Verfassungsänderung:Algerien setzt auf den kranken Mann

Bei den Wahlen im kommenden Jahr in Algerien kann Staatschef Bouteflika noch einmal antreten - das Parlament kippte eine Beschränkung der Amtszeit.

Rudolph Chimelli

Mit überwältigender Mehrheit hat das algerische Parlament am Mittwoch Präsident Abdelaziz Bouteflika eine dritte Amtszeit ermöglicht. Nach kurzer Debatte beschlossen Abgeordneten und Senatoren, die gemeinsam tagten, eine Verfassungsänderung, mit der die Begrenzung der Amtszeit auf maximal zehn Jahre aufgehoben wird.

Verfassungsänderung: Der algerische Staatschef Abdelaziz Bouteflika soll auch zum dritten Mal gewählt werden können.

Der algerische Staatschef Abdelaziz Bouteflika soll auch zum dritten Mal gewählt werden können.

(Foto: Foto: Reuters)

500 Ja-Stimmen standen 21 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen gegenüber. Die regierungsnahen Medien berichten seit Monaten, dass der 71-jährige Bouteflika, obwohl er gesundheitlich schwer angeschlagen ist, aus allen Kreisen des Volkes zu einer Kandidatur gedrängt werde.

So schrieb Al Moudjahid, die Zeitung der früheren Staatspartei FLN: " Die Algerier bitten Bouteflika, weiterzumachen und für Algerien ein Opfer zu bringen." Bouteflika hat allerdings selbst noch nicht öffentlich gesagt, ob er zur Kandidatur im April bereit ist.

In einer Rede Ende Oktober hatte der Präsident jedoch das souveräne Recht des Volkes betont, bei der Bestellung seiner Regenten ohne Beschränkung handeln zu dürfen, und damit zumindest indirekt seine Ansprüche legitimiert.

Da die geplante Verfassungsänderung für den künftigen Regierungschef den Titel "Premierminister" und die Installierung mehrerer Vizepremiers vorsieht, könnte dahinter Bouteflikas Absicht stehen, sich zu entlasten. Der Premier wird vom Präsidenten ernannt und kann von ihm entlassen werden.

Durch die Verfassungsänderung wurden auch die Rechte der Frauen erweitert.

Sowohl die FLN als auch die Nationaldemokratische Sammlung, Pfeiler der Koalition, hatten die Trommel für Bouteflika gerührt. Auch die gemäßigt islamistische Bewegung für eine Gesellschaft des Friedens, Juniorpartner des Bündnisses, dürfte für ihn gestimmt haben.

Den Bürgerkrieg beendet

Bouteflikas zweite Amtszeit stand im Zeichen seiner Krankheit. Seine Auftritte wurden selten. Vor drei Jahren musste er sich im Pariser Militärkrankenhaus einer schweren Operation unterziehen und fiel monatelang aus.

Das Ausmaß der Unterstützung durch die Parteien sagt allerdings nichts aus über die Stimmung im Lande. Bei der Parlamentswahl im Mai 2007 gingen nur 35 Prozent der Berechtigen zur Abstimmung. Stärker als das politische Interesse ist der Unmut über Korruption, hohe Arbeitslosigkeit und den schlechten Lebensstandard, der trotz gewaltiger Erdöl- und Gaseinnahmen niedriger als in den Nachbarländern bleibt.

Nachdem Bouteflika mit Billigung der herrschenden Militärs 1999 erstmals gewählt worden war, reiste er häufig ins Ausland und ergriff viele internationale Initiativen. Als seine wichtigste Leistung gilt die Politik der nationalen Versöhnung, durch die der blutige Bürgerkrieg gegen die militanten Islamisten, dem mindestens 150.000 Algerier zum Opfer fielen, eingedämmt werden konnte. Die Mehrzahl der Islamisten im Untergrund nahm Bouteflikas Amnestie-Angebot an und kehrte ins normale Leben zurück.

Viele Algerier beklagen die vom Regime verfügten Einschränkungen der intellektuellen Freiheit. So wurde der Direktor der Nationalbibliothek, Amin Zaoui, der aus seinem Institut einen Raum der Debatten unter Denkern und Künstlern aller Richtungen gemacht hatte, von Kulturminister Khalida Toumi entlassen. Anlass war ein Vortrag des syrischen Dichters Adonis, der die "Institutionalisierung des Islam" in der arabischen Welt kritisiert hatte.

Die Vereinigung der islamischen Schriftgelehrten verurteilte dies als Anschlag eines sittenlosen und atheistischen Dichters auf den Islam. Die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung war Ziel einer Attacke des regimenahen Gewerkschaftsbundes. Auch sie hatte ihre Räume für unabhängige Diskussionen kritischer algerischer Intellektueller zur Verfügung gestellt. Das Stiftung sagte daraufhin für die nächsten Monate alle derartigen Veranstaltungen ab.

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