Verfassungsschutz:Enttarnter Agent: Ich handelte im Auftrag Allahs

Das Bundesamt für Verfassungsschutz steht wegen Sicherheitslücken in der Kritik, das Parlament fühlt sich schlecht informiert.

Von Georg Mascolo, Nicolas Richter, Ronen Steinke, Berlin

Der mutmaßliche islamistische Extremist, der sich beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eingeschlichen haben soll, hat nach eigenen Angaben im Auftrag Allahs gehandelt. Es gebe einen großen Plan zur Unterwanderung des BfV, sagte er; er selbst sei nur Teil eines Räderwerks. Die Bemühungen, den deutschen Inlandsgeheimdienst zu infiltrieren, würden nun auch ohne ihn fortgesetzt. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR soll der 51-Jährige bei seiner Vernehmung durch Polizei und Staatsanwaltschaft gesagt haben: "Ihr habt mich jetzt, aber der Plan geht weiter."

In Berlin wächst unterdessen die Kritik an Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und an seiner Informationspolitik gegenüber dem Parlament. Ein Innenpolitik-Experte der Unionsfraktion zeigte sich verärgert darüber, dass der Bundestag aus der Presse über den Fall erfahren habe. Maaßen und seine Behörde hätten den Bundestag direkt informieren müssen. "Das ganze Parlament ist es leid, sensible Sachverhalte über die Nachrichtendienste aus den Medien erfahren zu müssen. Das ist nicht nur schlechter Stil, ich halte das für einen echten Missstand", kritisierte SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch. Sein Parteifreund Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte: "Man fragt sich schon, wie lernfähig die Verantwortlichen eigentlich sind und ob hier immer wieder willentlich wichtige Informationen vorenthalten werden."

Über den Fall hatten am Dienstag zunächst Spiegel und Welt berichtet. Selbst die Präsidenten der 16 Landesämter für Verfassungsschutz hatten erst aus den Medien von der undichten Stelle in ihrem deutschlandweit verzweigten Apparat erfahren. Es gehe da um eine gravierende Sicherheitslücke, hieß es aus dem Kreis der 16 Verfassungsschutz-Chefs, die am Dienstagabend in Saarbrücken bei der Innenministerkonferenz zusammengesessen hatten: Schließlich könnte der mutmaßliche Islamist in seiner Ausbildung bei der Akademie für Verfassungsschutz auch Geheimnisse aus den Ländern erfahren haben. Ein Verfassungsschutz-Präsident sprach von einem "Versäumnis" Maaßens, ein anderer nannte den Fall "merkwürdig".

Gegen den mutmaßlichen Extremisten R. M. wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt unter anderem wegen Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Sie wirft M. vor, er habe sich in einem Internetchat als Mitarbeiter des BfV zu erkennen gegeben und habe Islamisten Zugang zum deutschen Inlandsgeheimdienst versprochen, um schwere Straftaten zu begehen. R. M. hat als Quereinsteiger erst seit dem Frühjahr für das Bundesamt gearbeitet. Er war unter anderem damit beauftragt worden, als Teil einer Observationseinheit die Islamistenszene zu beobachten. Wie alle Mitarbeiter des BfV hatte er ausführlich Auskunft über seinen Hintergrund und sein Privatleben geben müssen. Dass er zum Islam konvertiert war, erfuhr sein neuer Arbeitgeber aber offensichtlich nicht.

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