Chaos beim Verfassungsschutz:Eine Behörde, die sich fremd ist

Muss der deutsche Sicherheitsapparat nach den NSU-Morden neu erfunden werden? Dass dem Verfassungsschutz in Bund und Ländern die Chefs weglaufen, spricht nicht dafür, dass alles bleiben kann, wie es ist.

Heribert Prantl

Beim Lied von den "Zehn kleinen Negerlein" handelt es sich um einen Zählreim, in dem Strophe für Strophe jemand verschwindet. Wegen der "Negerlein" gilt es als diskriminierend. Es wird deshalb von den Geheimdiensten umgedichtet. Woche für Woche tritt ein Verfassungsschutzchef zurück; soeben der dritte. Wenn es so weitergeht, könnte sich das Problem Verfassungsschutz durch Amtsverzicht erledigen. Schön wär's.

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Woche für Woche einer weniger: Nun ist in Reinhard Boos der dritte Verfassungsschutz-Chef zurückgetreten.

(Foto: dpa)

Seitdem die Mordtaten des NSU entdeckt sind, seitdem das General-Versagen des Verfassungsschutzes aufgedeckt worden ist und in der Politik von dessen Reform an Haupt und Gliedern geredet wurde, ist leider in Sachen Reform nichts, gar nichts passiert. Es werden nur fortlaufend neue, unglaubliche Fehlleistungen bekannt. Der Verfassungsschutz ist in desaströser Verfassung; die Rücktritte von Heinz Fromm und von Reinhard Boos sind Alarmrufe von guten Chefs, denen ihre eigenen Behörden suspekt geworden sind.

Soll es weiterhin so sein, dass es 16 Landesämter, ein Bundesamt, dazu den MAD plus 16 Länderpolizeien mit Staatsschutzabteilungen gibt, die nebeneinander und gegeneinander arbeiten? Der Sicherheitsapparat muss völlig neu aufgestellt werden. Und: Der Geist des Grundgesetzes muss dort Einzug halten. Solange der Verfassungsschutz aber nicht so arbeitet, dass er diesen Namen verdient, muss man ihm diesen Namen nehmen: Man nenne ihn solange nur - Inlandsgeheimdienst.

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