hätten die Sicherheitskräfte gewarnt, weiter vorzurücken. Andernfalls müssten sie mit den Deutschen zu Fuß über eine lange Strecke in einen neuen Unterschlupf in der gebirgigen Region weiterziehen, zitierte das Blatt einen der Entführer, der als Bewacher der Familie Chrobog bezeichnet wurde.

Ein Unterhändler, der wie die Entführer zum Stamm der Al-Abdullah gehöre, habe angekündigt, dass die Entführung länger andauern könnte, falls am Freitag keine Einigung gefunden werden sollte. "Wenn wir heute keine Lösung erzielen, werden wir unsere Gäste so lange bei uns behalten, wie wir können", wurde er in der Online-Ausgabe des Jemen Observer zitiert.Die Familie Chrobog war am Mittwoch im Südosten des Jemen, im Gebiet einer blutigen Stammesfehde, verschleppt worden. Die Geiselnehmer wollen fünf ihrer Clan-Mitglieder, die wegen Mordes inhaftiert sind, freipressen.

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