Verhandlung über das Scannen von Nummernschildern:Richter zweifeln an Auto-Überwachung

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Die automatisierte Erfassung von Millionen Autokennzeichen und ihr Abgleich mit den Fahndungslisten der Polizei wird voraussichtlich eingeschränkt. Das ließ das Bundesverfassungsgericht durch kritische Fragen bei einer Verhandlung erkennen, in der es um entsprechende Gesetze der Bundesländer Hessen und Schleswig-Holstein ging.

Helmut Kerscher

Bei der automatisierten Kennzeichen-Erfassung werden Fahrzeuge von einer stationären oder mobilen Videokamera aufgenommen. Mit einer Software wird das Kennzeichen ausgelesen und in Sekundenschnelle mit dem Fahndungsbestand der Polizei verglichen.

Bei einem Treffer greift die Polizei ein, in den übrigen Fällen wird das erfasste Kennzeichen gelöscht. Die in Großbritannien entwickelte und bisher vor allem in London eingesetzte Technik ist auch in Deutschland verbreitet. Richter Wolfgang Hoffmann-Riem wies darauf hin, dass die Kontrollbrücken für die Lkw-Maut auf den Autobahnen alle Fahrzeuge filmen.

In acht Bundesländern ist die Kennzeichenerfassung laut Polizeigesetz erlaubt. Gegen das hessische und das schleswig-holsteinische Gesetz legten drei Autofahrer Verfassungsbeschwerden ein. In der Verhandlung hieß es, in Hessen habe es seit März gut 300 Treffer gegeben, in Schleswig-Holstein seit August 17.

Der Erste Senat äußerte Zweifel an der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der Gesetze sowie an der Zuständigkeit der Länder. So wies Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier auf die Kompetenz des Bundes für die Strafverfolgung hin, der die Kennzeichenerfassung zumindest auch diene.

Hoffmann-Riem erkundigte sich, warum die Fahnder zwar beteuerten, die Kennzeichen nur mit bestimmten Polizei-Dateien abzugleichen, diese Beschränkung aber nicht in den Gesetzen stehe. Richter Brun-Otto Bryde warnte vor einem "rechtsstaatlichen Loch", Kollege Reinhard Gaier sorgte sich um die "unverzügliche" Löschung der Daten.

Der Rechtsanwalt der drei Beschwerdeführer, Udo Kauß, sprach von einer "massenhaften, heimlichen Beobachtung von Unverdächtigen'" Betroffen sei die gesamte motorisierte Bevölkerung. Die automatisierte Kennzeichenerfassung stelle im Vergleich zu den bisherigen Routinekontrollen eine "neue Qualität" dar und könne zu einem "Dammbruch" führen.

Es sei nicht mehr weit bis zu einer umfassenden, "voraussetzungslosen" Identitätsfeststellung von Handy-Benutzern oder Inhabern von Pässen mit Funk-Chip. Kauß sieht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Bisher seien mittels Kennzeichenerfassung vor allem Halter ohne Haftpflichtversicherung entdeckt worden.

Selbst das seien keine Bagatellen, konterte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU), der das Gesetz verteidigte. Fehlender Haftpflichtschutz könne für Unfallopfer gravierende Folgen haben. Generell erfülle die Polizei mit der Fahndung nach unversicherten oder gestohlenen Fahrzeugen nur ihre Aufgabe.

Zur Identifizierung von Fahrzeugen sei das amtliche Kennzeichen schließlich eingeführt worden, sagte Bouffier. Im Normalfall werde ein erfasstes Kennzeichen wegen der sofortigen Löschung nicht einmal der Polizei bekannt. Wenn die Erfassung überhaupt als Grundrechts-Eingriff zu werten sei, bewege sich dieser an der Bagatellgrenze und sei berechtigt. Der Kieler Innenstaatssekretär Ulrich Lorenz nannte sein Landesgesetz einen "vorbildlichen, umsichtigen Modellversuch", der auf zwei Jahre begrenzt sei. Die Suche beschränke sich auf 71.000 Fahrzeuge ohne Versicherungsschutz und auf 4000 gestohlene Autos.

© SZ vom 21.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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