Verfassungsgericht:Das letzte Wort

Wer entscheidet, ob türkische Politiker in Deutschland auftreten dürfen? Die Frage ist nun höchstrichterlich geklärt.

Von WOLFGANG JANISCH

Die Entscheidung ist kurz ausgefallen, sie umfasst nur acht Randziffern auf zwei Seiten. Aber im Grunde hätte das Bundesverfassungsgericht schon nach dem zweiten Absatz Schluss machen können. Die Verfassungsbeschwerde, eingelegt wegen einer Rede des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım in Oberhausen und gegen weitere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland gerichtet - sie ist unzulässig. Weil der deutsche Kläger durch einen türkischen Redner nicht in seinen Grundrechten betroffen ist.

Unzulässig heißt eigentlich, dass man sich jede weitere Begründung sparen kann. Aber ein paar Anmerkungen zu einer dann doch sehr spannenden Frage konnte sich die zweite Kammer des Zweiten Senats unter Vorsitz von Peter Huber dann doch nicht verkneifen. Zur Frage der, sagen wir: Reisefreiheit türkischer Regierungsmitglieder nämlich. Und ob den türkischen Wahlkämpfern in Deutschland die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zusteht.

Die Antwort ist kurz und klar ausgefallen. Erstens: Ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder haben weder nach dem Grundgesetz noch nach dem Völkerrecht einen Anspruch auf Einreise und "Ausübung amtlicher Funktionen" in Deutschland. Hierzu bedürfe es der Zustimmung der Bundesregierung, entweder ausdrücklich oder stillschweigend. Denn hier gehe es um Außenpolitik.

Und zweitens: Vertreter ausländischer Regierungen können sich nicht auf Grundrechte berufen, wenn sie "in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität" in Deutschland auftreten. Ob eine Kundgebung erlaubt oder verboten wird - das ist Außenpolitik, sagt das Verfassungsgericht.

Rechtlich gesehen, kommt dies nach den jüngsten Debatten nicht überraschend. Dass ausländische Hoheitsträger sich nicht auf deutsche Grundrechte berufen können, hatte vergangenes Jahr bereits das Oberverwaltungsgericht Münster festgestellt, bestätigt durch das Verfassungsgericht. Dennoch ist die Nachhilfe aus Karlsruhe bemerkenswert. Denn die Richter formulieren ein paar Botschaften in Richtung der Öffentlichkeit, die im Normalfall unterblieben wären - unzulässige Beschwerden werden häufig ohne Begründung abgewiesen. Nun jedoch haben die höchsten Richter sozusagen die Gaggenau-Frage beantwortet. Sie haben klargestellt, dass die Bundeskanzlerin sich nicht hinter dem Veranstaltungsverbot eines Kleinstadt-Bürgermeisters verstecken kann, wenn es um den diplomatisch heiklen Umgang mit türkischen Wahlkämpfern auf deutschem Boden geht. Das ist ein kalkulierter Übergriff ins politische Terrain.

Denn die Richter zwingen die Politik damit zur Ehrlichkeit. Wenn Erdoğan & Co. bei den Türken in Deutschland für ihr fragwürdiges Verfassungsreferendum werben wollen, dann muss die Bundesregierung ran. Sie kann solche Auftritte billigen, sie kann sie untersagen, beides ist möglich. Aber sie und nur sie hat die Verantwortung. Nimmt sie die Wahlkampftouren einfach nur hin, dann ist dies übrigens ebenfalls eine Entscheidung. Schweigen heißt: stillschweigende Zustimmung. Also Ja.

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